# taz.de -- Wilke will aufräumen | |
> Seit einem halben Jahr ist Brandenburgs erster linker Oberbürgermeister | |
> René Wike im Amt. Bisher macht er vor allem mit einer Nachricht | |
> Schlagzeilen: Er will eine Gruppe gewalttätig gewordener Syrer aus der | |
> Stadt ausweisen lassen | |
Bild: René Wilke, Oberbürgermeister der Linkspartei in Frankfurt (Oder) | |
Aus Frankfurt (Oder) Uta Schleiermacher | |
Einige Punkte kann René Wilke auf seiner langen Liste schon abhaken. Seit | |
einem halben Jahr ist er Oberbürgermeister von Frankfurt (Oder) – und damit | |
der erste Oberbürgermeister aus der Linkspartei in Brandenburg. Wilke will | |
nicht nur Schulden abbauen, sondern auch Geld ausgeben für die teils marode | |
Infrastruktur, unter anderem sollen Fußwege, Spielplätze und Sporthallen | |
saniert werden. Er hat einen runden Tisch gegen Kinderarmut ins Leben | |
gerufen, der demnächst auch öffentlich tagen soll und mit dem er mit | |
gezielten Maßnahmen und Geldern eins der drängenden sozialen Probleme der | |
Stadt angehen will. | |
Doch in der Stadt selbst und auch über sie hinaus hat der neue | |
Oberbürgermeister in den letzten Monaten vor allem mit einer anderen | |
Nachricht auf sich aufmerksam gemacht. Denn der Linken-Politiker fordert | |
ein hartes Vorgehen gegen straffällige Flüchtlinge und möchte eine Gruppe | |
gewalttätig gewordener junger Syrer aus Frankfurt ausweisen lassen. | |
Der Hintergrund von Wilkes Vorstoß sind die Vorfälle an einem Partyabend | |
Ende August. Eine Gruppe junger Männer hatte vor dem Frankfurter | |
Frosch-Club randaliert und Gäste bedroht. Die Männer schlugen Scheiben ein. | |
Nach Zeugenaussagen sollen sie mit Eisenstangen und Messern auf Gäste | |
losgegangen sein, sodass einige sich vor Angst unter Autos versteckt und im | |
Club verbarrikadiert hätten. Tatverdächtig sind Flüchtlinge aus Syrien, | |
eine Gruppe von etwa 15 jungen Männern, die schon vorher in der Stadt | |
aufgefallen sein sollen. Inzwischen sitzen einige von ihnen in | |
Untersuchungshaft. Vier der Inhaftierten werden direkt mit dem Abend am | |
Frosch-Club in Verbindung gebracht. | |
Schon vorher hatte es auf einem Platz in der Innenstadt von Frankfurt und | |
vor einem örtlichen Fast-Food-Laden Auseinandersetzungen, teils auch | |
Schlägereien gegeben. Auch an diesen Vorfällen sollen Flüchtlinge aus der | |
besagten Gruppe beteiligt sein. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt | |
wegen gefährlicher Körperverletzung. | |
„Nach jetzigen Erkenntnissen beruhen die Vorfälle fast durchweg auf Streit | |
um Frauen oder gegenseitigen Provokationen“, sagt Oberstaatsanwalt Ulrich | |
Scherding. Mehrmals habe es Streit mit dem Exfreund der aktuellen Freundin | |
eines der Syrer gegeben. Auch ausländerfeindliche Beschimpfungen hätten | |
eine Rolle gespielt. | |
Oberbürgermeister Wilke hatte schon nach den ersten Konflikten im | |
Frühsommer einen runden Tisch zur Sicherheitslage in der Stadt einberufen. | |
Die Stadt verhängte auf dem Platz ein Alkoholverbot und ließ | |
Videoüberwachung prüfen, die Polizei war ständig präsent. Doch nach dem | |
Vorfall am Frosch-Club – am selben Wochenende wie die rassistischen | |
Ausschreitungen in Chemnitz – ging Wilke einen Schritt weiter. Er | |
verkündete, dass er straffällig gewordene Flüchtlinge ausweisen lassen | |
wolle, weil von ihnen eine akute Gefahr ausgehe. „Als Oberbürgermeister | |
habe ich einen Eid geschworen, die Menschen der Stadt zu schützen“, sagte | |
