# taz.de -- Unterstützung für Migranten: Der Demokratieverbesserer | |
> Biplab Basu unterstützt Menschen, die rassistische Gewalt erfahren haben. | |
> Der Mitgründer der Beratungsstelle ReachOut begleitet Opfer vor Gericht. | |
Biplab Basu geht dem Einfachen nach, dem Fairen, dem Schlichten. "Weil das | |
Einfache schön ist", sagt er. Wie die Borte an Basus Weste schön ist in | |
ihrer Schlichtheit. Jemand hat sie mit Mühe so aufgestickt, dass man sie | |
kaum sieht. Die Weste hat Basu in einem Import-Export-Laden am Kottbusser | |
Damm gekauft. Nicht in Westbengalen, wo er herkommt. Nicht in Kalkutta, wo | |
er sonst bei einem Schneider "bis heute, wenns geht", seine Kleidung kauft, | |
weil er das Können des alten Mannes so schätzt. | |
Seit 30 Jahren lebt Basu jetzt in Berlin. Ende der 70er-Jahre zog es ihn | |
hierher. Obwohl "ziehen" das falsche Wort ist. Fragt man ihn nach Berlin, | |
ist kein Verlangen nach genau diesem Ort zu spüren. Da sei ein diffuses | |
"Einmal-Europa-Sehen" in seinem Kopf gewesen. "Im Nachhinein denke ich, ich | |
war politikmüde." Dabei war er damals erst 28 Jahre alt. "Wir hatten eine | |
Menschenrechtsgruppe in Bombay gegründet gegen Polizeibrutalität." Er sagt | |
es leise und langsam. Es klingt, als wäre das Unterfangen ausweglos | |
gewesen. | |
Drei Jahrzehnte später aber sitzt Basu regelmäßig in Berlin auf | |
Besucherbänken in Gerichtssälen und macht genau das, was er in Indien | |
zuletzt tat: Polizeibrutalität anprangern. In Moabiter Gericht kennt man | |
den Mann mit den grauen Haaren, der hellbraunen Haut, den weißen, | |
auffallenden Augenwimpern schon. | |
Unter den Leuten, die der Menschenrechtler unterstützt, ist Erdal R. Er | |
wurde, so erzählt der bald 20-Jährige, von SEK-Beamten bei einer | |
nächtlichen Razzia in der Wohnung seiner Eltern übel zugerichtet, obwohl | |
er, wie sich herausstellte, unschuldig war. Im derzeit laufenden Prozess | |
behaupten die vier Polizisten indes, er sei im Dunkeln gegen den | |
Schutzschild des ersten SEK-Mannes gerannt und hätte sich dabei verletzt | |
(siehe Text unten). | |
Auch dem aus Ghana stammenden Peter Gyimah steht Basu bei. Der saß in der | |
Abschiebehaft in Köpenick und sollte, da er keinen Appetit hatte und aus | |
Sicht der Beamten folglich im Hungerstreik war, von Vollzugsbeamten ins | |
Krankenhaus gebracht werden. Am Ende dieses Einsatzes lag er im Koma und | |
hatte Blutergüsse vor allem auf der Wange. Der Polizist, der ihn | |
misshandelt haben soll, beharrt darauf, dass sich der zuckerkranke Gyimah | |
die Wunden selbst zufügte, als er in der Zelle mit dem Kopf gegen die Wand | |
schlug. "Erklären Sie mir einmal, wie man mit der Wange gegen die Wand | |
schlägt", fragt Basu. | |
ReachOut heißt die Opferberatung für Menschen, die rechte, rassistische | |
oder antisemitische Angriffe erlebten, in der Basu arbeitet. Sie hat ihren | |
Sitz in der Oranienstraße in Kreuzberg. Um die Fenster in seinem engen, | |
zellenartigen Büro zu öffnen, müssen selbst größere Leute als Basu auf | |
einen Schemel steigen. Auf der Kante eines Stuhls sitzt der Mann und | |
erzählt mit bedächtiger Stimme von sich und seinem Leben. Als Mensch muss | |
man politisch sein, das war die Botschaft seiner Eltern, die ihn prägte. | |
Denn ohne politische Haltung könne man sich in den Widersprüchen der Welt | |
nicht zurechtfinden. | |
Gegensätze gibt es in seinem früheren Leben tatsächlich genug: Da ist das | |
Dorf, wo er lebt, und dort ist die Stadt Kalkutta, wo er seine Verwandten | |
besucht. Da gibt es einen Dorfbrunnen, Öllampen, Ochsenkarren. Dort | |
fließendes Wasser, Elektrizität und Straßenbahnen. | |
Auch was in der Familie gedacht und geglaubt wurde, war voller | |
Widersprüche. Der Vater, ein Lehrer, versteht sich als Pazifist, lehnt den | |
Indochinakrieg ab, unterstützt Gandhi und die Unabhängigkeitsbewegung. Auf | |
der anderen Seite ist für ihn klar: Man muss die Briten bekämpfen. Er | |
gehört zu einer Gruppierung, die von der Kolonialmacht als terroristisch | |
eingestuft wird. Seine Mutter wiederum geht nach Kalkutta, um als | |
Telefonistin zu arbeiten. Vom Vater wird sie dabei unterstützt, aber im | |
Dorf redet man deswegen schlecht über sie. Auch stellen die Eltern das | |
Kastensystem, die Trennung zwischen Hindus und Muslims und das Patriarchat | |
in Frage, und dennoch suchen sie für die älteste Schwester Basus den Mann | |
und richten die Hochzeit traditionell aus. | |
Um die Erzählung über seine Herkunft abzubrechen, sagt Basu: "In | |
Deutschland lebt man bei den Eltern. In Indien lebt man mit den Eltern." | |
