# taz.de -- TV-Restauranttester Rach über Berufsstand: "Ein Chefkoch stirbt fr… | |
> Christian Rach hat Restaurants und testet welche. Er kocht und schreibt | |
> darüber. Und er weiß, wie die Liebe in die Bulette kommt. | |
Bild: Weiß, warum im Osten Deutschlands Convenience-Food so populär ist: Rest… | |
taz: Herr Rach, in Ihrem "Gästebuch" schreiben Sie, das Wichtigste an einem | |
gelungenen Essen sei, dass es mit "Liebe" zubereitet wird. Wie kommt denn | |
die Liebe in die Bulette? | |
Christian Rach: Die Liebe kommt in die Bulette, weil Sie "mit dem Finger" | |
noch mal nachschmecken und weil ein Rezept nicht an jedem Tag gleich | |
funktioniert. Mal ist das Fleisch anders, mal das Brötchen - oder die | |
Zwiebel ist unterschiedlich scharf. | |
Eine gekaufte Bulette tuts nicht? | |
Da wäre ich vorsichtig. Es gibt große Unterschiede bei Convenience Food, | |
was ja übersetzt nichts anderes als "der Bequemlichkeit dienend" heißt. | |
Wenn Sie richtig gute fertige Nudeln kaufen, ist das schon mal gar kein | |
Problem. Aber es gibt auch Convenience, das falsche Tatsachen vorgaukelt. | |
Zum Beispiel? | |
Wenn irgendwo "Hausgemachte Rouladen" auf einem Produkt steht, dann darf | |
der Wirt die so verkaufen. Er hat sie aber gar nicht hausgemacht, sondern | |
jemand anderes hat sie "in einem Haus" gemacht. Da ist eine rechtliche | |
Grauzone, sehr schwammig und unsympathisch, nach dem Motto "Ich schneid mal | |
ne Tüte auf". | |
Wer in Mecklenburg-Vorpommern Urlaub macht, isst am besten nur | |
Bauernfrühstück - das ist, anders als das meiste, wenigstens selbst | |
zubereitet. Was läuft falsch im Osten? | |
Ich sage lieber mal, was richtig läuft. Da hat die Industrie einen richtig | |
guten Job gemacht. Sie hat den Leuten "vorgegaukelt": das, was ihr selber | |
produziert, können wir besser. Leider sind viele darauf reingefallen. Weil | |
sie nicht realisieren, dass diejenigen, die zu ihnen kommen, nicht in | |
erster Linie kommen, weil sie Hunger haben. Sondern weil sie etwas anderes | |
haben wollen als das, was sie zu Hause haben. Wenn man in Ostdeutschland | |
auf dem Land unterwegs ist, ist der Servicegedanke noch nicht so | |
ausgeprägt. | |
… das haben Sie nett gesagt. | |
Ja. Da ist doch noch das eine oder andere nachzuholen. Aber das Ganze geht | |
nur mit Qualität. Es reicht zu wissen, wie kann ich ein Kotelett gut | |
machen, ein Schnitzel. | |
Das findet man dort immer seltener. | |
Kein Wunder, versuchen Sie mal, dort ein Schild aufstellen zu lassen - Sie | |
werden mit Vorschriften und Auflagen konfrontiert, die Ihnen das unmöglich | |
machen. Simpelste Vorgänge werden blockiert, so schafft man nicht die | |
Voraussetzungen, um eine wie auch immer geartete Existenz zu schaffen. | |
Ist das nur im Osten so? Durch Ihre Sendung "Rach, der Restauranttester" | |
kommen Sie doch überall herum. | |
Nein, das gibt es natürlich auch in Westdeutschland. Nur hier haben wir auf | |
dem Land noch eine andere Struktur. Die Städte im Osten müssen den | |
Vergleich wirklich nicht scheuen. Wenn Sie nach Dresden gehen oder nach | |
Erfurt, da wird Hervorragendes geleistet. Aber auf dem Land gibt es | |
Nachholebedarf. Da müsste die Politik viel mehr in die Ausbildung stecken, | |
damit die jungen Leute vor Ort bleiben. | |
Sie selbst haben keine klassische Kochausbildung. | |
Also da muss man aufpassen, diese Dinge sind immer so wertend. Da steht | |
dann, ich sei Autodidakt. Das ist ja nicht richtig. Autodidakt heißt | |
Selbstlerner. Erstens ist jeder, der was lernt, Autodidakt, manuell und | |
auch geistig. Der Unterschied ist, dass ich, nachdem ich sechs Jahre | |
Mathematik und Philosophie studiert habe, für mich entschieden habe, nicht | |
noch mal in die Berufsschule zu gehen. Ich habe eine Ausbildung gemacht - | |
ich bin nur nicht in eine Berufsschule gegangen. Was sollte ich da lernen? | |
Ich hatte ja gesehen, was Lehrlinge beigebracht kriegen. | |
