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# taz.de -- Volker Ratzmann will Grünen-Chef werden: "Ich schätze Cem"
> Zuerst fand sich keiner. Dann signalisierte der Berliner Grüne Volker
> Ratzmann, Reinhard Bütikofer als Realo an der Doppelspitze beerben zu
> wollen. Offziell ist die Kandidatur noch nicht.
taz: Herr Ratzmann, wollen Sie Grünen-Chef werden?
Volker Ratzmann: Das ist ein reizvolles Amt, das mich interessiert.
Ist das jetzt eine offizielle Kandidatur?
Nein, ich werde noch Gespräche in der Partei führen und vor der Sommerpause
erklären, ob ich kandidiere oder nicht.
Was qualifiziert Sie denn für dieses Amt?
Ich habe in Berlin als Fraktionsvorsitzender viel Erfahrung im Umgang mit
anderen Parteien gesammelt und politische Prozesse gemanagt. Ich habe immer
versucht, pragmatisch Politik zu machen, um für die Grünen Gestaltungsräume
zu öffnen. Genau darauf kommt es im Bund künftig an.
Sie wären wohl Grünen-Chef an der Seite von Claudia Roth. Wären sie sich
nicht zu ähnlich? Wo ist da die Kompetenz für Ökologie und Wirtschaft?
Klimaschutz, Wirtschaft und Sozialpolitik gehören zum Aufgabenfeld eines
Fraktionschefs. Bundesvorsitzende brauchen aber vor allem einen
generalistischen Ansatz, müssen Strategien entwickeln und Politik managen.
Der Parteivorsitz ist das spannendste Amt, das in der Republik derzeit zu
vergeben ist. Denn 2009 wird sich zeigen, ob es in dieser Republik einen
Modernisierungsschub gibt. Und der geht nur mit den Grünen.
… in einer Koalition mit Union und FDP?
Mir ging es immer darum, für die Grünen Handlungsräume jenseits der SPD zu
entwickeln. Die SPD hat uns ja in Berlin zweimal deutlich gesagt, dass wir
nicht ihr Partner sind. Daraus haben wir die Konsequenz gezogen, in der
Opposition mit FDP und CDU zusammenzuarbeiten. Das hat gut geklappt. Wir
dominieren die Landespolitik. Wir haben etwa FDP und CDU gegen ein neues
Kohlekraftwerk in Berlin mit in Stellung gebracht. Ich habe keine Scheu,
mit anderen Parteien Politik zu machen - wenn es passt.
Wo sind denn die Essentials der Grünen für eine Jamaika -Koalition im Bund?
Es ist zu früh, um grüne Essentials zu formulieren. Aber klar ist: Der
Ausstieg aus der Atomenergie ist nicht verhandelbar. Und natürlich sind wir
bei den Bürgerrechten für mehr Datenschutz. Darüber hinaus brauchen wir
eine klare Orientierung auf die Wissensgesellschaft. Deshalb müssen
Innovation und Bildung Schwerpunkte sein. Wir Grüne müssen zeigen, wie eine
umweltschonende Energiepolitik aussieht, die sozialverträglich ist.
Wie finden Sie Cem Özdemir?
Ich schätze ihn als respektablen Kandidaten. Wir kennen uns aus
migrationspolitischen Debatten, haben viel über das Zuwanderungsgesetz
diskutiert. Wir werden uns nicht die Köpfe einhauen.
Sie sind beide Realos. Wo ist denn der wesentliche politische Unterschied
zwischen ihnen?
Wir haben unterschiedliche Erfahrungen gesammelt. Ich komme aus der
Landespolitik, habe mich in der Föderalismuskommission um den Staatsaufbau
und die Staatsfinanzen gekümmert. Ich habe viel an der Basis gearbeitet. Es
wird vor allem darum gehen, die Partei bei den anstehenden
Auseinandersetzungen mitzunehmen. Die Arbeit des Parteivorsitzenden wird,
neben dem Wahlkampf 2009, sehr davon geprägt sein, das grüne Profil auf
diesem Weg herauszuarbeiten.
"Auf diesem Weg" heißt übersetzt - die Partei auf Jamaika vorbereiten?
Es heißt, der Partei mit einem klaren, grünen Profil selbstbewusst neue
Gestaltungsräume zu eröffnen. In Hamburg gelingt dies im Moment gut.
Natürlich gibt es bei Schwarz-Grün viel Spannungen. Aber die Kunst besteht
darin, die Spannung zwischen Wirtschaft und Ökologie produktiv zu nutzen.
Ich glaube, im Fünfparteiensystem ist es zu wenig, nur nach Schnittmengen
zu schauen - man muss auch versuchen, in Spannungsverhältnissen Neues zu
probieren. Wer dazu bereit ist, mit dem werden wir das probieren.
Also geht im Bund auch, was in Hamburg funktioniert?
Nein, dafür braucht man auch Leute, die miteinander arbeiten können. Da
zweifle ich, wenn ich mir das Spitzenpersonal von Union und FDP anschaue.
Fakt ist, dass der großen Koalition schon jetzt die Ideen fehlen. Das
Kreative liegt bei uns.
Sind die Grünen eigentlich noch eine linke Partei?
Ja. Weil wir die Emanzipation und freie Entfaltung des Einzelnen
voranbringen wollen. Das ist für mich der Kern linker Politik.
Ist Rot-Rot-Grün denn auch eine Möglichkeit auf Bundesebene?
Eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei kann ich mir nicht vorstellen. Wir
sollten nach 2009 weiterführen, was Rot-Grün in der Außen- und
Sozialpolitik begonnen hat. Das wird mit der Linkspartei nicht gehen.
Wenn es 2009 wirklich Jamaika gibt - wird das keine Zerreißprobe für die
Grünen?
Wenn es Jamaika gäbe, wäre es ein Wagnis. Vielleicht gäbe es dann Einzelne,
die sagen: So nicht. Aber Hamburg zeigt doch: Der Wille der Grünen, Politik
zu gestalten, ist riesig.
Glauben Sie, dass grüne Traditionswähler 2009 Merkel wählen wollen?
Gegenfrage: Glauben Sie, dass grüne Traditionswähler 2009 Lafontaine wählen
wollen?
INTERVIEW: STEFAN REINECKE
3 Jun 2008
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