# taz.de -- Pro und Contra Ultimate Fighting: Kampfkunst oder dumpfe Gewalt? | |
> Ulitmate Fighting erreicht Deutschland. Ist der Mix aus Tritten, Schlägen | |
> und Catcheinlagen ein normaler Sport oder Teil eines abartigen Events? | |
Bild: Den Gegner niederkämpfen, bis er sich nicht mehr bewegt: Je mehr Blut fl… | |
PRO | |
Man kann "Mixed Martial Arts" (MMA) ruhig als eine aus verschiedenen | |
Sportarten zusammengesetzte Kampfkunst übersetzen. Das klingt harmlos und | |
hat so rein gar nichts mit der erregten Debatte zu tun, der dieser recht | |
junge Sport, der manchmal auch als Ultimate Free Fight bezeichnet wird, | |
gegenwärtig in Deutschland ausgesetzt ist. | |
Am Samstag lässt das amerikanische Unternehmen UFC in der Kölner | |
Lanxess-Arena sein erstes großes kontinentaleuropäisches MMA-Event steigen. | |
Prompt, beinah pawlowsch, gibt es Verbotsforderungen. Hier werde "der Tod | |
von Menschen billigend in Kauf genommen", sagt ein Kölner | |
FDP-Lokalpolitiker, das Fachblatt Playboy hat einen "blutigen Kampf um Sein | |
und Nichtsein" beobachtet, und der Kabarettist Werner Schneyder will in der | |
Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung dem Veranstalter Marek Lieberberg, | |
einem Sohn jüdischer Holocaust-Überlebender, "sofort den Gewerbeschein | |
entziehen". | |
Was die Kritiker eint, ist die Behauptung, durch MMA käme es zu einer | |
Brutalisierung der Gesellschaft. Oh, what a Befund! Schuld ist die Wirkung! | |
Die Ursache kanns nicht sein, die hat nämlich ein Alibi - sie war zur | |
Tatzeit mit uns zusammen! Die Binsenweisheit, dass soziale Phänomene wie | |
MMA nur unter bestimmten sozialen Bedingungen groß werden, unter Hartz IV | |
und Wirschaftskrise, unter Arbeitslosigkeit und Zukunftsangst, wird | |
hierzulande nicht akzeptiert. In Deutschland will man Wirkungen verbieten, | |
damit sich deren Ursachen von alleine auflösen. | |
Entsprechend kenntnislos sind die Gerüchte, die über MMA kolportiert | |
werden: Ohne Regeln ginge es da zu, Nazis und Deppen prügelten sich die | |
Köppe ein. Dabei stimmt nichts davon: Das Regelwerk der UFC wie auch der | |
deutschen Free Fight Association (FFA) sieht strenge Schutzbestimmungen und | |
den Einsatz von Ringärzten vor. Und die soziale Zusammensetzung der etwa | |
400 Wettkämpfer in Deutschland ist breit gestreut: Akademiker, | |
Hartz-IV-Empfänger, Antifas, IT-Experten, Rechtsextreme. | |
MMA ist kein schöner Sport, das wird auch niemand behaupten. Aber es ist | |
ein Sport. Und zum Programm der Olympischen Spiele gehörte er übrigens auch | |
schon einmal: bis zum 6. Jahrhundert unter dem Namen Pankration. | |
Martin Krauß ist Sportjournalist in Berlin. Soeben erschien von ihm: | |
"Muhammad Ali. Ein Leben" Eine Hörbiografie (Argon Verlag). | |
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CONTRA | |
Sie wird gut besucht sein, die Kölnarena, an diesem Samstag. Nur wenige der | |
12.000 Plätze werden leer bleiben. Die Freunde der ungepflegten | |
Männerrauferei werben seit Monaten in Internetforen für die erste | |
Veranstaltung der UFC in Deutschlaschland. Sie wollen, dass ihre Sportart | |
endlich rauskommt aus der Nische. Sie wollen gesellschaftliche Anerkennung | |
für ihre Schläge, Tritte und Klammergriffe. | |
Die Männer, die dafür trainieren, einen Gegner derart niederzukämpfen, dass | |
er sich nicht mehr rühren kann, wollen, dass die Gesellschaft normal | |
findet, was sie machen. Sie wollen, dass die Zuschauer, die sich jetzt noch | |
angewidert abwenden, wenn eine Niere mit Faust oder Füßen malträtiert wird, | |
irgendwann so richtig Spaß haben. Heil ist die Welt der UFC, wenn den Fans | |
auf den Rängen das Popcorn umso besser schmeckt, je mehr Blut die Kämpfer | |
speien. | |
Wer sich darüber aufregt, den bezeichnen die Apologeten der gemischten | |
Kampfkünste gern als ahnungslosen Sportbanausen. Dass sich schon in der | |
Antike Mannsbilder bis zur Bewusstlosigkeit des jeweiligen Gegners | |
gegenseitig nierdergerungen haben, macht einen Freefight kein bisschen | |
besser. Dann werden die Regeln ins Feld geführt. Ja, man darf nicht alles. | |
Stiche in die Augen, Beißen, Haare ziehen sind verboten. Dennoch beruht das | |
Geschäftsmodell der UFC auf dem Vorführen hemmungsloser, dumpfer und | |
sinnloser Gewalt. Es darf davon ausgegangen werden, dass auch diese letzten | |
Regeln fallen werden, wenn sich das Event, das in den USA schon länger eine | |
ganz große Nummer ist, einmal nicht mehr so gut verkauft. | |
Das Entsetzen über die Veranstaltung, das Politiker aller Parteien in Köln | |
zum Ausdruck gebracht haben, es ist nur allzu verständlich, vielleicht ist | |
es sogar ehrlich. Die Entscheidung des Jugendamtes, nur erwachsene | |
Zuschauer zum Käfigkampf in Köln zuzulassen, ist richtig. Mixed Martial | |
Arts ist ein Sport, den es zu ächten gilt. Die Politik sollte nichts | |
unversucht lassen, ihn nicht rauszulassen aus der Nische, in der er gottlob | |
noch immer festsitzt. | |
Verbieten? Warum nicht. Es gibt noch durchaus mehr Sportarten, die auf den | |
Prüfstand gehören. Wie wäre es beispielsweise, wenn sich die Politik an das | |
Schleifen des Motorsports hierzulande machen würde? | |
Andreas Rüttenauer ist Sportredakteur der taz. | |
12 Jun 2009 | |
## AUTOREN | |
Martin Krauss | |
Andreas Rüttenauer | |
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