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# taz.de -- Neues Album von "Stella": Alternative zum Stumpfsinn des Alltags
> Stella, das Hamburger Trio um die Sängerin Elena Lange, ruft mit dem
> betörenden, japanisch inspirierten neuen Album "Fukui" den Sound ihres
> alten Labels L'age D'or in Erinnerung.
Bild: Waren in Fachkreisen schon zuvor keine Unbekannten: Die drei Bandmitglied…
Das Hamburger Label L'age D'or, von sich selbst und von allen Fans nur kurz
Lado genannt, existiert schon lange nicht mehr. Dabei hat Lado unzählige,
vor allem Hamburger Bands hervorgebracht, nicht zuletzt Tocotronic, auf die
man bei Lado setzte, als noch sonst niemand den Sound dieser jungen
Schrammelpunkband hören wollte.
Auch das Debütalbum der Sterne erschien bei Lado, die großartigen Alben der
Bands Huah! und Kolossale Jugend kamen dort Anfang der Neunziger heraus.
Schließlich wurde ab Mitte der Neunziger mit dem Rumpelhouse-Label Ladomat
auch noch ein Ableger für die Anfangs misstrauisch beäugte elektronische
Musik etabliert - der anfangs sehr erfolgreich war mit Whirlpool
Productions oder dem blutjungen Arj Snoek. Lado hatte einen eigenen Sound
hervorgebracht, oder besser noch, einen eigenen Musikstil.
Die Musiker des Lado-Labels versuchten sich in immer neuen
Zusammenraufungen, manchmal existierten diese Bands nur für einige
Auftritte, manchmal gab es nur einen Beitrag auf einer der unzähligen
Lado-Compilations, manchmal erwuchs aber auch eine langfristige Verbindung
aus Versuchsanordnungen.
Lado wurde somit eine Art Verwertungsgesellschaft für kollektive
Musikexperimente aus Hamburg und ist es auch bis zuletzt geblieben. Nannte
sich eine Band Ostzonensuppenwürfelmachenkrebs, war das o. k., hieß eine
Maxi "Fickt das System", war es super-o. k. Die Musik, die bei Lado
erschien, war vor allem vom Fehler dominiert, vom Fehler, der mit Absicht
begangen wurde. Die Musiker spielten auf Instrumenten, die sie nicht
unbedingt beherrschten, versuchten sich an Soul oder House, ohne darin
geübt zu sein - trotzdem wurde immer mit professionellem Anspruch
gearbeitet.
Das Label stand den Musikern dabei treu zur Seite, scherte sich nur bedingt
um Kritiken und glaubte, durch einige Hits alle Nichthits finanzieren zu
können. Doch wie bei vielen Unternehmen, die sich weniger von harter
Währung als vom sogenannten kulturellen Kapital nähren, kam irgendwann die
Zeit der bitteren Erkenntnisse. Schon als das Label, von einigen
Indie-Erfolgen verwöhnt, die Nähe zur Plattenfirma Polydor suchte, hagelte
es Kritik aus den Musikerkreisen. Letztlich war es gerade dieser so
vielversprechende Deal, der das Label ökonomisch ausbeutete - der Konzern
Universal, zu dem Polydor gehört, saugte die erfolgreichen Bands aus dem
Lado-Label heraus, ohne Interesse am Großen und Ganzen des Labels und
seiner Labelpolitik. Noch mehr aber mochte es irritieren, dass es gerade
die Fans der Indie-Musik sind, die ihre Musik gern umsonst aus dem Internet
zusammensuchen - eine gute Produktion ist für kleine Bands und kollektive
Gruppenexperimente aber unter diesen Bedingungen nicht mehr zu leisten.
Daher verschwand das Label mitsamt seinem Sound.
Eine der Bands, die Lado in seinen besten Jahren hervorbrachte, war die
Band Stella, sogar ihren Bandnamen verdankt sie einer Mitarbeiterin des
Labels. Die drei Bandmitglieder Elena Lange, Mense Reents und Thies Mynther
waren in Fachkreisen schon zuvor keine Unbekannten. Der eine, Reents,
machte gleichzeitig als Teil des Duos Egoexpress Furore (heute ist er auch
Mitglied der Goldenen Zitronen). Mynther wiederum spielte bei der
Allwissenden Billardkugel und in dutzenden anderen Bands. Heute bedient er
unter anderem bei Phantom/Ghost und Superpunk die Tasten. Und schon die
ersten Stücke, die noch auf Lado-Compilations, die man damals, Mitte der
Neunziger noch "Sampler" nannte, zu finden waren, ließen aufhorchen. Elena
Lange sang sehr ausdrucksstark scharfe, selbstbewusste Texte. Zu dritt
schuf das Trio dazu einen merkwürdigen, rockigen Elektrosound, in dem aber
auch die Gitarre ihren angestammten Platz verteidigen konnte.
Luxus für alle und als Doktorandin nach Japan
"Extralife" hieß das Debütalbum im Jahr 1998. Stücke wie [1]["Tomorrow Ill
be perfect"] gruben sich ins Gedächtnis, Zeilen wie "Be good, be bad, just
be, but please without me" wurden oft zitiert. Im Jahr 2000 folgte
[2]["Finger On The Trigger For The Years To Come"]. Und es zeigte sich,
dass jene, die noch wenige Jahre zuvor die ersten Stücke einer
Musikrichtung eingespielt hatten, die man später Electroclash nennen
sollte, bereits keine Lust mehr darauf hatte. Nun wurde verstärkter
gesungen, die Stücke wurden zu Songs, und auf "Better Days Sounds Great" -
das 2004 erschienene opulente Album greift den Titel der legendären
Lado-Compilation "Bessere Zeiten klingt gut" auf - wagte sich die mit
Hendrik Weber zum Quartett erweiterte Band sogar an ein
Fleetwood-Mac-Cover, das mit Bravour und angenehmer Unverkrampftheit
absolviert wurde.
