# taz.de -- petition der woche: Nach der Petition: Die Poelzig-Villa bekommt ei… | |
Im Frühjahr 2020 startete Kolja Missal, Kunsthistoriker ist er, eine | |
Petition zum Erhalt der Poelzig-Villa im Berliner Westend. Das Haus ist | |
eines der raren Beispiele für Architektur vom Anfang des letzten | |
Jahrhunderts, die von Frauen entworfen wurde. Von Marlene Moeschke-Poelzig | |
(1894–1985). Die Architektin und Bildhauerin, und zweite Frau des | |
renommierten Architekten Hans Poelzig, hat darin Ideen verwirklicht, wie | |
sie in der Weimarer Zeit zwischen dem Ende des Ersten Weltkriegs und der | |
Machtergreifung Hitlers laut wurden. „Ein einmaliges Denkmal der | |
Emanzipationsgeschichte in der Architektur“, sagt Missal. | |
So gibt der Grundriss im Erdgeschoss den Kindern gleichberechtigt Raum und | |
reduziert die Frau nicht auf ihre Mutterrolle; auf der gleichen Etage war | |
zudem Moeschke-Poelzigs Atelier. „Es ist eines der ersten Häuser der | |
Moderne, von dem man weiß, dass eine Frau es entworfen hat. Das wird eher | |
belächelt als gewürdigt“, sagt Missal. | |
Missal war bei Besuchen im Westend, wo in der Weimarer Zeit viele aus der | |
Berliner Kunst- und Bildungselite wohnten, auf die heruntergekommene Villa | |
aufmerksam geworden. Er begann zu recherchieren und stellte fest, dass | |
Berlin dem Haus den Denkmalschutz verweigerte. Begründung: In den | |
50er-Jahren sei das Flachdach durch ein Walmdach ersetzt worden. Der | |
Investor, dem das Grundstück seit 2017 gehört, dürfe die Villa abreißen und | |
ein Ensemble uniformer Eigentumswohnungen dort bauen. So der Plan. Missal | |
dagegen argumentiert, dass selbst das veränderte Dach ein Teil der | |
Architekturgeschichte sei, da es zeige, wie im Nachkriegsdeutschland mit | |
den Ideen der Moderne aufgeräumt wurde. | |
Im Juni 2020 waren die Baustellenschilder schon aufgestellt, da war die | |
Petition zum Erhalt der Poelzig-Villa dem Berliner Senat noch lange nicht | |
übergeben. Im Zuge der Berichterstattung aber wurden sowohl der Bezirk | |
Charlottenburg als auch der Kultursenat hellhörig. Nur das Denkmalamt | |
beharrte weiter auf seiner Entscheidung. | |
Das Haus ist nicht nur architektonisch und frauengeschichtlich ein Denkmal, | |
es spiegelt auch die deutsche Geschichte. Die Poelzigs lebten bis kurz nach | |
dem Tod von Hans Poelzig 1936 in der Villa; dort gewährten sie von | |
Verfolgung bedrohten jüdischen Freunden auch Unterschlupf. Die Nazis hatten | |
Poelzig gezwungen, seine Professuren und Ämter niederzulegen, und zwangen | |
auch seine Frau, Atelier und Haus aufzugeben. 1937 kaufte es Veit Harlan, | |
Regisseur des NS-Propagandafilms „Jud Süß“. Er ließ einen Kinosaal | |
einbauen, dort soll der Hassfilm uraufgeführt worden sein. | |
Die Petition wurde zu einer Plattform der Vernetzung. Es meldeten sich | |
Nachkommen von Verfolgten, die in der Villa Schutz gefunden hatten, auch | |
Nachkommen der Poelzigs und viele Architekt*innen. Bei Übergabe der | |
Petition im Dezember signalisierte der Senat, dass er einlenken wolle, der | |
Investor ist bei entsprechender Entschädigung bereit, das Grundstück | |
zurückzugeben. | |
Ein runder Tisch wurde initiiert, um Politik, Investor, Architektur und | |
Kulturwissenschaft zusammenzubringen. Missal und seine Mitstreiter*innen | |
sind zudem dabei, einen Verein zu gründen und die Finanzierung zu klären. | |
Die Idee: In der Villa ein Stipendiat*innen-Programm für Architekt*innen | |
und Kunstschaffende zu verwirklichen. „Aber ach“, so Missal, „alles geht | |
sehr langsam, dabei drängt die Zeit.“ Waltraud Schwab | |
2 Jan 2021 | |
## AUTOREN | |
Waltraud Schwab | |
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