| # taz.de -- Tapfere Studenten: Sieg im Protestieren | |
| > Niemand protestiert während der Pekinger Spiele so viel wie die | |
| > Aktivistengruppe "Students for a free Tibet". | |
| Bild: Protest in luftiger Höhe. | |
| Wäre Protest olympische Disziplin, ginge die Goldmedaille in Peking an die | |
| "Students for a free Tibet". In den letzten zwei Wochen hat die | |
| internationale Aktivistenorganisation mit Sitz in New York acht Mal in | |
| Peking protestiert. Die Aktionen reichten von einem in luftiger Höhe | |
| aufgehängtem Transparent, einem "Die-in" auf dem Tiananmen-Platz über das | |
| Zeigen tibetischer Flaggen, das Anketten von Aktivisten bis zum Zeigen | |
| eines Free-Tibet-Transparents mit Leuchtdiodenschrift. Ein Protest mit | |
| Laserprojektionen wurde vereitelt. Und am Donnerstag gab es als weitere | |
| Aktion noch eine zehnminütige "Abschlusspressekonferenz" zweier | |
| Aktivistinnen im Diplomatenviertel. | |
| Insgesamt wurden von der Organisation 49 Aktivisten aus sechs Nationen | |
| festgenommen. Da sie alle ausländische Pässe hatten, wurden die meisten | |
| Protestierenden nach wenigen Stunden abgeschoben. Jetzt erhöhten die | |
| Behörden aber die Abschreckung. So sollen die letzten sechs Aktivisten, | |
| darunter ein deutsch-tibetischer Student aus Stuttgart, erst nach | |
| zehntägiger Administrativhaft abgeschoben werden. | |
| Das Risiko ist für ausländische Demonstranten im Unterschied zu | |
| chinesischen oder tibetischen begrenzt. Die Proteste der "Students for a | |
| free Tibet" waren symbolisch, klein und nur von kurzer Dauer. Zudem fanden | |
| sie oft zu so später oder früher Stunde statt, dass sie außer den jedes Mal | |
| reagierenden Sicherheitskräften kaum jemand bemerkte, hätten die Aktivisten | |
| nicht selbst informiert. Oft blieben sie die einzige Quelle. Chinas | |
| Behörden bestätigten nur die Abschiebung. | |
| Doch angesichts der strengen Überwachung, die nach den ersten Aktionen noch | |
| zunahm, sind schon Nadelstiche ein Erfolg. Die "Students for a free Tibet" | |
| sind von der Wirksamkeit ihrer Aktionen überzeugt. "Chinas Regierung ist | |
| erschrocken über diese friedlichen Aktionen, weil sie die wahren Gefühle | |
| der Tibeter innerhalb Tibets repräsentieren", sagt Tenzin Dorjee. Der | |
| 28-jährige Exil-Tibeter ist stellvertretender Direktor der Organisation. | |
| "Unsere Proteste erinnern die Welt an die tragische Realität der | |
| illegitimen Besatzung Tibets durch die chinesische Regierung und dass | |
| Chinas Führung dringend eine Lösung für die tibetische Bevölkerung | |
| braucht." | |
| "Students for a free Tibet" gibt es seit 1994. Heute hat die Organisation | |
| nach eigenen Angaben 700 Lokalgruppen in 31 Ländern, darunter in | |
| Deutschland 10. Büros gibt es in New York, Toronto, London und dem | |
| indischen Dharamsala, dem Exil des Dalai Lama und Sitz der tibetischen | |
| Exilregierung. | |
| Als 2001 die Vergabe der Spiele 2008 anstand, hatte die Organisation | |
| vergeblich gegen Peking als Austragungsort gekämpft. "Vor sieben Jahren | |
| haben wir realisiert, dass die Vergabe an China auch eine unglaubliche | |
| Gelegenheit ist, um den Fokus auf die schreckliche Behandlung Tibets zu | |
| richten", sagt die kanadische Exil-Tibeterin Lhadong Tethong, die | |
| Exekutivdirektorin der Organisation. Sie kündigte bereits im März an, dass | |
| ihre Organisation während der Spiele täglich in Peking protestieren wolle. | |
| Die Studentenorganisation unterscheidet sich von anderen Gruppen durch | |
| ihren aktionsorientierten Ansatz, der weniger auf Aufklärung durch | |
| traditionelle Methoden setzt als vielmehr auf medienwirksame Methoden des | |
| zivilen Ungehorsams und der direkten Aktion. Ein Prinzip der Organisation | |
| ist Gewaltfreiheit, doch soll Protest auch Spaß machen. So heißt es auf der | |
| deutschen Webseite: "Wir glauben, dass es total wichtig ist, Spaß zu haben | |
| - Spaß zu haben, während wir auf unsere Vision einer gerechten und fairen | |
| Welt hinarbeiten." Zudem wird auf neue Medien gesetzt. So kämpft die | |
| Organisation auch bei Facebook für ihre Ziele und bietet ein Free-Tibet-TV | |
| im Internet an. | |
| Im Unterschied zum Dalai Lama, der für die kulturelle Autonomie Tibets | |
| kämpft, ist das Ziel der Studenten explizit Tibets Unabhängigkeit. "Sie | |
| spiegeln damit einen Teil innerhalb des Tibetspektrums wider", sagt Kai | |
| Müller, Geschäftsführer des deutschen Büros der "International Campaign for | |
| Tibet" in Berlin. "Wir selbst weisen als Organisation, welche die Position | |
| des Dalai Lama vertritt, auf dessen Gesprächsbereitschaft und Unterstützung | |
| der Spiele hin", sagt er. Deshalb habe seine Organisation jetzt keine | |
| Aktionen gemacht. Die Aktionen der "Students for a free Tibet" seien aber | |
| legitimer Ausdruck der Tibet-Bewegung. Noch nicht zu beurteilen ist seiner | |
| Meinung nach, wie sich die Proteste auf die Gesprächsbereitschaft von | |
| Chinas Regierung auswirkten. | |
| David Demes, Deutschland-Koordinator der "Students for a free Tibet" und | |
| selbst Teilnehmer der Aktion auf dem Tiananmen-Platz, ist hingegen von der | |
| Wirksamkeit der Aktionen überzeugt. "Die chinesische Regierung soll merken, | |
| dass der Dalai Lama nicht allein ist." Laut Demes hat stille Diplomatie in | |
| der Vergangenheit zu keinerlei Verbesserungen geführt. "Jetzt ist Zeit zu | |
| handeln." | |
| 22 Aug 2008 | |
| ## AUTOREN | |
| Sven Hansen | |
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