# taz.de -- Politische Farbenspiele: Scheuerl umarmt Hamburgs SPD | |
> Nach Sieg gegen die Primarschule liebäugelt Reformgegner Walter Scheuerl | |
> mit einer Parteigründung. Ziel seien Wähler aus der Mitte. Denkbarer | |
> Partner: die SPD. | |
Bild: Ist das Siegen gewohnt: Parteigründer in spe Walter Scheuerl und Anhäng… | |
In Hamburg wird die Gründung einer neuen Partei immer wahrscheinlicher. Bis | |
zum Frühjahr will die Volksinitiative "Wir wollen lernen", die im Sommer | |
die Primarschul-Reform stoppte, entscheiden, ob sie im März 2012 zur | |
Hamburg-Wahl antritt. Auf die Frage, ob sie es am Ende bei der Ankündigung | |
bewenden lassen könnten, sagt ihr Sprecher Walter Scheuerl: "Es sieht im | |
Moment nicht danach aus. Ich habe den Eindruck, dass wir Verantwortung | |
übernehmen." | |
Neu ist, dass nun von einer richtigen Partei die Rede ist. Noch vor Wochen | |
sprach Scheuerl nur von einer Wählergemeinschaft zu schulpolitischen | |
Fragen. Inzwischen positioniert der Anwalt sich aber auch gegen die | |
Sparbeschlüsse des Hamburger Senats, etwa die Schließung des Altonaer | |
Museums. | |
Die Initiative hatte beim Volksentscheid am 18. Juli 276.000 Stimmen | |
bekommen - 60.000 mehr als die vier Parlamentsfraktionen für ihre | |
Primarschule. Seither genießt der Rechtsanwalt eine Dauer-Medienpräsenz. | |
Sollte Scheuerl antreten, wäre der Einzug ins Parlament nicht | |
unwahrscheinlich. | |
"Wir rechnen nicht gleich mit der absoluten Mehrheit", sagte Scheuerl zur | |
taz, aber "denkbar wäre eine Koalition mit der SPD." Denn die werde mit | |
großer Wahrscheinlichkeit in Hamburg stärkste Partei. "Unser Ziel ist, der | |
SPD ein attraktiverer Koalitionspartner zu sein, als es die Grünen oder die | |
Linke wären. Ob es mit der CDU reicht, eine Koalition zu bilden, wage ich | |
zu bezweifeln." | |
Scheuerl will Bürgern, für die die CDU "unwählbar" wurde, eine Alternative | |
bieten. Man sei, betont Scheuerl, "bürgerliche Mitte, nicht rechts von der | |
CDU". | |
In Hamburg hatten es 1993 mit der Statt-Partei und 2001 mit der | |
Schill-Partei bereits zwei Neugründungen auf Anhieb ins Parlament | |
geschafft, zerbrachen aber später an internen Querelen. Um so etwas zu | |
verhindern, suche man Menschen, die Politik "um der Sache Willen" machen | |
und "in ihrer wirtschaftlichen Existenz nicht von einem Amt abhängig sind", | |
sagt Scheuerl. "Wenn das nicht gelingt, spricht das dagegen, eine Partei zu | |
gründen." Er bekomme viel Zustimmung zur Partei-Idee. Zum Plenum der | |
Initiative kämen regelmäßig etwa 70 bis 80 Aktive. | |
Er selber liebe seinen Beruf und wolle den nicht aufgeben -"schließlich | |
muss man auch eine Familie ernähren". Mit einem Senatorenamt wäre die | |
Arbeit als Rechtsanwalt nicht zu vereinen, wohl aber mit einem Mandat in | |
der Bürgerschaft. | |
Scheuerls Avancen an die SPD sind erklärlich: Bis es im Frühjahr zu einem | |
parteiübergreifenden Pakt für die Primarschule kam, hatten maßgebliche | |
Sozialdemokraten ebenfalls erbittert gegen das grüne Projekt gekämpft. Und | |
seit dem Volksentscheid unterstützt der SPD-Schulpolitiker Ties Rabe wieder | |
jeden schulpolitischen Vorstoß von Walter Scheuerl, zuletzt in der Frage, | |
dass Grundschulkinder weiterhin benotete Diktate schreiben sollen. | |
In der SPD-Zentrale wollte man sich zu Scheuerl nicht äußern, da es dessen | |
Partei noch gar nicht gebe. "Wir wünschen uns eine Koalition aus SPD und | |
GAL", sagte Jörg Schmoll, der Sprecher von SPD-Landeschef Olaf Scholz. | |
Äußerungen des CDU-Politikers Robert Heinemann, die SPD befördere gar eine | |
neue bürgerliche Partei, um das konservative Lager zu spalten, wies Schmoll | |
zurück: "Die CDU fürchtet zu Recht, bei der nächsten Wahl bitter abgestraft | |
zu werden. Dass da haltlos spekuliert wird, ist nicht verwunderlich." | |
Deutliche Worte fand der SPD-Abgeordnete Thomas Böwer. Zwar müsse im | |
Parlament jeder mit jedem koalieren können. "Das Abgebot von Scheuerl, die | |
SPD als geborenen Koalitionspartner zu sehen, muss man aber dankend | |
ablehnen." | |
8 Oct 2010 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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Kommentar Scheuerl-Partei: SPD muss Farbe bekennen | |
Auch wenn sie in letzter Zeit in Sachen Schulpolitik kaum zu unterscheiden | |
waren: Das Werben des Reformverhinderers Scheuerl könnte für Hamburgs SPD | |
gefährlich werden. |