# taz.de -- Vergiftung des Ex-Agenten Litwinenko: Staatlich unterstützter Mord | |
> Londons schwere Anschuldigungen gegen Putin: Eine Untersuchung ergab, | |
> dass Ex-Agent Litwinenko wohl im Auftrag des Kreml umgebracht wurde. | |
Bild: 1998: Da war Alexander Litwinenko noch Agent. | |
LONDON taz | Der russische Dissident Alexander Litwinenko wurde | |
wahrscheinlich mit Wissen und Zustimmung des russisichen Präsidenten | |
Wladimir Putin ermordet. Das ist das Ergebnis einer gerichtlichen | |
Untersuchung, die am Donnerstag in London verkündet und vom ehemaligen | |
britischen Richter Robert Owen geleitet wurde. Litwinenko war im Jahr 2006 | |
mit dem radioaktivem Gift Polonium 210 ermordet worden. Der britische | |
Premierminister David Cameron fand deutlichere Worte: Er bezeichnete die | |
Ermordung Litwinenkos als „vom Staat unterstütztes“ Verbrechen. | |
Laut Untersuchung soll das heutige Dumamitglied Andrei Lugowo mit Hilfe des | |
Komplizen Dimitri Kowtun das tödliche Gift Litwinenko bei einem Treffen in | |
einer Londoner Hotelbar in den Tee getan haben. Der Richter erklärte | |
weiter, dass Litwinenko im Auftrag des russischen Geheimdienstes FSB und | |
„wahrscheinlich“ im Auftrag des russischen Präsidenten Wladimir Putins | |
ermordet wurde. | |
Litwinenko erlag seiner nuklearen Vergiftung nach drei Wochen am 23. | |
November 2006. Er selber machte auf seinem Sterbebett Wladimir Putin direkt | |
für die Tat verantwortlich. Seit seinem Tod kämpfte seine Witwe Marina | |
darum, die Umstände seines Todes zu ergründen. | |
Die jetzige gerichtliche Untersuchung ist nicht mit einem Prozess | |
gleichzusetzen und hat keine strafrechtlichen Konsequenzen. Sie war von | |
Innenministerin Theresa May im Juli 2014 angeordnet worden, nachdem das | |
Oberste Gericht eine Überprüfung des Falles empfohlen hatte. Sie hat aber | |
erhebliche politische Konsequenzen. Die britische Regierung bestellte den | |
russischen Botschafter ein. Der britische Premierminister David Cameron | |
sagte, der Untersuchungsbericht belege, wovon er schon immer überzeugt | |
gewesen sei: dass „dieser entsetzliche Mord eine vom Staat unterstützte Tat | |
war“. | |
Die russische Regierung wies die Untersuchung vehement zurück, sprach von | |
einem „Witz“ und von „britischem Humor“ und drohte mit Konsequenzen fü… | |
bilateralen Beziehungen. Die britischen Behörden ordneten ein Einfrieren | |
des Vermögens der beiden genannten Täter an. Lugowoi sitzt mittlerweile als | |
Abgeordneter im russischen Parlament. | |
Der 1962 geborene Alexander Liwinenko diente seit 1980 zunächst in der | |
Sowjetischen Armee, bevor er ab dem Jahr 1986 für den KGB arbeitete. Diese | |
Arbeit unterstand später dem postsowjetischen Nachrichtendienst FSB. Als | |
Wladimir Putin 1998 die Rolle des FSB-Direktors übernahm, konfrontierte | |
Litwinenko Putin mit Anklagen über Korruption innerhalb des | |
Nachrichtendienstes. Er wurde entlassen und verhaftet. Als er im Oktober | |
des Jahres 2000 kurzfristig auf freien Fuß war, floh er mit seiner Familie | |
nach Großbritannien, um dort politisches Asyl zu beantragen. | |
In London schloss er sich der Opposition gegen Putin an und bekam eine | |
Anstellung beim britischen Nachrichtendienst MI6, um bei Untersuchungen | |
gegen das organisierte Verbrechen mitzuhelfen. Im Jahr 2002 verurteilte ihn | |
ein Gericht in Russland wegen Korruption. Litwinenko behauptete | |
seinerseits, der FSB stünde hinter der Ermordung des armenischen | |
Premierministers, den Bombenattentaten in Apartments im Jahr 1999 und der | |
Besetzung des Moskauer Theaters im Jahr 2002. Auch für die Ermordung der | |
Journalistin Anna Politkowskaya machte Litwinenko Putin verantwortlich. | |
Richter Robert Owen gab an, dass es somit Motive für Putin gab, Litwinenko | |
als Problem anzusehen und dass die Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm | |
und Putin zum Teil sehr persönlich waren. Es sei zwar nicht bewiesen, aber | |
wahrscheinlich, dass das Polonium aus einem russischen Nuklearreaktor | |
stamme. Das radioaktive Gift hatte eine Spur durch ganz Europa | |
hinterlassen, die auch nach Hamburg führte. | |
21 Jan 2016 | |
## AUTOREN | |
Daniel Zylbersztayn | |
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