# taz.de -- Protokollchefin nach Frankreich überstellt: Ruanda in Aufruhr gege… | |
> Während die deutsche Justiz Ruandas verhaftete Protokollchefin Rose | |
> Kabuye nach Frankreich überstellt, demonstrieren in Ruanda | |
> Hunderttausende. | |
Bild: Demonstration in Kigali gegen die Verhaftung und Auslieferung von Rose Ka… | |
"Das sind die größten Demonstrationen in der Geschichte Ruandas", staunt | |
ein Bewohner der Hauptstadt Kigali. Der zurückgerufene ruandische | |
Botschafter in Deutschland, Eugène-Richard Gasana, spricht vorsichtiger von | |
"300.000 bis 500.000 Menschen auf den Straßen". Ruanda hat gestern einen | |
Tag im faktischen Ausnahmezustand erlebt - aus Protest gegen die | |
Auslieferung der in Deutschland verhafteten ruandischen Protokollchefin | |
Rose Kabuye nach Paris. | |
Alle Geschäfte waren geschlossen, es gab kaum Verkehr. "Rose ist | |
unschuldig" stand auf den Transparenten der Demonstranten, oder auch | |
komplizierte Sprüche darüber, dass gesuchte Täter des ruandischen | |
Völkermordes von 1994 in Europa frei herumlaufen, aber eine | |
"Nationalheldin" in Haft sitze. "Wir Deutschen bleiben alle zu Hause", | |
schildert Kathrin Groninger, Leiterin des Zivilen Friedensdienstes beim | |
Deutschen Entwicklungsdienst (DED) in Kigali, die Stimmung in der Stadt. | |
Bisher sei seit Kabuyes Festnahme am 9. November die Stimmung in Ruanda | |
gegenüber den Deutschen friedlich geblieben, meint sie. Aber sie könnte | |
auch kippen. | |
Rose Kabuye, Protokollchefin von Ruandas Präsident Paul Kagame, war bei der | |
Einreise am Frankfurter Flughafen aufgrund eines von Frankreich | |
ausgestellten europäischen Haftbefehls festgenommen worden und hatte | |
seither in Auslieferungshaft gesessen. Gestern wurde sie nach Frankreich | |
überstellt. Ruanda ist empört über die Umstände: Kabuye reiste auf | |
Diplomatenpass in offizieller Mission zur Vorbereitung einer | |
Deutschlandreise Kagames und daher hätte sie diplomatische Immunität | |
genießen müssen, heißt es von ruandischer Stelle. Deutschland hingegen | |
nennt die Reise privat, weil Kabuye nicht als Teil einer offiziellen | |
Delegation ankam. "Es steht Deutschland nicht zu, zu entscheiden, ob eine | |
ruandische Amtsperson in offizieller Mission unterwegs ist oder nicht", | |
erregt sich Botschafter Gasana. "Deutschland ist uns eine Erklärung | |
schuldig." | |
Erst einmal wird sich Rose Kabuye in Paris vor zwei französischen | |
Anti-Terror-Richtern erklären. Darauf freut sie sich nach Angaben ihrer | |
Anwälte, denn sie ist davon überzeugt, dass die Anklage gegen sie haltlos | |
ist. Im November 2006 hatte der französische Anti-Terror-Richter Jean-Louis | |
Bruguière Haftbefehle gegen neun Ruander erlassen, darunter Kabuye. Ihnen | |
wurde vorgeworfen, für den Abschuss eines Flugzeugs über Kigali am Abend | |
des 6. April 1994 mit dem damaligen ruandischen Hutu-Präsidenten Juvénal | |
Habyarimana an Bord verantwortlich zu sein. Die damals gegen Habyarimana | |
kämpfende Tutsi-Guerilla RPF (Ruandische Patriotische Front), zu deren | |
Führung Kabuye gehört, habe so die Macht ergreifen wollen. Aufgrund der | |
Aussagen mehrerer Exilruander legt Bruguière dar, wie die RPF unter Ruandas | |
heutigem Präsidenten Paul Kagame das geplant und ausgeführt haben soll. | |
Das Problem mit dieser These ist, dass sie allen bekannten Fakten | |
widerspricht: So wurde der Abschuss der Präsidentenmaschine beim Anflug auf | |
den Flughafen von Kigali von einem Hügel unter Kontrolle der ruandischen | |
Präsidialgarde ausgeführt, die Flughafenbeleuchtung war ausgeschaltet und | |
keine 20 Minuten nach dem Mord, bevor die Nachricht überhaupt die Runde | |
gemacht hatte, waren Präsidialgarde, Armee und Hutu-Milizen schon in Kigali | |
unterwegs, um Straßensperren zu errichten, Oppositionelle und Tutsi nach | |
vorbereiteten Listen zu verhaften und umzubringen. Das war der Beginn des | |
Völkermordes, der in den darauffolgenden drei Monaten über 800.000 Tote | |
forderte. | |
Nicht nur fehlen in der Bruguière-Anklage materielle Beweise oder | |
Ermittlungen vor Ort. Inzwischen kommen der Anklage auch ihre Zeugen | |
abhanden. Der wichtigste Belastungszeuge, der Exilruander Abdul Ruzibiza, | |
zog letzte Woche in einem Interview mit einem unabhängigen ruandischen | |
Radiosender und erneut gestern in der französischen Libération seine | |
Aussage als "reine Erfindung" zurück. Das angebliche RPF-Mordkommando "hat | |
nie existiert"; Rose Kabuye, die es beherbergt haben soll, war "an nichts | |
beteiligt". Ruzibiza, ehemals RPF-Kämpfer, war 2001 aus Ruanda geflohen und | |
mit französischer Hilfe nach Europa gekommen. Heute lebt er in Norwegen. | |
Schon Ende 2006 hatte er seine Zusammenarbeit mit Bruguière aufgekündigt, | |
weil er sich in der Anklageschrift falsch wiedergegeben fand. | |
Bruguières Nachfolger in dem Fall, Marc Trévidic und Philippe Coirre, | |
müssen nun über den Fortgang des Verfahrens entscheiden. Aus Sicht von | |
Kabuyes Verteidigung ist die Konfrontation der Ruanderin mit der | |
französischen Justiz eine Möglichkeit, Einblicke in die größtenteils noch | |
unter Verschluss gehaltenen Ermittlungsakten zu bekommen und den Fall | |
sozusagen zu Fall zu bringen. | |
20 Nov 2008 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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