# taz.de -- Öffentlich-Rechtliche bei Videoportalen: ZDF bemerkt YouTube | |
> Nun hat auch das ZDF einen YouTube-Kanal. Die User interessiert vor allem | |
> "Kerner-wirft-Herman-raus" und King Orgasmus One bei Maischberger. | |
Bild: Ellenlange Threads mit Meinungen von "voll geil" bis "unfassbar": Johanne… | |
196 Millionen Mal werden täglich Filme aufgerufen - wer etwas Schriftliches | |
oder Fotos sucht, geht über Google, wer kurze Moving Images will, über | |
YouTube. Dass das eine - YouTube - seit Oktober 2006 dem anderen - Google - | |
gehört, stärkt diese Position nur: Wo, wenn nicht bei YouTube, kann jede | |
Band einen Clip, jeder Comedian einen Sketch, jeder Mensch einen Film an | |
die Öffentlichkeit bringen? | |
Dass das Fernsehen dabei nicht unbedingt auf der Strecke bleiben muss, ist | |
das verzweifelte Mantra der altmodischen TV-MacherInnen - schließlich habe | |
man Standortvorteile durch Anspruch, Formatlänge und Etabliertheit. | |
Trotzdem versuchen auch die öffentlich-rechtlichen Sender, in der | |
Konkurrenz um die meistgeschauten Videos mitzuhalten: Bislang fanden sich | |
unter den 65.000 täglich neu hochgeladenen Filmchen nur zufällig Beiträge, | |
die ursprünglich bei ARD oder ZDF zu sehen waren. Seit ein paar Wochen hat | |
das ZDF seinen eigenen YouTube-Kanal eröffnet, auf dem laut Sender pro | |
Woche 10 bis 15 Magazinbeiträge und Videotrailer eingestellt werden sollen. | |
Und zwar "pfiffige, ironische und interessante Clips", die "eine Generation | |
erreichen sollen, die nur noch schwer für das Echtzeitfernsehen zu | |
begeistern ist". | |
Doch trotz so viel Einsicht ist die Idee kaum mehr als ein zu spät | |
angehängter Güterwaggon: Alles, was für die sehr jungen UserInnen von | |
Interesse ist, wird bereits ohnehin regelmäßig von ihnen ins Netz | |
gebastelt. Und den "eigenen Kanal" hat im Übrigen jeder, der ein Video bei | |
YouTube einstellt - vermutlich wird also auch jetzt nicht per Stichwort | |
"ZDF" nach potenziell interessanten Beiträgen gesucht. | |
Denn was interessant für die - unübersehbar große, dennoch gar nicht so | |
unhomogene - YouTube-Gemeinde ist, hat mit dem Angebot der | |
Öffentlich-Rechtlichen nicht so viel zu tun. Wenn es allein nach Clip-Zahl | |
ginge, könnten ARD wie ZDF gleich einpacken: Fast jedes private Programm | |
punktet mit mehr Einträgen, den Topscore der Vollprogramme besetzt RTL mit | |
über 14.000 Clips. Noch höher liegen Musikkanäle wie Viva und MTV - | |
Letzterer verzeichnet Dank internationaler Verbreitung rund 280.000 | |
Filmchen. ZDF und ARD spielen dagegen mit mageren 2.000 bzw. 4.000 | |
downloadbaren Qualitätsfetzen also vermutlich genau die Geige, die sie auch | |
im täglichen Leben der YouTube-UserInnen spielen: die letzte. | |
Und die ständig wachsende Konkurrenz an immer mehr und immer | |
ausgefuchsteren, speziell für YouTube produzierten Filmen, die von | |
Großkonzern-Werbung, Wahlspot, Dokusoap bis zu Softsex alles beinhalten | |
können, macht es für die konventionellen Themen der "alten" Fernsehsender | |
nicht leichter. | |
Dennoch könnten ARD und ZDF von YouTube lernen. Denn es besteht eine große | |
Diskrepanz zwischen dem, was die Öffentlich-Rechtlichen bewusst für die | |
unbekannte Jugend produzieren - und was jene mysteriösen ZuschauerInnen | |
wirklich sehen wollen. Wer versucht, das öffentlich-rechtliche Programm bei | |
YouTube nachzuvollziehen, findet ein erstaunlich unterhaltsames | |
Konglomerat, das selbstredend komplett ohne "Musikantenstadl" auskommt, | |
dazu wenig Innen- und Außenpolitik und viel | |
"Eva-Herman-fliegt-bei-Kerner-raus" und King Orgasmus One bei Maischberger. | |
Und das inklusive der ellenlangen Threads mit User-Meinungen von "voll | |
geil" bis "unfassbar", die vor allem bei Themen wie den gebeutelten | |
ComputerspielerInnen einen schönen Eindruck davon liefern, was bei den | |
Menschen ankommt und hängen bleibt: Üblich ist erboste Kritik ob der - so | |
findet man - einseitigen und kritischen Reportagen über die "World of War"- | |
und "Counterstrike"-HeldInnen - die bestimmt manchmal berechtigt ist, oft | |
aber auch gruselig wenig Wissen über journalistische Berichterstattung | |
offenbart, die normalerweise ja schon beide Seiten beleuchten sollte. | |
YouTube fordert eben nicht den passiven Zuschauer, sondern den aktiven | |
Multiplikator, es ist kein Fernsehen, es ist "mein Fernsehen". Und so | |
werden beide TV-Arten, das Fernsehereignis in Echtzeit und das ausgewählte | |
und ausufernde Konservegucken, noch sehr lange nebeneinander bestehen. | |
20 Nov 2007 | |
## AUTOREN | |
Jenni Zylka | |
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