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# taz.de -- Steve Reich auf Testosteron
> Materialschlacht im Blaumann, Tanz mit Klängen und Verschwindenlernen:
> Zum Abschluss ihrer Residenzen am Tanz-Zentrum K3 zeigen drei
> Choreografen ihre Inszenierungen
Bild: Steve Reichs „Clapping Music“ als Handwerker-Wettstreit: Philipp van …
Von Katrin Ullmann
Zeit zu haben und ohne Druck arbeiten zu können, das ist das größte
Geschenk bei dieser Residenz. Da sind sich die beiden Choreografen Loïc
Perela und Tian Rotteveel einig. Seit August 2017 haben sie und auch Pavlos
Kountouriotos eine Residenz am Zentrum für Choreografie K3 inne. Und haben
insgesamt acht Monate lang – neben eigenen Probenräumen, dramaturgischem
und technischem Support, Öffentlichkeitsarbeit, Vernetzung, einem
angemessenem Produktionsbudget sowie einer monatlichen Zuwendung von 1.250
Euro – vor allem eines: Zeit. Zeit für Recherchen, Zeit für neue Gedanken
und auch dafür, diese wieder verwerfen zu dürfen.
Sie haben Zeit, dem „eigentlich sehr intimen, kreativen Prozess einfach
seinen Lauf zu lassen“, sagt Perela und ergänzt: „Ich konnte in Ruhe mein
Konzept überprüfen und musste es nicht sofort in den Probenprozess mit den
Tänzern überführen.“ Der gebürtige Niederländer Rottelveel stimmt zu: �…
ging vorrangig eben nicht darum, welches Ergebnis bei meinen Recherchen
herauskommt. Ich konnte mich auch mal ineffizient verhalten, und etwa der
Frage nachspüren, was Arbeit eigentlich für mich bedeutet.“
Nach Workshops, Vorträgen, Networking und Austausch mit Hamburger Tänzern
und Theaterschaffenden sowie ersten öffentlichen Arbeitseinblicken steht am
Ende dann doch ein Ergebnis auf dem Plan, oder besser gesagt: ein
Zwischenergebnis. „Diese Abschlussarbeit steht nicht im Fokus der
Residenz“, betont der K3-Dramaturg Matthias Quabbe, sondern sei nur „eine
von vielen Bestandteilen“.
Dass diese Choreografien, die während der Residenzen entstehen, ganz
unterschiedlicher Natur sind, aus ganz unterschiedlichen
Ausbildungskontexten entwickelt werden, ist beabsichtigt. Denn bei dem
dreistufigen Auswahlverfahren – aus jährlich etwa 200 international
eingereichten Bewerbungen – wird auch darauf geachtet, in der
Residenz-Zusammenstellung eine möglichst große Diversität herzustellen.
Der Choreograf Pavlos Kountouriotos macht mit „2 Bobs and a Steve“ den
Anfang des diesjährigen „Tanzhochdrei“-Programms. Für Steve Reichs Partit…
für „Clapping Music“ aus dem Jahr 1972 schafft er eine szenische, fast
installative Übertragung. Gemeinsam mit dem Tänzer Philipp van der Heijden
transkribiert er die wechselweise auseinanderstrebenden und sich wieder
annähernden Rhythmen in so genannte Maschinen. Zu ihrer eigenen Sicherheit
mögen die Zuschauer zwei Meter Mindestabstand von diesen Maschinen
einhalten, heißt es vor dem Einlass.
Was zunächst wie ein charmanter Witz daherkommt, hat durchaus seine
Berechtigung. Wenn die beiden Performer in ihrer einheitlichen
Arbeiterkluft in Blaumann-Blau sich über die 12 Anordnungen aus Holzkisten,
Wippen, Heugittern, Steinen und Seilen hermachen, fliegen schon mal Federn,
klirren Gläser, splittert Holz, erstickt ein Plattenspieler unter einem
wuchtigen Sandsack und fällt Pavlos Kountouriotos von einem angesägten
Holzbalken.
Mit heiterer Akribie und dem Ehrgeiz zweier konkurrierender Holzfäller
zerren Kountouriotos und van der Heijden abwechselnd Bücher aus Regalen,
pumpen Luftwürste auf, zerhämmern Ytong-Steine, stapeln Dosen und tanzen
einen absichtlich schlichten, aber ausdauernden Knietanz. Immer um die
Wette, immer mit männlicher Ambition. Oft mit Schutzbrille auf der Nase und
einem Schmunzeln im Gesicht.
Steve Reich komponierte „Clapping Music“ als Stück, für das lediglich der
menschliche Körper als Instrument erforderlich ist. Kountouriotos fügt dem
menschlichen – vielmehr dem männlichen – Körper einige Werkzeuge hinzu und
schafft eine feinhumorige, musikalisch-rhythmische Übertragung, die wie
nebenbei jeglichen Testosteron-lastigen Männlichkeitswahn persifliert. Es
ist eine irritierend bodenständige Performance, die ihren ganz eigenen
Charme aus einer sehr ernsthaft betriebenen Materialschlacht generiert. Sie
ist klug, musikalisch, extrem konsequent und endet schließlich in einem
fantastisch-flirrenden Lametta-Regen.
Vom 15. bis 17. März lädt dann Loïc Perela mit „Voice“ die Zuschauer ein,
einer Soundlandschaft zu lauschen, die fünf Tänzer*innen erschaffen und
zugleich mit ihren Körpern und Stimmen immer wieder durchbrechen. „Zwischen
Dunkelheit und Licht, zwischen Hören und Sehen, entsteht eine sinnliche
Tanzerfahrung, in der Stimmen und Körper und deren Geräusche die
Wahrnehmung der Zuschauenden wie der Tanzenden leiten“, verspricht die
Ankündigung. Und an den letzten Tagen des „Tanzhochdrei“-Programms, am 22.,
24. und 25. März, kreiert Tian Rotteveels in einem Raum innerhalb eines
Raums mit „Only when it’s on“ einen Ort, an dem zwei Performer vor den
Augen ihrer Zuschauer*innen lernen zu verschwinden und wieder aufzutauchen.
Noch haben die beiden Choreografen Zeit für letzte Proben.
Bis 25. 3., Kampnagel. Infos und Programm: [1][k3-hamburg.de]
10 Mar 2018
## LINKS
[1] http://www.k3-hamburg.de
## AUTOREN
Katrin Ullmann
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