# taz.de -- Stirb Langsam: Notfall ist immer | |
> Es ist einfach schön, dem verwundbaren Quadratschädel von Bruce Willis | |
> wieder ins Gesicht zu sehen - im Action-Sequel "Stirb langsam 4.0". | |
Bild: Der mit der modernen Welt nicht wirklich zurechtkommt: John McClane/Bruce | |
Der Regisseur Len Wiseman begann seine Laufbahn in den | |
Ausstattungsabteilungen von Blockbustern wie "Independence Day" und "Men in | |
Black", dann drehte er Werbespots und Musikvideos, unter anderem für | |
Megadeath und Rufus Wainwright. Das Handwerk von der Pieke auf gelernt, | |
heißt so etwas wohl. Bevor er "Stirb langsam 4.0" inszenierte, zeichnete er | |
nur für zwei Kinofilme verantwortlich, "Underworld" (2003) und "Underworld: | |
Evolution" (2006). Interessant an dieser Laufbahn ist vor allem ein Detail: | |
Als der erste der "Die Hard"-Filme herauskam, vor bald 20 Jahren also, | |
fabrizierte Wiseman mit anderen High-School-Schülern einen kleinen | |
Videofilm, der von der Figur des John McClane inspiriert war. Wiseman sagt | |
dazu heute: "Ich war vor allem von McClanes Verwundbarkeit angezogen. Er | |
ist ein Kerl, der in eine unerwartete Situation geworfen wird, und er ist | |
nicht sehr glücklich darüber. Jeder kann das verstehen." | |
Was jeder im vierten Teil der Reihe sehen kann, ist, dass der Film mit | |
Zuschauern rechnet, für die "Die Hard" in den inneren Bereich ihrer | |
Kinosozialisation gehört. Beinahe idealtypisch lassen sich hier | |
Sequel-Strategien studieren. Was die Action betrifft, so folgt "Stirb | |
langsam 4.0" der Strategie der liebevollen Überbietung. Alles, was die | |
ersten Filme auszeichnet, ist immer noch da; nur haben sie diesmal immer | |
noch einen draufgesetzt. Zum Beispiel wird wie im ersten Teil wieder ein | |
Hubschrauber vom Himmel geholt, nur diesmal mit einem Auto, das John | |
McClane über eine Sprungschanze ins Ziel knallen lässt - wieder benutzt er | |
im Notfall alles, was greifbar ist, als Waffe, und Notfall ist eigentlich | |
immer. | |
Eine weitere Sequel-Strategie ist: einen angelegten Nucleus voll entfalten. | |
Das geschieht nun mit dem Thema der Differenz zwischen analog und digital. | |
Im ersten Teil gab es einen zentralen Überwachungscomputer, den die Bösen | |
für sich benutzen konnten, als sie das Hochhaus stürmten, während Bruce | |
Willis als John McClane alles tun durfte, was auch im digitalen Zeitalter | |
nur analoge Einheiten wie menschliche Körper fertigbringen: selbstironisch | |
sein, bluten, seinen Gefühlen folgen. Diese Differenz ist nun | |
handlungsbestimmend, woher sich auch das 4.0 im Titel erklärt. | |
Der Böse ist also wieder so ein smartes, gut gekleidetes Superhirn, das | |
seine untergründige Hysterie mit einem Lächeln zügelt, aber diesmal möchte | |
er die Computertechnik nutzen, um die ganze USA ins Chaos zu stürzen: Mit | |
Hilfe zentral gesteuerten Verkehrsleitsysteme lenkt er Fahrzeugströme | |
gegeneinander; mit einigen Klicks schaltet er Knotenpunkte der | |
Stromversorgung ab. Und der einfache New Yorker Cop John McClane, der immer | |
noch nicht einmal mit einem Handy richtig umzugehen versteht, schlägt mit | |
nicht digitalisierbaren Mitteln zurück: seinen Instinkten und seinen | |
Fäusten. Was im ersten Teil noch aufgrund seiner neuen Schauwerte | |
vorgeführt wurde, der Überwachungscomputer, ist nun zum | |
selbstverständlichen und damit auch gegen seine Entwickler einsetzbaren | |
Teil der Realität geworden - und John McClane, das Körperwesen aus Fleisch | |
und Blut, kann innerhalb dieser digitalisierbaren Realität zum Dissidenten | |
werden. Digital ist besser, wusste einst die deutsche Band Tocotronic. | |
Analog schlägt besser zurück, sagt dieser Film. | |
Bei allem tricktechnischen Aufwand, der getrieben wird, bei all den | |
Dutzenden Autos, die bei den Dreharbeiten verschrottet werden, und den | |
Unmengen von Platzpatronen, die verballert werden (was einem als Zuschauer | |
allein in der ersten Actionszene um die Ohren fliegt, ist schon enorm), | |
bleibt McClane immer der Mittelpunkt des Geschehens. | |
Das ist die dritte Strategie eines interessanten Sequels: Gib einer Figur, | |
die dir viel gegeben hat, noch mehr zurück und erweise ihr damit Reverenz. | |
Das tun sowohl Len Wiseman als Regisseur wie auch Bruce Willis als | |
Darsteller. An vielen liebevollen Details spürt man, wie sie diesen | |
sturköpfigen Polizisten, der mit der modernen Welt nicht wirklich | |
zurechtkommt und immer in unübersichtliche Situationen gerät, mögen. Am | |
Schluss darf er seinen Masochismus voll auskosten und den Bösen besiegen, | |
indem er sich selbst durch die Schulter schießt - das würde ein Computer | |
nie hinkriegen! | |
Das alles kann einem während des Guckens viel Freude bereiten. Dass man | |
aber schon beim Verlassen des Kinos das Gefühl hat, diesen Film bald wieder | |
zu vergessen, liegt daran, dass rund um die liebevollen Sequel-Strategien | |
viel Kalkül angelagert wurde. So wird McClane, um die Hackergemeinde als | |
Zielgruppe einzubeziehen, ein grundsympathischer Computernerd (Justin Long) | |
zur Seite gestellt. Und der Plan des Bösen (Timothy Olyphant, der in der | |
HBO-Serie "Deadwood" als Sheriff brilliert) folgt im Wesentlichen der | |
überschaubaren Verschwörungstheorie, dass scheinbar noch so perfekte | |
Überwachungssysteme immer aus sich selbst heraus Gefährdungen erzeugen. Das | |
Hauptproblem des Films besteht darin, dass man die ganze Zeit über weiß, | |
dass das Smart-Ass, das John McClane in die Knie zwingen kann, erst noch | |
geboren werden muss. | |
Aber, ach, es ist einfach auch ganz schön, diesem verwundbaren | |
Quadratschädel von Cop wieder einmal ins Gesicht sehen zu können. | |
"Stirb langsam 4.0". Regie: Len Wisemen. Mit Bruce Willis, Justin Long u. | |
a. USA 2007, 129 Min. | |
27 Jun 2007 | |
## AUTOREN | |
Dirk Knipphals | |
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