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# taz.de -- Zeitungen in der DDR: Scheinbare Vielfalt
> 38 Tageszeitungen gab es in der DDR. Der Inhalt wurde vom Zentralkomitee
> der SED bestimmt. Nach der Wende bedienten sich dann die großen
> Zeitungshäuser aus der BRD.
Bild: Die Berliner Zeitung wurde 1945 als "Organ des Kommandos der Roten Armee"…
Die DDR-Presselandschaft sah von außen betrachtet beeindruckend vielfältig
aus: Täglich erschienen 39 Tageszeitungen mit einer Gesamtauflage von 8,5
Millionen Exemplaren, dazu kam noch ein Vielfaches an Wochentiteln und
Zeitschriften. Sobald man ein solches Blatt aber aufschlug, wars mit der
Vielfalt vorbei: Dann regierte das Zentralkomitee der SED.
Die DDR-Verfassung garantierte zwar formal Pressefreiheit, de facto hatte
sich die Presse aber als "kollektiver Propagandist, kollektiver Agitator
und kollektiver Organisator" im leninschen Sinne zu verstehen, wie es in
der letzten erschienenen Auflage des "Wörterbuchs der sozialistischen
Journalistik" heißt. Die Prinzipien dieses Journalismus hießen
"Parteilichkeit, Wissenschaftlichkeit, Wahrhaftigkeit,
Massenverbundenheit". Die Ausbildung fand zentral an der Sektion
Journalistik der Karl-Marx-Universität Leipzig statt.
Tageszeitungen herausgeben durften nur die Parteien und
DDR-Massenorganisation wie die FDJ, der Gewerkschaftsbund FDGB oder die
Nationale Volksarmee. Dabei waren die Blätter der SED - allen voran ihr
Flaggschiff Neues Deutschland - bei der Papierzuteilung, Auflagenhöhe und
im Vertrieb bevorzugt. Nur die SED durfte Zeitung auf Ebene der 14
DDR-Bezirke machen ("Bezirksorgan") - und kam inklusive ND und Berliner
Zeitung so auf 16 Titel. Die sogenannten "Blockparteien" hatten nur ihre
"Zentralorgane" mit Sitz in Berlin und Regionalblätter auf Basis der 1952
abgeschafften DDR-Bundesländer.
Über den Einfluss der Stasi bei den SED-Blättern schreibt Ulrich Kluge in
seiner Studie "Willfährige Propagandisten": "Die offiziellen
Kontaktpersonen des MfS befanden sich in der Regel in der Verlags- und
Redaktionsleitung; konkret: Chefredakteure und ihre Stellvertreter,
Parteisekretäre, Kaderleiter sowie das Verlagsdirektorium." Die
Chefredakteure und leitenden Redakteure standen jedoch als
"Nomenklaturkader" des SED-Zentralkomitees nicht für den Einsatz als IM zur
Verfügung.
Die Stasi-Connection sorgt bis heute für Diskussionen - wie zuletzt im
Sommer 2008 bei der Berliner Zeitung, als zwei langjährige Redakteure als
IM enttarnt wurden. Nur wenige ehemalige DDR-Blätter wie die Märkische
Oderzeitung (ex Neuer Tag, Frankfurt an der Oder) haben sich nach der Wende
einer gründlichen Überprüfung aller MitarbeiterInnen auf Stasi-Tätigkeit
unterzogen.
##
In den Wende-Wirren Anfang 1990 brachten sich neben der Thüringer
Allgemeinen (TA) auch andere Titel an den Mann, der fast immer ein starker
Westverlag war. Ab Sommer 1990 besorgte dann die Treuhandanstalt das
Verscherbeln der offiziell volkseigenen Presse. Nur das Neue Deutschland
blieb bis heute indirekt in Parteibesitz.
Die zahlreichen Neugründungen der Wendezeit gingen dabei leer aus, zum Zuge
kamen stets die großen Zeitungshäuser aus der BRD. Die Segnungen des
Westens, der neue Technik finanzierte und - anders als bei der TA - fast
überall neue Chefredakteure installierte, waren aber mehr als trügerisch.
Durch die völlig verfehlte Privatisierungspolitik wurde die Dominanz der
ehemaligen SED-Blätter bis heute festgeschrieben. Auch die kleineren
Blätter der Blockparteien hatten keine Chance, genauso wenig neu
eingeführte Titel von Westverlagen, die bei der Treuhand leer ausgegangen
waren. Bis auf zwei Ausnahmen haben in den neuen Bundesländern nur die
Bezirkszeitungen überlebt, die in ihrem Verbreitungsgebiet fast immer ein
Monopol haben.
Die Auflagen aller Titel gingen seit 1990 dramatisch zurück. Da in den
neuen Ländern auch am Werbemarkt nicht viel zu holen war, finanzieren sich
die Zeitungen in den neuen Ländern überwiegend aus Vertriebserlösen.
Sparzwang ist so für Ostblätter seit Jahren Redaktionsalltag. Jüngste
Kooperationen wie zwischen Ostsee-Zeitung (Rostock) und Lübecker
Nachrichten oder Nordkurier (Neubrandenburg) und Schweriner Volkszeitung
führen zu einer weiteren Aushöhlung der Pressevielfalt - und zum Verfall
der ohnehin nicht immer guten journalistischen Qualität.
In dünn besiedelten Gebieten, wo die Zustellung der Zeitung ein Vielfaches
mehr kostet als in der Großstadt, könnten sich die Verlage sogar irgendwann
ganz zurückziehen, fürchtet der Dortmunder Journalistik-Professor Günther
Rager. Regionen in Brandenburg oder Mecklenburg-Vorpommern, die von der
Abwanderung der Bevölkerung besonders stark betroffen sind, könnten so zu
zeitungsfreien Zonen werden.
31 Jul 2009
## AUTOREN
Steffen Grimberg
## TAGS
Deutsche Einheit
Verlagswesen
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