# taz.de -- THEATER : Reine Willkür lebenslang | |
> Wie hängen der Glaube und das Schicksal zusammen? Diese Frage verhandelt | |
> Joseph Roths Roman "Hiob", dessen Theaterfassung derzeit am Hamburger | |
> Schauspielhaus zu sehen ist. | |
Bild: Vom Schicksal geprügelt: Mendel Singer und Familie. | |
HAMBURG taz | Wenig schmeichelhaft, was der Dorfschullehrer Mendel Singer | |
über seine Frau zu sagen hat. "Sie ist zu einer Krankheit geworden", sagt | |
er, eine Krankheit, "an der man zugrunde geht". Mendel Singers Problem ist, | |
dass die Gewohnheit die Liebe verdrängt hat. Und daneben hat er noch ein | |
paar andere Probleme: Er hat vier Kinder, von denen eines behindert ist und | |
die anderen drei nicht so wollen, wie er will. | |
Einer geht zum Militär, einer nach Amerika und die Tochter vergnügt sich | |
mit den Kosaken. "Ein Fluch ruht auf diesem Haus", sagt Mendel Singer | |
inmitten von losen Brettern, die um ihn herum auf dem Boden liegen. Bereits | |
zu Beginn der Geschichte ist Mendel Singers Welt zerfallen. | |
Mendel Singer ist die Hauptfigur in Joseph Roths Roman "Hiob", dessen | |
Theaterfassung derzeit am Hamburger Schauspielhaus zu sehen ist. Der | |
Bühnenboden ist nach oben gewölbt, als würde sich unter der Bühne eine | |
große Kugel befinden. Gemeint ist eine Weltkugel, auf deren Kappe sich das | |
Drama entwickelt. Schließlich handelt es sich um eine Geschichte mit | |
universaler Relevanz. | |
Es geht um die Frage, wie das Schicksal und der Glaube zusammenhängen. | |
Mendel Singer ist gläubiger Jude und erlebt immer mehr Schicksalsschläge, | |
die seinen Glauben ins Wanken bringen: Er folgt dem gesunden Sohn nach | |
Amerika und muss dafür den behinderten Sohn im galizischen Heimatdorf | |
zurück lassen. | |
In Europa bricht schließlich der 1. Weltkrieg aus und fordert letztlich die | |
Leben der beiden gesunden Söhne. Die Ehefrau stirbt vor Gram. Die Tochter | |
wird verrückt. Und dann reicht es Mendel Singer. Er wendet sich von Gott | |
ab: "Er straft nur die Schwachen gerne. Er ist ein großer grausamer | |
Polizist." | |
Das Schicksal bringt nun eine weitere, diesmal positive Wendung, aber | |
seinen Glauben gewinnt Mendel Singer nicht zurück. Das Schicksal verfährt | |
willkürlich, durch einen Glauben ist es weder zu erklären noch zu | |
beeinflussen. Mendel Singer hat das auf eine eindrückliche Art und Weise | |
erfahren. | |
Regisseur Klaus Schumacher arbeitet mit reduzierten, genau dosierten | |
Mitteln: Das Bühnenbild bleibt schlicht, zugleich lässt Schumacher den | |
Schauspielern viel Raum, ihre Figuren samt deren Schicksal auszuspielen. Es | |
ist eine ernsthafte, ironiefreie Inszenierung, die auf Zugänglichkeit setzt | |
und auch jene Zuschauer mitnimmt, die den adaptierten Roman nicht kennen. | |
Schumachers Inszenierung lebt von großer Klarheit und einer gewissen Demut | |
vor dem Text. Ihr Ziel ist die Vermittlung - was im Falle eines so guten | |
Romans wie "Hiob" nicht das schlechteste ist. | |
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23 Nov 2011 | |
## AUTOREN | |
Klaus Irler | |
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