Ihr Einfluss ist groß. Deshalb passt, was er über sich als Erwachsenen | |
sagt, in drei Sätze: Er hat Geschichte studiert und als Gewerkschafter | |
gearbeitet. Monatelang ist er auch Kuli im Bergbau gewesen, um Gleicher | |
unter Gleichen zu sein. Im Gefängnis gesessen ist er in Indien wegen seiner | |
politischen Arbeit auch. | |
Und in Berlin? Da hat er sich ebenso mit allen möglichen Jobs über Wasser | |
gehalten: Gärtner, Möbelpacker, Tellerwäscher, Parkettschleifer, | |
Fabrikarbeiter. Zumindest hat er es so lange gemacht, bis er Deutsch | |
konnte. Und natürlich hat er sich linken Gruppen angeschlossen, in | |
atheistischen Zirkeln verkehrt und den Internationalismus gefordert. Eine | |
Zeitlang beschäftigte er sich in Berlin auch mit Indien, bis er einsah, | |
dass er nicht dort lebt, sondern hier. Da hatte die Liebe, dieser | |
Klebstoff, ihn schon festgesetzt. | |
Auf seine feinsinnige Art hat Basu eine radikale Sehnsucht, die Welt | |
menschlicher zu machen. Das Feld, das er dafür in Deutschland gefunden hat, | |
ist Fremdenfeindlichkeit und Rassismus. Nichts widerspreche einer | |
Demokratie mehr. "Es macht sie hässlich." Zusammen mit anderen baute er die | |
Antirassistischen Initiative auf und arbeitete zeitweise beim Roten Kreuz | |
in einem Projekt mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. In den | |
90er-Jahren ist er zudem lange wissenschaftlicher Mitarbeiter der | |
PDS-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Sein Schwerpunkt: Ausländerpolitik. Heute | |
sitzt ihm die Linkspartei zu sehr auf dem Schoß der SPD. | |
2001 gründete Basu mit anderen ReachOut. Ihm ist vor allem die Gewalt, die | |
von Polizisten oder Staatsbeamten ausgeht, ein Dorn im Auge. Wie Erdal R. | |
und Peter Gyimah suchen etwa 50 Menschen im Jahr dort Hilfe. "Vor 20 Jahren | |
haben die Opfer erwartet, dass die Polizei sich rassistisch verhält und vom | |
Staat gedeckt wird", sagt er. Heute jedoch reagiere die Öffentlichkeit | |
hellhöriger auf so was. "Das ist unsere Chance." | |
Zu Basus Schützlingen gehört auch der zwölfjährige Sven. Der habe, was von | |
Dritten gehört worden sein soll, gesagt, er wolle den Direktor seiner | |
Moabiter Schule umbringen. Ein paar Tage nach dieser angeblichen Drohung | |
holt ihn die Polizei aus dem Sportunterricht, unterzieht ihn in der | |
Umkleidekabine einer Leibesvisitation und bringt ihn in Handschellen zu | |
seiner Mutter auf die Arbeitsstelle. "Einen Zwölfjährigen!", sagt Basu. | |
"Dass die das dürfen, steht keinesfalls im Gesetz." | |
Mit Baskenmütze auf dem Kopf taucht der kleine, schlanke Mann mit dem | |
leicht schlurfenden Gang bei Behörden oder im Gerichtssaal auf und | |
beobachtet das Geschehen. Das ist seine Aufgabe: Beobachten. Da sein. | |
Bleiben. Warten. Abwarten. Basus verharrende Präsenz steht in der Tradition | |
Gandhis. Seine Anwesenheit ist die Mahnung. Sagt er bei den | |
Gerichtsverhandlungen doch etwas, ist es für die, die neben ihm auf den | |
Besucherbänken sitzen, bestimmt. Als der angeklagte Polizeibeamte im | |
Prozess gegen Gyimah erzählt, er habe in der Zelle, in der dieser | |
eingesperrt war, ein "dunkles Klopfen" gehört, meint Basu: "Kein Wunder, er | |
ist ja auch schwarz." Das dunkle Klopfen soll den Polizisten zufolge zu den | |
Blutergüssen an der Wange geführt haben. | |
Und als der Richter kurz darauf Gyimah bei der Zeugenbefragung mit "der | |
Angeklagte" anspricht, durchzuckt es Basu. "Er ist der Zeuge", flüstert er | |
bleich. Auch die Rechtsvertreterin von Gyimah merkt es: "Er ist der Zeuge, | |
der Angeklagte sitzt dort drüben", schreit sie in den Gerichtssaal und | |
zeigt auf den Polizisten. | |
Auf den Gängen vor den Gerichtssälen steht Basu und speichert in seinem | |
Gedächtnis, was er erlebt. "Wessen Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel?", | |
fragt er. Die von Gyimah? Die von Erdal? Die von Sven? Die eines Schwarzen, | |
der jahrelang illegal in Berlin lebte? Die eines zwölfjährigen Kindes einer | |
Alleinerziehenden, der aneckt? Die eines türkeistämmigen Jugendlichen, den | |
die Schule nicht interessierte und der wohl auch ein Halbstarker war, bevor | |
er erlebte, was Schwäche ist? Oder die der Polizei? "Es geht nicht darum, | |
die Opfer zu den Guten und die Täter zu den Schlechten zu stempeln. Es geht | |
darum, dass für alle das gleiche Recht gilt", sagt Basu, der sich | |
einmischen muss. Weil sich, wie er sagt, in Bengalen die Menschen immer | |
einmischen, wenn sie etwas als unrecht erkennen. | |
18 Apr 2008 | |
## AUTOREN | |
Waltraud Schwab | |
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