# taz.de -- Traditionelles Bäckerhandwerk: Nachts wach | |
> Christian Regner legte in Clubs auf und reiste um die Welt. Dann holte | |
> ihn seine Mutter zurück in die Provinz. Er sollte die Bäckerei der | |
> Familie retten. | |
Bild: Kneten, drehen, aufs Blech: Traditionelle Bäcker können der Preispoliti… | |
NEUSTADT AN DER DONAU taz | Eine Woche im August, draußen sind es 25 Grad, | |
aber hier, hier sind es 40. Der Geruch von Sauerteig um 2.30 Uhr, die Luft | |
klebt auf der Haut, und Christian Regner klebt das Mehl an der Stirn. Seit | |
einer halben Stunde ist er wach, aufgestanden mitten in der Nacht, Bad | |
Gögging, hundert Kilometer nördlich von München, ein Rathaus, ein | |
Golfplatz, die Stadtpfarrkirche. Jetzt rollt er, einen Teig in jeder Hand, | |
1,5 Kilo links, 1,5 Kilo rechts, die noch unförmigen Teile aneinander, bis | |
sie rund werden. | |
„Wie acht Stunden Sport“, sagt er. Christian Regner, 33, schmal, agil, ist | |
das, was er immer sein wollte: Bäcker. Als Kind tunkte er seinen „Eiweck“, | |
ein Milchbrötchen, noch warm aus der Backstube seines Vaters, Bäckerei | |
Regner, Familienunternehmen seit 1925, in warmen Kakao. Später hat er in | |
München und Köln gearbeitet, in Berlin, in Johannesburg, in London, er war | |
in Küchen des Ritz Carlton und des Dorchester Hotel angestellt und gerade | |
bei einer Cateringagentur in Wien, die ihn nach Schanghai oder Malaysia | |
schickte, als ihn seine Mutter anrief und fragte: „Kommst du heim?“ | |
Da wusste er längst, dass der Betrieb seiner Eltern nicht lief. Er wusste | |
nur nicht, wie schlecht er lief. Christian Regner verstand das erst, | |
nachdem er seine Koffer gepackt hatte und nach Hause gekommen war, das | |
erste Mal seit Langem in der Bäckerei stand, Meister und Gesellen sah, | |
denen die Arbeitsmoral verloren gegangen war, die stritten und drei Jahre | |
in Folge Lehrlinge einstellten, von denen keiner seine Ausbildung | |
abschloss. | |
4.30 Uhr, Regner sucht sich ein paar Plastikkisten zusammen, vorbei an | |
Trögen, auf deren Etiketten „Sonnenblumen“, „Milchpulver“ oder „Mand… | |
gehobelt“ steht, Blech um Blech schüttet er erste fertige Mohnbrötchen in | |
die Boxen und trägt sie raus zum Lieferwagen. Gleich muss er sie an Hotels | |
liefern, sie brauchen seine Brötchen für Fünf-Sterne-Buffets, eines will | |
seine schon um viertel nach fünf. | |
Christian Regner sagt: „Oft denk ich jetzt schon: Hätt' ich halt was | |
anderes gemacht.“ Obwohl er seinen Job liebt. Zwei Anläufe habe er | |
gebraucht, um zurück zu kommen in die bayerische Provinz, um das Landleben | |
auszuhalten und Bad Gögging, um die Bäckerei zu übernehmen, die Nachfolge | |
zu klären, von der man im Dorf erzählte, sie sei längst geklärt. | |
Dann hätten sie es mit einer weiteren Filiale in Ingolstadt versucht, 2006. | |
„Zwei Wochen, nachdem wir eröffnet hatten“, sagt Regner, „eröffnete sch… | |
gegenüber Backwerk. Mit Dumpingpreisen und schlechter Qualität. Wir haben | |
die Filiale abgegeben, weil sie nicht gelaufen ist, 2008.“ | |
Regner weiß: Seit es Billigbrötchen an Tankstellen, in Supermärkten oder | |
Selbstbedienungsläden wie Backwerk gibt, ist seine Arbeitsplatz nicht mehr | |
sicher. Jeden Tag wird eine klassische Bäckerei geschlossen, von den 55.000 | |
aus den fünfziger Jahren sind 14.000 übrig geblieben. | |
Warum er sich das trotzdem antut, Bäcker sein? „Du schaffst ein Produkt aus | |
ein paar Zutaten“, sagt er. „Das ist, wie wenn ein Tischler aus einem | |
Holzklotz einen Stuhl macht.“ Dann läuft er zurück, jetzt nicht trödeln, in | |
die Küche des Konditors, wo in Containern Himbeergeist und Kirschwasser | |
lagern, den Zwetschgenplunder zu den Behältern packen, ins Auto, | |
Zündschlüssel, Gaspedal. 5 Uhr. | |
Wie sich der Wettbewerb um die günstigsten Backwaren auf sein Handwerk | |
auswirkt, Christian Regner den Rest seines Arbeitstages verbringt, weshalb | |
er versucht, den Familienbetrieb zu retten und sich dabei oft fragt, ob er | |
überhaupt zu retten ist, lesen Sie in der Ganzen Geschichte „Der | |
Frühaufsteher“ in der sonntaz vom 13./14. Oktober 2012. Am Kiosk, eKiosk | |
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12 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Annabelle Seubert | |
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