er. Daher müsse er alle rechtlichen Instrumente prüfen. | |
Wilke erntete für seine prompten Forderungen von vielen Seiten erst mal | |
Applaus. Seine eigene Partei stellte sich hinter ihn, auch das | |
Innenministerium unterstützte seinen Vorstoß. Alena Karaschinski, | |
Sprecherin des Kreisverbands der Grünen, warf ihm dagegen öffentlich vor, | |
dass diese Maßnahme wirkungslos sei. Kritik kam auch vom Frankfurter Verein | |
Utopia, der sich unter anderem in antirassistischer Bildungsarbeit | |
engagiert. „Wir sind empört über diesen Rechtsruck unseres | |
Oberbürgermeisters“, schrieb der Verein in einer Stellungnahme. Rechten | |
Forderungen entgegenzukommen werde nicht helfen, rechte Positionen | |
abzuschwächen. Der Verein forderte eine Gleichbehandlung von deutschen und | |
nichtdeutschen Personen. | |
Auch Thomas Klähn, Sozialarbeiter bei der AWO in Frankfurt (Oder) und | |
Mitglied im Verein „Vielfalt statt Einfalt“, hält die Debatte um | |
Ausweisungen für irreführend. „Es ist fraglich, ob das überhaupt | |
durchsetzbar ist. Wir müssen sowieso mit den Jugendlichen arbeiten und sie | |
begleiteten.“ Mit der Diskussion um die Ausweisung hätten auch Anfeindungen | |
gegen Flüchtlinge auf der Straße und in den Schulen zugenommen. | |
Bei einer öffentlichen Diskussion Mitte September verhedderte Wilke sich in | |
seiner eigenen Begründung. „Wir müssen uns davon verabschieden, dass alle | |
Menschen resozialisierbar sind“, sagte er. „Diese Menschen sind böse.“ A… | |
den Verhören werde deutlich, dass die Tatverdächtigen kein | |
Schuldbewusstsein für ihre Taten zeigten. Vom Publikum gab es dafür Applaus | |
– doch der rbb warf ihm vor, er habe unbefugt aus Ermittlungsakten zitiert. | |
In derselben Diskussion behauptete Wilke auch, dass Sozialarbeiter in der | |
Jugendvollzugsanstalt Wriezen ihre Arbeit niedergelegt hätten, weil sie | |
Angst um ihr Leben hätten. Als der Leiter der Anstalt dem entschieden | |
widersprach, entschuldigte sich Wilke. | |
Inzwischen ist Wilke vorsichtiger, vieles würde er so wohl nicht mehr | |
sagen. Doch von der Forderung, straffällige Flüchtlinge auszuweisen, möchte | |
er nicht abrücken. „Wenn Menschen, die bei uns Schutz suchen, gewalttätig | |
werden, ist eine Grenze erreicht“, sagt er. Vorfälle wie die vor dem | |
Frosch-Club seien „eine Gefahr für den Integrationsprozess“. Er fürchte, | |
dass die gesellschaftliche Akzeptanz für Integration schwindet, „weil die | |
Menschen, wenn sie Angst haben müssen, kein Verständnis dafür haben, dass | |
es auch mit Mühen und Belastungen verbunden ist, Flüchtlinge aufzunehmen“. | |
Damit wird deutlich, dass er die Ausweisungsdebatte auch als Botschaft an | |
diese Menschen versteht. | |
In Frankfurt (Oder) ist es inzwischen ruhiger geworden. Auch der | |
Oberbürgermeister möchte lieber über seine Pläne für die Stadt reden als | |
über Ausweisungen. Darüber, wie er die Bürgergesellschaft weiter | |
einbeziehen kann, und dass Frankfurt gerade für viele Akteure von außen | |
interessant wird, wie zum Beispiel die Stiftung Zukunft. „Ich bin – trotz | |
meiner politischen Vorerfahrungen – überrascht, wie viel ich in dieser | |
Position gestalten kann“, sagt er. „Für vieles braucht es nicht unbedingt | |
nur Geld, sondern auch Engagement und dass die Menschen hinter etwas | |
stehen.“ | |
7 Nov 2018 | |
## AUTOREN | |
Uta Schleiermacher | |
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