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# taz.de -- "Perlentaucher" vor Gericht: Wortgefecht um Urheberrecht
> Der Onlinedienst "Perlentaucher" verkauft verkürzte Buchkritiken der "Sz"
> und "Faz" weiter. Damit werden Urheberrechte verletzt, so die Zeitungen.
> Nun entscheidet das Gericht.
Bild: "Worte gehören niemandem", sagt Simon Bergmann.
Wörter sind keine Würste. Gibt man eine Wurst weiter, hat man sie nicht
mehr. Gibt man aber ein Wort weiter - hat man es dann nicht immer noch?
Lawrence Lessig, ein kalifornischer Professor und Experte für
Urheberrechtsfragen, hat 2004 ein Buch geschrieben, "Free Culture", in dem
er darauf pochte, dass es einen Unterschied gebe zwischen Materialgütern
(wie Würsten) und virtuellen Gütern wie digitalisierten Filmen und Texten.
Ist, so eine Frage hinter Lessigs Ausführungen, die Benutzung von
urheberrechtlich geschütztem Material Diebstahl - wie US-amerikanische
Konzerne behaupten, die darauf bestehen, dass sie die Rechte an den Songs,
Filmen und Texten, die sie gekauft haben, allein innehaben? Oder kann sie
auch eine Quelle der Kreativität sein?
Kann sie, sagt Lessig. Er und die Creative-Commons- und
Open-Source-Bewegungen kritisieren die restriktive Auslegung von Gesetzen,
weil sie, wie Alexander Knorr, Cyber-Ethnologe an der LMU München, sagt,
unter dem Strich "jeden Umgang mit urheberrechtlich geschütztem Material
abwürgen". Einen Umsturz des geltenden Rechts, sagt Knorr, planten sie
nicht - "sondern eine Justierung". Der Schutz von Urheberrechten schränke
in den USA zum Teil die Bürgerrechte ein, etwa wenn Kinosäle mit
Nachtsichtgeräten nach Zuschauern durchsucht würden, die Filme
mitschneiden. Doch ein eigenes Werk bleibe ein eigenes Werk. Die Frage ist
nur: Wann ist ein Werk ein eigenes?
Das Urteil, das am Dienstag am Oberlandesgericht Frankfurt gesprochen
werden soll, soll für den deutschen Rechtsraum zur Klärung dieser Frage
beitragen. Wie weit geht das Urheberrecht, wenn die Copy&Paste-Funktion die
Benutzung eines Kugelschreibers bisweilen unnötig macht? Im konkreten Fall
geht es um eine gemeinsame Klage der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und
der Süddeutschen Zeitung gegen den Onlinefeuilletondienst Perlentaucher.
Der Perlentaucher, seit 2000 online, liefert neben eigenen Artikeln auch
eine Presseschau, einen Überblick über die Inhalte der Zeitungsfeuilletons
des Tages. Auch die Buchkritiken werden zusammengefasst - und die
Inhaltsbeschreibungen an Internetbuchhändler wie buecher.de verkauft. Die
Zeitungen wollen erreichen, dass der Perlentaucher das unterlässt. Zehn
Texte nahmen die Zeitungen als Beispiele dafür, dass die Zusammenfassungen,
die der Perlentaucher von ihren Buchrezensionen erstellte, zu nah an den
Originalkritiken seien. Und nachdem das Landgericht Frankfurt in der ersten
Instanz dem Perlentaucher recht gegeben hatte, wird nun ein Urteil im Sinn
der Zeitungen erwartet.
Winfried Bullinger, Spezialist für Urheberrecht, sagt: "Wenn ich ein
fremdes Werk nehme und es verkürze, bewege ich mich immer noch im Bereich
des fremden Werks" - und das wird dem Perlentaucher vorgeworfen. In erster
Instanz, sagt Bullinger, habe das Gericht einen Paragrafen zu Unrecht
angewandt: einen Paragrafen, dem zufolge keine Pointen, etwa von Krimis
oder Theaterstücken, vorab verraten werden dürfen, bevor sie veröffentlicht
sind.
Simon Bergmann, der den Perlentaucher vertritt, sagt: "Worte gehören
niemandem." Ungeklärt sei: "Wie viele Worte muss ich übernehmen, um die
Urheberrechte anderer zu verletzen?" Jedes Gericht werde hier seine eigenen
Maßstäbe anlegen, sagt Bullinger. Doch Maßstäbe gebe es durchaus: "Es kommt
nicht darauf an, was zwei Werke unterscheidet, sondern, worin sie
übereinstimmen." Das Recht, zu zitieren, bleibe unberührt: "Ein fremdes
Werk kann im eigenen Werk angeführt werden - dafür brauche ich aber erst
mal ein eigenes Werk", so Bullinger. "Das zitierende Werk muss das Zitat
tragen, nicht umgekehrt."
Am Dienstag also soll nicht nur geklärt werden, ob der Perlentaucher sein
Geschäftsmodell ändern muss - sondern auch ein Beitrag zur Frage geleistet
werden: Wo beginnt Kreativität?
10 Dec 2007
## AUTOREN
Klaus Raab
## TAGS
taz.gazete
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