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# taz.de -- USA benennen Genozid an Armeniern: Türkei zieht Botschafter ab
> Nachdem der auswärtige Ausschuss des US-Kongresses das Massaker an den
> Armeniern als Genozid bezeichnet hat, zieht Ankara den Botschafter aus
> Washington ab.
Bild: 1915: Eine Frau und ein Kind trauern über der Leiche eines kleinen Junge…
Mit großem Aplomb hat gestern die türkische Regierung auf eine
Entschließung des US-Kongresses reagiert, mit der Präsident Obama
aufgefordert wird, zukünftig die Massaker an den Armeniern im Osmanischen
Reich als Völkermord zu verurteilen. Der türkische Botschafter Namik Tan
wurde umgehend nach Ankara zurückgerufen und Parlamentspräsident Mehmed Ali
Sahin forderte die Kollegen in Washington auf, ihre "ungerechtfertigten
Vorwürfe gegen das türkische Volk" zurückzunehmen. Auch Außenminister Ahmet
Davutoglu zeigte sich enttäuscht, dass die US-Regierung nicht energisch
genug versucht hätte, das Votum zu verhindern.
Dabei ist bislang eigentlich nicht viel passiert. Wie bereits 2007 einmal,
hat lediglich der außenpolitische Ausschuss des Repräsentantenhauses die
Resolution äußerst knapp mit 23 zu 22 Stimmen angenommen und noch ist
unklar, ob sie im Plenum überhaupt abgestimmt wird. Selbst wenn der
Kongress zustimmt, ist noch offen, was Obama dann daraus macht. Trotzdem
läuft das gesamte politische Establishment in Ankara bereits vorbeugend zu
großer Empörung auf, weil man unbedingt verhindern will, nach dem
EU-Parlament nun auch von den Verbündeten in Washington an den Pranger
gestellt zu werden. Der Ausweg aus der Misere wäre eine erfolgreiche
Annäherung zwischen Armenien und der Türkei, wie sie nun seit eineinhalb
Jahren versucht wird. Obama hat diesen Annäherungsprozess unterstützt und
deshalb schon im letzten Jahr mit dem Argument, man sollte den politischen
Prozess nicht stören, darauf verzichtet, von Genozid oder Völkermord zu
sprechen.
Der bereits formulierte und sowohl vom armenischen wie auch vom türkischen
Außenminister unterzeichnete Vertrag zur Aussöhnung zwischen beiden Ländern
liegt aber nun schon seit Monaten auf Eis, ohne dass eines der beiden
Parlamente den Vertrag ratifizieren würde. Das liegt zum einen an der
nationalistischen Opposition in Armenien. Ein Punkt des Vertrages sieht
vor, dass beide Länder eine auch mit internationalen Historikern besetzte
Kommission einrichten, die gemeinsam alle verfügbaren Dokumente über die
Vertreibung und Ermordung hunderttausender Armenier sichten soll, um dann
zu einer gemeinsamen Wertung zu kommen. Die Opposition in Armenien und die
organisierte Diaspora in den USA sind strikt gegen eine solche Kommission.
Der zweite Grund ist, dass Aserbaidschan, der mit Armenien verfeindete
bisherige Verbündete der Türkei im Kaukasus, damit droht, die Öl- und
Gaslieferungen in die Türkei einzustellen, wenn Ankara die Grenze zu
Armenien öffnet, bevor Armenien sich aus den Gebieten in Aserbaidschan, die
sie seit den Kämpfen um Berg-Karabach besetzt halten, zurückgezogen hat.
Neben dem Theaterdonner für das heimische Publikum liegt hier der
eigentliche Grund für den türkischen Protest. Die Regierung in Ankara
befürchtet, dass dieses äußerst schwierige Knäuel miteinander verwobener
Probleme noch schwerer aufzulösen ist, wenn der US-Kongress sich nun in
eindeutiger Weise auf die Seite der armenischen Lobby schlägt und damit
indirekt auch eine Ratifizierung des Vertrages in Armenien erschwert.
5 Mar 2010
## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
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