Was können denn ausgebildeten Köche nicht? | |
Ich will die Berufsschulen nicht in Abrede stellen, das ist schon eine | |
sinnvolle Institution. Aber der Schwerpunkt dort liegt leider auf dem Wort | |
Schule, nicht auf dem Wort Berufsausbildung. Zum Beispiel sind Koch- und | |
Kellnerlehrlinge um Weihnachten nicht in ihren Betrieben. In Hamburg gibt | |
es ja Blockunterricht, da wird die Theorie direkt vor Weihnachten gelegt, | |
dann sind Schulferien, das heißt, so ein Kochlehrling ist nicht da, wenn es | |
im Lokal richtig zur Sache geht. | |
Es heißt, Köche sterben jung. Ein Mythos? | |
Kein Mythos. Köche sind laut den Berufsgenossenschaften in der Risikogruppe | |
Numero 1. Nicht wegen der Messer oder wegen des Feuers, sondern wegen | |
Stress in Verbindung mit Alkohol, das Risiko eines Herzinfarktes ist sehr | |
groß. Es gibt eine Statistik, nach der ein Chefkoch eine Lebenserwartung | |
von 56 Jahren hat. | |
Wie alt sind Sie jetzt? | |
Ich bin noch nicht 56. Ich tue aber nichts weiter. Das Wissen um das | |
Risiko, da gibt es nach wie vor kein Bewusstsein, dass ein Gastronom, ein | |
Chefkoch, 70 bis 80 Stunden in der Woche arbeitet. Und trotzdem gibt es den | |
Druck, dass wir permanent und zu jeder Zeit im Restaurant sein, sichtbar | |
sein müssen. Und wenn nicht, gibt es gleich schlechte Presse. | |
Apropos … Schmuddelrestaurants werden in Berlin ins Internet gestellt. Wie | |
finden Sie das? | |
Ganz schlimm, ganz schrecklich. Man greift da plakativ Leute heraus. Das | |
ist absolut tödlich, der Gastronom kann zumachen. | |
Aber können Sie nicht verstehen, dass Gäste da Klarheit wünschen? | |
Wo machen Sie das denn mit einer Autowerkstatt? Wo mit einer Arztpraxis? | |
Ich meine, wenn ich die Läden sehe, die ich in meiner Sendung besuche, | |
frage ich mich, wie kann das sein, dass da keiner kontrolliert? Es werden | |
überall Stellen abgebaut im Verbraucherschutz. | |
Woran erkenne ich denn ein sauberes Restaurant? | |
Daran, dass es sauber ist. Nein, das können Sie nicht erkennen. Na ja, wenn | |
die Toilette dreckig ist, ist das ein Indiz dafür, dass es auch in der | |
Küche nicht weit her ist. | |
Was ist denn Ihrer Meinung nach der nutzloseste Küchenrumsteher? | |
In der Profiküche gibt es im Prinzip kaum nutzlose Dinge. Die sind oft zu | |
Hause nutzlos, da sage ich immer nice to have, but not necessary. Für zu | |
Hause wird einem ja alles Mögliche angedreht, Hauptsache, es sieht hübsch | |
aus. Da gibt es Pflaumenentkerner oder diese riesigen Pfeffermühlen, das | |
ist reiner Distinktionsgewinn - völliger Quatsch. | |
Was gibt es heute im Tafelhaus zum Mittag? | |
Es gibt eine wunderbare Thunfischvariation als Vorspeise, dann haben wir | |
eine Pilzessenz mit Pfifferlingscrostini, es gibt einen Kabeljau mit | |
Zitrusmarinade und kleinem Zwiebelkuchen und dann als Hauptgang … | |
… ah, das waren jetzt die Vorspeisen? | |
Der Gast ist König. Dann haben wir einen vakuumgegarten Tafelspitz mit | |
Kaffeearoma und Feigensalat. Das Dessert ist eine Variation von Renekloden. | |
Aber der König bleibt zu Hause - die Umsätze im Gastrogewerbe sind | |
rückläufig. Spüren Sie davon etwas? | |
Diese Wirtschaftskrise geht an keinem Bereich vorbei, auch am Tourismus | |
nicht, wenn man das mal unter diesem Begriff subsummiert. Ich glaube aber, | |
dass Läden, die Identität und Qualität haben, weniger zu leiden haben. Der | |
Gast, der heute trotz Krise kommt, will eine entsprechende Gegenleistung | |
für sein Geld. | |
Koch ist ein harter Job, oder? | |
Ein sehr harter Job. Sozialisation ist kaum möglich. | |
Wie meinen Sie das? | |
Na ja, wenn wir beide uns verabreden wollten, ich könnte Ihnen gar keinen | |
Termin anbieten, der vor Mitternacht liegt. Das ist ja dann wohl eher | |
ungünstig. | |
28 Sep 2009 | |
## AUTOREN | |
Anja Maier | |
Anja Maier | |
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Provinz | |
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