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# taz.de -- Russlands Opposition: Die orange Revolution ist das Vorbild
> Im autoritär regierten Russland sucht die demokratische Opposition nach
> Wegen, sich trotz Schikanen sich neu zu organisieren. Am 1. Mai ist ein
> "Marsch der Unzufriedenen" geplant.
Bild: Planen Gegenaktionen zum staatlichen orchestrierten Jubelfeiern am 1.Mai:…
ST. PETERSBURG taz Über den prachtvollen Newski-Prospekt im Zentrum von
Sankt Petersburg mit seinen glitzernden Vitrinen voller Luxuswaren wälzen
sich Touristenmassen. Ein paar hundert Meter entfernt, in der
Majakowskistraße, fühlt sich der Besucher jedoch wieder in Sowjetzeiten
zurückversetzt. Hier, in einem unscheinbaren und etwas heruntergekommenen
Gebäude, residiert die demokratische Opposition. "Da drüben", sagt Maxim
Resnik und deutet mit der Hand auf eine Seitenstraße, "wurden im November
Dutzende Teilnehmer unserer Demonstration zusammengeschlagen. Einen haben
die Sicherheitskräfte sogar ins Koma geprügelt." Resnik ist Vorsitzender
der örtlichen liberalen Jabloko-Partei, die von den letzten Kommunalwahlen
ausgeschlossen wurde, und Mitorganisator regelmäßiger Proteste, der
sogenannten Märsche der Unzufriedenen. Diese enden jedes Mal mit
zahlreichen Verletzten und Verhafteten. Dennoch wollen die Putin-Kritiker
weiter marschieren. Ihren nächsten Auftritt planen sie für den 1. Mai - als
Gegenaktion zu den staatlich orchestrierten Jubelfeiern.
Anfang März, in der Nacht nach den Präsidentschaftswahlen, wurde Resnik bei
einer Demonstration festgenommen und saß 18 Tage im Gefängnis. Angeblich
soll er einen Milizionär geschlagen haben. Zwar ist er wieder auf freiem
Fuß, der Fall aber weiter bei einem Gericht anhängig. Bei einer
Verurteilung drohen Resnik, der Sankt Petersburg nicht verlassen darf, bis
zu fünf Jahren Haft. Doch das ficht den 33-Jährigen nicht an. "Ich werde
weiter für Bürgerrechte und politische Reformen kämpfen. Die orange
Revolution in der Ukraine ist mein Vorbild", sagt er. Zwar gebe es im
Moment nur wenige Chancen für eine wirkliche Liberalisierung des Systems.
Deshalb sei es jetzt die wichtigste Aufgabe, die Opposition zu
konsolidieren und eine vereinigte Bürgerbewegung zu schaffen. Einen ersten
Schritt in diese Richtung machte die Opposition Anfang April bei einer
Konferenz der demokratischen Kräfte in Sankt Petersburg. "Ohne Reformen hat
das Land keine Perspektiven. Denn unter den Bedingungen der Machtvertikale
schert sich der Beamte genauso wenig um die Interessen der Bürger wie vor
zwanzig Jahren im Kommunismus. Keine der demokratischen Gruppen kann die
Aufgabe, Reformen durchzuführen, allein bewältigen", heißt es in der
Abschlussresolution.
Doch genau da liegt das Problem. So lehnte es Grigori Jawlinski, Chef der
föderalen Jabloko-Partei, ab, sich an den Vereinigungsbemühungen zu
beteiligen. Böse Zungen behaupten, er habe ein attraktives Angebot aus dem
Kreml bekommen. Zudem fehlt bislang eine zentrale Figur, die die
demokratischen Kräfte um sich sammeln könnte. Dennoch sieht Olga Kurnozowa
von der Vereinigten Bürgerfront Sankt Petersburg gute Chancen dafür, dass
Putins Widersacher künftig gemeinsam agieren. Schließlich seien sich doch
alle über die Ziele einig: freie Wahlen, Pressefreiheit und die
Respektierung der Menschenrechte. "Dafür werden wir unseren Weg bis zum
Ende gehen, und das nehmen uns immer mehr Menschen ab", sagt sie.
Ähnlich wie Maxim Resnik hat die 47 Jahre alte Physikerin des Öfteren
erfahren, was es bedeutet, auf der "falschen Seite" zu stehen. So wurde sie
bereits 17-mal nach Protestaktionen festgenommen. Das Abhören ihrer
Telefone ist Alltag genauso wie ständige Drohungen. Doch Kurnozowa setzt
nicht nur auf eine vereinigte Opposition. "Um den Druck auf die Macht zu
erhöhen, müssen wir die Straßenproteste ausweiten und auch Vertreter der
kulturellen Elite für unser Anliegen gewinnen."
Bei Michail Barsykin ist keine Überzeugungsarbeit mehr notwendig. Der
45-jährige ist Leader der bekannten Band Televisor. In den 80er-Jahren trat
Barsykin mit seinen regimekritischen Liedern im legendären Leningradski
Rock-Club auf. "Das System wird sich selbst fressen, die Wirtschaftskrise
hat bereits begonnen, und dann werden die Menschen merken, dass sie
verraten wurden", sagt Barsykin. "Putins Bande, das ist eine kriminelle
Vereinigung. Sie wissen, dass sie hier nur auf Zeit regieren."
29 Apr 2008
## AUTOREN
Barbara Oertel
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