Die Band Stella musste nie posieren, sie war einfach cool und schaffte es
immer, sich zu inszenieren, einerseits als politische Band - die sich in
Interviews auch gern mal ausgiebig über politische Fragen stritt -,
andererseits als Glamour-Band. Nicht umsonst hatte Elena Lange schon sehr
früh das Motto "Luxus für alle" ausgegeben. Und das auch todernst gemeint.
Elena Lange, die, allen Verlockungen des Popstarlebens zum Trotz, stets
weiterstudiert hatte, ging als Doktorandin nach Japan, um ihre Kenntnisse
zu vertiefen. Ihr derzeitiges Promotionsthema an der Uni Zürich: "Die
Überwindung des Subjekts - Nishida Kitarôs Weg zur Ideologie".
Das Label Lado verschwand in der Zwischenzeit, die anderen Bandmitglieder,
also Weber, Reents und Mynther, widmeten sich eigenen Projekten. Es gab
keine Tour mehr und keine Lebenszeichen. Doch während die Fans nicht damit
rechneten, je wieder von der Band zu hören, traf man sich immer, wenn Lange
in Hamburg weilte, im Studio, wie Mynther im Gespräch erzählt. Zunächst
noch zu viert, bald jedoch verließ Weber die Band wieder, um sich ganz
seiner Technokarriere unter dem Namen Pantha du Prince zu widmen. Und es
fehlte auch ein bisschen das Label, das einen treibt, gesteht Reents. Doch
dem widerspricht Mynther, er brauche kein Label, um sich zu motivieren.
So oder so ist es nun jedenfalls zum Album "Fukui" gekommen, benannt nach
der japanischen Stadt, in der Elena Lange in den vergangenen Jahren lebte.
Das Album erscheint auf dem recht neuen Berliner Label Snowhite, das auch
ein bisschen angetreten ist, das Erbe des Berliner Labels Kitty Yo
auszufüllen, welches ebenso wie Lado verschwunden ist - und für Berlin eine
ähnliche Bedeutung hatte wie Lado für Hamburg.
Snowhite allerdings kann noch nicht mit einem eigenen Labelsound aufwarten.
Und muss dies auch nicht. Denn Stella haben praktischerweise den ihren
mitgebracht, der einerseits ganz eigen und doch andererseits auch ganz nach
Lado klingt.
Das beginnt schon damit, dass Elena Lange fast durchgängig auf Japanisch
singt, nur wenige englische Zeilen sind zu hören. Dafür hat sie die Texte
von einer japanischen Kollegin verifizieren lassen.
Sie musste, sagt Reents, sich etwas länger dazu bitten lassen - und dabei
ist die Wahl der Sprache zunächst nicht einmal eine Aussage, es geht um den
Sound.
Ebenso ist "Fukui" eine sehr elektronische Platte geworden und trotzdem mit
diversen Synthezisern handgemacht. "No midi, no sequencing, no computer",
wird im Booklet betont. Und die Gitarre hat ebenso ihren Platz auf dem
Album gefunden, besonders im letzten, sehr schönen, sehr herzzerreißenden
Stück - das übersetzt "Meine liebsten Dinge" heißt. Stella spielen mit der
kulturellen Verwirrung.
Verlieren sich jedoch nie in ihr, sondern beherrschen ihr Material
weiterhin so, wie es Künstlerinnen und Künstler tun sollten. Selbst da, wo
sie herumalbern und etwa den Basslauf eines Eurotrash-Stückes zitieren oder
schräge Koloraturen singen, verlieren sie sich nicht in der Albernheit.
Albernheit gehört viel mehr dazu, ist Programm, dient dazu, das Gerüst zu
lockern, das die Band sonst zu eng über Songs und Album geschnallt hätte.
Denn noch immer kämpfen
Stella auf hochprofessionelle Weise gegen Perfektion an. Gegen den durch
Ideologie und Modeindustrie geformten Menschen, und setzen dem trotzige
Behauptungen entgegen. [3]["Nobody can do me no harm"] lautet eine der
wenigen englischsprachigen Zeilen. Dabei ist die Musik des Albums, wie man
es von Stella erwarten konnte, zwingend und berauschend. Es ist Pop im
guten Sinne. Pop, der aufrüttelt, befreiend wirkt, der eine Alternative zum
Stumpfsinn des Alltags gibt.
Und er ist so frei, wie viele Musiker auf dem Lado-Label waren, während sie
miteinander herumalberten und sich probierten. Dem Lado-Sound wird dabei
kein Denkmal gesetzt, was hieße, ihn zu zementieren und den
rückwärtsgewandten Freaks zu überlassen. Nein, er wird in die Gegenwart
transformiert. Er wird benutzt, nicht gepflegt. Stella sind so frei. Und
das ist sehr schön.
Stella: "Fukui" (Snowhite/Cloudshill/Cargo/Universal)
27 Aug 2010
## LINKS
[1] http://www.youtube.com/watch?v=coj9nWh80Sk
[2] http://www.youtube.com/watch?v=SWdNecuV4aY&feature=related
[3] http://www.youtube.com/watch?v=hKuYM32uGD4
## AUTOREN
Jörg Sundermeier
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