# taz.de -- Prozess um Tod von Lea-Sophie: "Kein normales Gesäß" | |
> Das Schweriner Landgericht versucht den Tod der kleinen Lea-Sophie zu | |
> klären. Die Details sind schrecklich, die Aussagen zutiefst | |
> widersprüchlich. | |
Bild: Der Vater von Lea-Sophie: Den Haustieren ging's gut bei ihm. | |
SCHWERIN taz "Das tu ich mir nicht an", sagt ein grauhaariger | |
Gerichtsdiener, als die Zuhörer aus dem Saal kommen. "Die kleinen Zwillinge | |
meines Nachbarn sind im Januar ertrunken, da hör ich mir so was nicht an." | |
Gemeint ist der Prozess gegen die Eltern von Lea-Sophie, die wegen Mordes | |
an ihrer fünfjährigen Tochter vor dem Schweriner Landgericht stehen. | |
Seit mittlerweile fünf Verhandlungstagen bemüht sich das Gericht den Tod | |
des Kindes zu rekonstruieren, das in den letzten fünf Monaten außer den | |
Eltern niemanden mehr zu Gesicht bekam. Im November 2007 war das Mädchen | |
vom Notarzt in eine Klinik eingeliefert worden, wo es noch in der Nacht | |
starb. Es wog 7,4 Kilogramm. Normal wäre das Dreifache gewesen. | |
Es ist nur eines der schrecklichen Details, die bislang ans Licht kamen. | |
Der Klinikarzt, der am Freitag als Zeuge aussagte, sprach von | |
Durchliegegeschwüren am Gesäß, die bis zum Knochen reichten. "Die normale | |
anatomische Form des Gesäßes war nicht mehr vorhanden." Anders als von der | |
Mutter behauptet, könne er sich nicht vorstellen, dass das Kind in seinen | |
letzten Tagen noch habe laufen können. | |
Derartige Widersprüche ziehen sich wie ein roter Faden durch die | |
Verhandlungen. Selbst die Angeklagten belasteten sich gegenseitig, | |
allerdings vor Prozessbeginn. So erklärte Stefan T., Nicole G. sei für die | |
Körperpflege des Kindes zuständig gewesen. Sie wiederum sagte aus, er habe | |
sie mit Haushalt und Kindern alleingelassen. Vor Gericht haben beide | |
bislang geschwiegen. Bekannt sind lediglich Aussagen aus | |
Polizeivernehmungen. | |
Das Bild, das Angehörige und Nachbarn von dem Paar zeichnen, zeigt vor | |
allem eines: den kompletten Rückzug in die eigene Wohnung, in die kein | |
Besuch vordrang und die sie meist erst abends verließen - in Begleitung | |
ihrer beiden Hunde und des jüngeren Säuglings, der laut ärztlichem Befund | |
in bester Verfassung war. Allein zurück blieb Lea-Sophie, die, so schildern | |
es die Eltern, seit der Geburt des Bruders "bockte", Schränke ausräumte und | |
Essen verweigerte. | |
Immer wieder werfen Zeugen die Frage auf, wie sich die Eltern rührend um | |
die Haustiere kümmern konnten, während sie das Kind im Nebenzimmer sterben | |
ließen. Stefan T. habe nach seiner Vernehmung sogar noch angeordnet, wie | |
die Molche gefüttert werden sollten, berichtete ein Polizeibeamter. Nicole | |
G. wurde gefragt, warum sie einen Arzttermin für den Hund, nicht aber für | |
Lea-Sophie vereinbart habe. Die Antworten vor der Polizei klangen stets | |
ähnlich: Man habe die Situation allein wieder in den Griff bekommen wollen | |
und wohl die Augen verschlossen vor dem, was geschah. | |
Unklar ist auch, wie viel an die Außenwelt drang. Die Nachbarinnen im Haus | |
wollen das Paar durch den Türspion beobachtet und aufgrund von Hundehaaren | |
im Treppenhaus dessen Kündigung verlangt haben. Auch die anonyme Anzeige | |
ans Jugendamt, die sich allerdings auf die Situation des Bruders bezog, | |
soll aus dem Haus gekommen sein. | |
Geholfen hat sie Lea-Sophie nicht. Die Mitarbeiter des Jugendamts | |
klingelten zwar knapp zwei Wochen vor ihrem Tod an der Tür, trafen aber | |
niemanden an. Als die Eltern mit dem Sohn im Amt erschienen, behaupteten | |
sie, Lea-Sophie ginge es gut. Sie hätten versprochen, in der nächsten Woche | |
auch ihre Tochter vorzustellen, berichtete ein Jugendamtsmitarbeiter. | |
Nicole G. dagegen will ihre Telefonnummer hinterlassen und den Mitarbeitern | |
angeboten haben, Lea-Sophie bei ihnen zu Hause zu begutachten. | |
Dazu ist es jedoch nicht mehr gekommen. Auch deswegen muss sich das | |
Jugendamt Fragen gefallen lassen. Mittlerweile sind 46 Strafanzeigen gegen | |
die Behörde eingegangen. Die Mitarbeiter verweigern bislang allerdings die | |
Aussage. | |
16 May 2008 | |
## AUTOREN | |
Friederike Gräff | |
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