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# taz.de -- Russische Menschenrechtlerin ermordet: Die Feindin des Tyrannen
> Menschenrechtler verdächtigen das tschetschenische Regime, für den Mord
> Natalja Estemirowa verantwortlich zu sein. Russlands Präsident Medwedjew
> verurteilt die Tat.
Bild: In Grozny verschwunden, in Inguschetien tot aufgefunden: Natalia Estemiro…
Einen Tag nach dem Mord an Natalja Estemirowa häufen sich die Stimmen
russischer Menschenrechtler, die hinter der kaltblütigen Tat die Machthaber
in Tschetschenien vermuten. Die 50-jährige Mitarbeiterin der
Menschenrechtsgruppe Memorial war am Mittwoch in Tschetschenien entführt
und am Abend in der Nachbarrepublik Inguschetien tot aufgefunden worden.
Die Täter hatten sie mit mehreren Schüssen in Kopf und Unterleib
liquidiert.
Alexander Tscherkassow von Memorial vermutet "eine Racheaktion der
Sicherheitsstrukturen" in Tschetschenien. Sein Kollege Oleg Orlow sagte dem
Radiosender Echo Moskwy, er wisse zwar nicht, ob der Republikpräsident
Ramsan Kadyrow den Befehl erteilt hätte. Sicher sei aber, dass dieser in
Natascha "einen persönlichen Feind" gesehen und dies auch nicht verhehlt
habe. Der Druck auf Mitarbeiter Memorials sei in letzter Zeit immer stärker
geworden.
Unmittelbar nach der Todesnachricht meldete sich auch Russlands Präsident
Dmitri Medwedjew zu Wort: "Leider scheint es offenkundig zu sein, dass der
sinnlose Mord mit der Arbeit Natalja Estemirowas als Menschenrechtlerin
verbunden ist", zitierte ihn eine Pressesprecherin. Die Strafe für die
Verbrecher müsse daher umso härter sein. Die schnelle Reaktion auf das
Verbrechen war ein Novum für den Kreml, der bei ähnlichen Fällen entweder
gar nicht oder erst spät Stellung bezog, wie im Fall der Journalistin Anna
Politkowskaja, die im Jahr 2006 in Moskau erschossen wurde. Der damalige
Präsident Wladimir Putin reagierte erst nach Tagen und in einer Weise, die
international Bestürzung hervorrief: Der Tod der Journalistin hätte
Russland mehr Schaden zugefügt als ihre Artikel, sagte er sinngemäß.
Mit der Klärung des Falls hat Medwedjew nun Alexander Bastrykin beauftragt,
den Leiter des staatlichen Untersuchungskomitees. Auch Tschetscheniens
Präsident Kadyrow teilte vieldeutig mit, er wolle die Ermittlungen
persönlich überwachen. Bei der Suche nach den Mördern wolle er auch auf
erprobte landesübliche Methoden zurückgreifen. Dahinter verbirgt sich ein
zynischer Hinweis auf den Einsatz von Gewalt.
Alexander Tscherkassow hat allerdings, wie die meisten Menschenrechtler,
Zweifel, dass der Mord jemals aufgedeckt wird. Es hätte bislang nur einen
einzigen Fall von Entführung und Mord in Tschetschenien gegeben, der auch
zu einer Verurteilung des Täters geführt hätte, berichtet der Mitarbeiter
von Memorial. Den Fall des Milizionärs Sergej Lapin hatten Natalja
Estemirowa, Anna Politkowskaja und Stanislaw Markelow gemeinsam vor Gericht
gebracht. Rechtsanwalt Markelow wurde im Januar in Moskau erschossen.
"Jetzt ist auch die Letzte von ihnen ermordet", sagt Tscherkassow.
Estemirowa hatte in den vergangenen Tagen auf ein Verbrechen der
Sicherheitskräfte hingewiesen, auf das die Verantwortlichen in Grosny
besonders empfindlich reagierten: Am 7. Juli war in dem Dorf
Achkintschu-Borsoi ein Mann öffentlich hingerichtet worden. Erschießungen
in der Öffentlichkeit nahm Ende der Neunzigerjahre auch das Regime aus
Islamisten und Separatisten vor. Diese Hinrichtungen waren für die
russische Führung damals ein Grund, dem unmenschlichen Regime die
Existenzberechtigung abzusprechen. Nach diesem Vorfall lud der
Menschenrechtsbeauftragte Kadyrows Mitarbeiter Memorials vor und warnte sie
unmissverständlich, von dergleichen Themen die Finger zu lassen.
Natalja Estemirowa war die Tochter russisch-tschetschenischer Eltern. Seit
1999 dokumentierte sie Morde, Entführungen und Folter aller Kriegsparteien.
Vor allem setzte sie sich unermüdlich für die Opfer ein.
Merkels Bestürzung
Die neue Harmonie in den deutsch-russischen Beziehungen wollten Kanzlerin
Angela Merkel und Russlands Präsident Dmitri Medwedew durch die Ereignisse
am Tag zuvor nicht stören lassen. Medwedew bedauerte ausdrücklich den Mord
an "unserer" Menschenrechtlerin, deren Verdienste er sogar ausdrücklich
würdigte. "Der Mord ist mit ihrer beruflichen Tätigkeit verbunden", sagte
der Präsident, "sie hat offen und manchmal sehr hart einige Prozesse
eingeschätzt." Solche Verbrechen dürften nicht ungestraft bleiben. Merkel
akzeptierte. "Ich habe meiner Bestürzung Ausdruck verliehen", sagte sie.
"Ich habe auch vernommen, dass der russische Präsident klar gemacht hat,
dass alles getan werden muss, um den Mord aufzuklären." Damit waren beide
Seiten zufrieden - und wandten sich wieder Wirtschaftsfragen zu.
Mitarbeit: RB
17 Jul 2009
## AUTOREN
Klaus-Helge Donath
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