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# taz.de -- Verfassungsgericht kippt Gesetz: Ehe wird auch transsexuell
> Karlsruhe hat das Transsexuellengesetz für verfassungswidrig erklärt. Der
> Zwang zur Ehescheidung bei Geschlechtsänderung eines der Partner ist
> unverhältnismäßig.
Bild: Mimi Marks, Siegerin von Schönheitswettbewerb für Transsexuelle 2005.
Verheiratete Transsexuelle müssen sich nicht erst scheiden lassen, bevor
sie rechtlich ihr Geschlecht ändern können. Dies hat jetzt das
Bundesverfassungsgericht entschieden. Das Transsexuellengesetz muss nun bis
August 2009 geändert werden.
Konkret ging es um einen knapp 80-jährigen "Mann" aus Berlin. Er (bzw. sie)
sagt, er sei schon seit Geburt eine Frau im männlichen Körper gewesen. Seit
2001 trägt er einen weiblichen Vornamen, 2002 unterzog er sich einer
geschlechtsumwandelnden Operation. Der Transsexuelle will nun aber auch
rechtlich als Frau eingestuft werden.
Dies ist bisher nach dem Transsexuellengesetz jedoch nicht möglich. Weil
eine Ehe nur zwischen Mann und Frau zulässig ist, dürfen Verheiratete nicht
während der Ehe ihren Personenstand ändern. Wer auf einer rechtliche
Anerkennung des neuen Geschlechts besteht, muss sich deshalb scheiden
lassen.
Der Berliner ist schon seit rund 56 Jahren verheiratet und hat drei Kinder.
Seine Ehefrau steht trotz der sexuellen Besonderheiten ihres "Mannes" zur
Partnerschaft. Seit der Kläger äußerlich als Frau erscheint, leben die
beiden faktisch in einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft. Eine
Scheidung lehnt das Paar rigoros ab. "Es ist eine Beleidigung unserer
Gefühle, wenn unsere kostbare Lebensgemeinschaft juristisch wie eine
zerrüttete Ehe behandelt werden soll", argumentierten sie. Das Amtsgericht
Berlin-Schöneberg hatte Verständnis und legte den Fall in Karlsruhe zur
Prüfung vor.
Das Verfassungsgericht hat nun das Transsexuellengesetz in diesem Punkt für
verfassungswidrig erklärt. Es bringe die Betroffenen unnötig in eine "kaum
lösbare Konfliktlage". Wenn der Staat Ehegatten gegen ihren Willen zur
Scheidung dränge, laufe dies dem Gedanken der Ehe als "dauerhafter Lebens-
und Verantwortungsgemeinschaft" zuwider. Zwar habe auch die Entscheidung
des Gesetzgebers, die Ehe nur Mann und Frau zu ermöglichen, "hohes
Gewicht". Bei verheirateten Transsexuellen sei das "Prinzip der
Verschiedengeschlechtlichkeit" aber nur am Rande berührt, weil es sich bloß
um wenige Fälle handele. Nur selten wolle ein Paar nach der
Geschlechtsumwandlung eines Partners seine Ehe fortführen.
Der Gesetzgeber hat nun drei Möglichkeiten: Entweder er öffnet in solchen
Fällen die Ehe ausnahmsweise für gleichgeschlechtliche Paare, oder er
überführt solche Ehen in eine eingetragene Lebenspartnerschaft oder eine
Rechtsform ganz neuer Art. Jeweils dürfen die gewohnten Rechtsvorteile der
Ehe, zum Beispiel das Ehegattensplitting, nicht verloren gehen. Dieser
Status wird also deutlich vorteilhafter sein als die seit 2001 bestehende
eingetragene Homo-Partnerschaft, die mehr Pflichten als Rechte mit sich
bringt.
Mit der gestrigen Entscheidung hat das Verfassungsgericht aber nicht
generell die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Partner gefordert.
Vielmehr überlässt Karlsruhe ausdrücklich dem Gesetzgeber die Ausgestaltung
des Eherechts: Die Gleichstellung von Homo-Ehen sei möglich, aber nicht
zwingend, heißt es in mehreren jüngeren Beschlüssen.
Immerhin steigt nun der Druck zur grundlegenden Überarbeitung des
Transsexuellengesetzes. Das Bundesverfassungsgericht hat in den letzten
Jahren schon mehrere Klauseln des Gesetzes aus dem Jahr 1981 für
unanwendbar erklärt. 2007 haben deshalb die Grünen einen Entwurf vorgelegt,
der etwa berücksichtigt, dass viele Transsexuelle gleichgeschlechtlich
leben wollen, woran man 1981 noch nicht dachte. In Deutschland leben einige
Tausend Transsexuelle. (Az.: 1 BvL 10/05)
24 Jul 2008
## AUTOREN
Christian Rath
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