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# taz.de -- Unkontrollierte Polizei: Unter dem Schutz des Apparats
> Polizeigewalt bleibt in Hamburg ungesühnt. Eine Statistik belegt, dass
> nach Anzeigen keine Anklage wegen Körperverletzung im Amt erhoben worden
> ist. Kritiker rufen nach Polizeikommission
Bild: Robuster Zugriff: Polizisten nehmen den Publizisten Farydon Salak-Gilani …
Christiane Schneider staunte nicht schlecht. Obwohl die Innenpolitikerin
der Linkspartei schon einiges erlebt hat, verblüfft sie die Statistik über
Strafverfahren gegen Hamburger Polizeibeamte wegen Körperverletzung im Amt
dann doch. Seit 2006 taucht dort immer eine "Null" auf. Im Klartext: Von
den jedes Jahr etwa 400 Strafanzeigen wegen Polizeigewalt ist seit
zweieinhalb Jahren keine zur Anklage gekommen. 2005 waren es immerhin noch
vier Verfahren. "Das ist ein Indiz, dass signifikant häufig
Polizeiübergriffe straffrei bleiben", beklagt Schneider. "Und dafür, dass
wir dringend eine professionelle Polizeikommission brauchen."
Eine typische Hamburgensie: Am 15. Dezember 2007 demonstrierten Tausende
gegen den so genannten "Terrorparagraphen" 129 a des Strafgesetzbuchs. Als
die Polizei einen Kessel bildet, löst sich der Marsch vorzeitig auf.
Teilnehmer fahren in die City, um auf dem Weihnachtsmarkt weiter zu
demonstrieren. Die Polizei reagiert rigoros, stürmt ohne Rücksicht auf
Bummler zwischen Buden und Glühweinständen in die Menge hinein.
Der 70-jährige Publizist und Exil-Iraner Farydon Salak-Gilani sieht zu und
hinterfragt bei Polizisten kritisch das Treiben. "Halts Maul", bekommt das
Mitglied des angesehenen PEN-Clubs zu hören, dann wird er wegschubst.
"Plötzlich wurde Gilani auf das rechte Ohr geschlagen und auf den Boden
geworfen", berichtet sein Anwalt Jürgen Schneider, der das Geschehen mit 40
Fotos beweisen kann. Das Ergebnis: Gilani erhielt einen Strafbefehl wegen
Widerstands, das Verfahren gegen Polizisten wegen Körperverletzung wurde
eingestellt.
"Das ganz typischer Fall und eine beliebte Methode", berichtet Rechtsanwalt
Martin Lemke, Vorstandsmitglied des Republikanischen Anwaltvereins (RAV).
"Der Anzeigeerstatter wird von der Staatsanwaltschaft schlecht gemacht und
der Polizist kann sicher sein, dass ihm vom Apparat her nichts passiert."
Der Betroffene sei oft allein und die Polizisten, die sich gegenseitig
deckten, oft zu mehreren. Trotzdem ist es für den Kriminologen Fritz Sack
"grotesk", dass nicht ein Fall der nahezu 1.000 Anzeigen in dem Zeitraum
"die Schwelle der polizeilichen Ermittlungen überschritten hat".
Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Hamburg, Wolfgang Ehlers, findet diese
Entwicklung indes nicht auffällig. "Häufig ist es so, dass der Täter nicht
ermittelt werden kann", erläutert Ehlers. "Selbst wenn herausgefunden
werden kann, welche Polizeieinheit tätig war." Oder es stelle sich heraus,
dass der vermeintlichen Körperverletzung eine Widerstandshandlung
vorausgegangen sei. Ehlers weist den Vorwurf parteiischer Ermittlungen
zugunsten der Polizisten zurück - zuletzt ist er in dieser Woche von
Amnesty International und dem Grundrechte-Komitee aufgestellt worden.
Ehlers betont, dass im Zusammenhang mit dem Klima- und Antira-Camp die
Staatsanwaltschaft von Amts wegen zwei Verfahren eingeleitet habe.
Der RAV-Vorständler Lemke macht auch "strukturelle Defizite",
verantwortlich dafür, dass Polizisten ungeschoren davon kommen: "Es müssen
Polizisten als Kollegenschweine gegen Polizisten ermitteln." Er würde es
begrüßen, "wenn die Polizei mehr extern kontrolliert wird".
Auch der Ex-Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) ist für externe Aufsicht.
"Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass es richtig ist, die Polizei auf
diese Weise zu kontrollieren", sagt Wrocklage. Er geht sogar noch weiter:
Wrocklage, der im Vorstand der Humanistischen Union und Mitglied in der
Fachkommission Polizei bei Amnesty International ist, fordert einen
"Polizeibeauftragten", eine "hauptamtliche Person mit einem hochgradig
qualifizierten hauptamtlichen Unterbau".
17 Sep 2008
## AUTOREN
Kai von Appen
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