# taz.de -- Rassismus in Ostdeutschland: Amadeu Antonios Erbe | |
> Vor 20 Jahren prügelten Rechte den Angolaner Amadeu Antonio in Eberswalde | |
> zu Tode. Durch den Verein Palanca hat sich dort einiges getan. Doch | |
> Schwarze sind weiter die Exoten. | |
Bild: Demo in Eberswalde: Zwar ist der Mord 20 Jahre her, doch rechte Stukturen… | |
EBERSWALDE taz | Da, wo Amadeu Antonio Kiowa zu Tode geprügelt wurde, hängt | |
heute eine schwarze Granitplatte an einem Zaunpfeiler: "1962 Quimbele | |
Angola-1990 Eberswalde" ist dort eingraviert. "Opfer der rassistischen | |
Gewalt". Jone Munjunga kommt hier häufig vorbei auf dem Weg zum | |
afrikanischen Kulturverein Palanca, dessen Vorsitzender er ist. Seine | |
Rastazöpfe sind mit gelben, roten und grünen Perlen verschlossen. Die | |
Farben Afrikas. "Was mit Amadeu passiert ist, das war schrecklich", sagt | |
er. | |
Amadeu Antonio geriet in einen Mob Jugendlicher, bewaffnet mit | |
Baseballschlägern und Messern. Etwa 50, 60 Menschen, die unterwegs waren, | |
um Schwarze zu verprügeln. "Neger klatschen" nannte das ein Zeuge später | |
vor Gericht. Sie schlugen und traten auf Amadeu Antonio ein, warfen ihn zu | |
Boden. Einige wollen gesehen haben, wie die Angreifer auf seinen Kopf | |
sprangen. Am 6. Dezember 1990 starb er mit 28 Jahren im Krankenhaus - als | |
eines der ersten Opfer rechter Gewalt im gerade wiedervereinigten | |
Deutschland. | |
Wie viel Zeit seitdem vergangen ist, zeigt sich an dem Wohnblock, in dem | |
Amadeu Antonio und Jone Munjunga wohnten, nur eine Busstation entfernt vom | |
Ort des Überfalls. Seit Jahren steht das Gebäude leer und verfällt. Jone | |
Munjunga fotografiert die rote Fassade für eine Ausstellung des | |
afrikanischen Kulturvereins über die Vertragsarbeiter, zu denen auch sie | |
gehörten. 1987 waren sie aus Angola ins brandenburgische Eberswalde | |
gekommen und arbeiteten in der einige Kilometer entfernten Fleischfabrik. | |
"In den ersten beiden Stockwerken haben wir Angolaner gewohnt", erzählt er, | |
"darüber deutsche Arbeiter, nebenan Polen, Vietnamesen, Mosambikaner." Die | |
meisten waren im November 1990 schon längst zurück in ihrer Heimat. Jone | |
Munjunga und Amadeu Antonio blieben. Man hatte ihnen weiter Arbeit | |
angeboten, und beide hatten deutsche Freundinnen, die sie nicht verlassen | |
wollten. | |
In den Jahren nach Amadeu Antonios Tod bereute Jone Munjunga, hiergeblieben | |
zu sein. "Da hat man immer Angst gehabt, wenn man auf die Straße ging, und | |
sich gefragt: Komme ich gesund zurück? Komme ich überhaupt zurück?" Mit | |
seiner deutschen Lebensgefährtin im Bus zu fahren habe er vermieden, | |
erzählt er, denn dann seien sie noch stärker angefeindet worden. Auf einen | |
seiner Freunde hetzten Rechtsextreme Pitbulls. | |
Es war die Zeit, in der in Eberswalde vor Gericht der Tod von Amadeu | |
Antonio geklärt werden sollte. Fünf Beteiligte wurden zu Jugendstrafen | |
verurteilt - zwischen viereinhalb Jahren und zwei Jahren auf Bewährung. | |
Viele Beobachter kritisierten das Verfahren, auch weil der rechtsextreme | |
Hintergrund der Täter keine Rolle spielte. Die Polizisten, die den Mob | |
nicht aufgehalten hatten, wurden in einem weiteren Verfahren | |
freigesprochen. | |
Jone Munjunga und seine Freunde reagierten 1994 mit der Gründung des | |
Kulturvereins Palanca auf die bedrohliche Lage in Eberswalde. "Wir | |
brauchten einen Ort, der sicher ist und an dem wir uns treffen konnten", | |
sagt er. Noch immer liegen ihre Räume in einem Gewerbepark mit | |
Fitnesscenter und Disko. Mehrmals im Monat gehen die Vereinsmitglieder in | |
Schulen und Kitas im Umkreis. Dann trommeln sie mit den Kindern, kochen und | |
sprechen mit ihnen über Afrika. Denn Ziel des Vereins war es nicht nur, | |
einen geschützten Raum zu haben, sondern auch für ein friedliches | |
Miteinander zu werben. | |
Tatsächlich hat sich etwas getan in Eberswalde. Nach den Zahlen des | |
Landeskriminalamts ist dort in den vergangenen drei Jahren niemand von | |
Rechtsextremen verletzt worden. Der Verein Opferperspektive registrierte | |
für den gleichen Zeitraum zwar drei Körperverletzungen, kommt aber zur | |
gleichen Einschätzung: dass sich die Lage beruhigt hat. | |
Antirassismus-Initiativen sind entstanden, Polizei und Justiz gehen | |
konsequenter gegen rechte Straftäter vor, und die Eberswalder wehren sich. | |
Im Sommer organisierten sie Blockaden gegen Aufmärsche einer Kameradschaft | |
in der Region. Trotzdem will das Mobile Beratungsteam keine Entwarnung | |
geben. Auch weil sich Rechtsextreme nach wie vor regelmäßig in einem | |
Nachbarort treffen. | |
Nur noch selten aber hört Jone Munjunga Schimpfwörter wie "Neger" oder | |
"Bimbo". Er fühlt sich mittlerweile sicher in Eberswalde. Das schreibt er | |
auch dem Engagement seines Vereins zu: "Wir haben viel, viel gekämpft. | |
Jetzt ist die Stadt ruhig, und man kann auch nachts laufen." | |
Trotzdem kommt er nur noch für die Vereinsarbeit her und um Freunde zu | |
besuchen, denn mittlerweile lebt er in Berlin. Weil er dort kein Exot ist, | |
wie er sagt. | |
5 Dec 2010 | |
## AUTOREN | |
Dörthe Nath | |
## TAGS | |
Amadeu-Antonio-Stiftung | |
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