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# taz.de -- Moralisch überzogen: Grüne bedauern Kosovokrieg
> Ein Kommissionbericht der Partei kritisiert Joschka Fischer. Es sei
> schädlich gewesen, bei der Begründung des Luftkriegs gegen Serbien
> "teilweise moralisch zu überziehen".
Bild: Der frühere Außenminister Joschka Fischer wirbt im hessischen Wahlkampf…
BERLIN taz Die Grünen haben sich zu weitgehender Kritik an der deutschen
Beteiligung am Kosovokrieg 1999 durchgerungen. In ihrem Abschlussbericht
schreibt die Friedens- und Sicherheitspolitische Kommission der Partei, es
sei "schädlich für die Glaubwürdigkeit" der rot-grünen Bundesregierung
gewesen, bei der Begründung des Einsatzes "teilweise moralisch zu
überziehen". Dieser Vorwurf dürfte den damaligen grünen Außenminister
betreffen. Joschka Fischer unterlegte seine Forderung nach einem nicht von
den Vereinten Nationen legitimierten Eingreifen mit der Parole "Nie wieder
Auschwitz".
"Vor und während" des dann folgenden Luftkriegs gegen Serbien "war die
parlamentarische Kontrolle massiv eingeschränkt", schreiben die Grünen. Das
Ergebnis der Luftangriffe auf Serbien sei "ernüchternd und zwiespältig"
gewesen. Serbiens Ministerpräsident Slobodan Milosevic habe eben nicht
sofort mit der Vertreibung der Kosovo-Albaner aufgehört: "Die drohende
humanitäre Katastrophe konnte nicht unmittelbar verhindert werden, im
Gegenteil."
Der Grünen-Verteidigungsexperte Winfried Nachtwei, der den Bericht am
Dienstag mit Parteichefin Claudia Roth vorstellte, kommentierte das
Kosovo-Kapitel: "Das ist kein Widerruf" der damaligen Politik. Doch sei der
Luftkrieg gegen Serbien ein "Sündenfall" gewesen - der bloß möglicherweise
unvermeidbar gewesen sei. Schließlich "steckte der Karren" zum Antritt der
rot-grünen Bundesregierung Ende 1998 "bereits ganz, ganz tief in der
Scheiße", erklärte Nachtwei.
Das Kosovo-Kapitel ist ein Zugeständnis der flügelübergreifend besetzten
Kommission an die Parteilinken. Diese hatten auf dem friedenspolitischen
Kongress im vergangenen März den Zwischenbericht der Kommission als dünn
und unhistorisch gegeißelt. Die Grüne Jugend dagegen sammelte Lorbeeren für
einen eigenen Bericht, der die rot-grüne Außenpolitik ganz besonders
detailgetreu nachbereitet.
Der junggrüne Afghanistan-Experte Arvid Bell, der beide Texte
mitgeschrieben hat, erklärte der taz: "Am Kommissionsbericht ist jetzt bei
weitem nicht alles toll." Doch sei es auch dank der erstarkenden Zweifel am
Afghanistan-Einsatz gelungen, den Duktus zu verändern. Habe die Kommission
zunächst den Schwerpunkt stark auf Schutzinteressen Deutschlands gelegt,
werde nun betont, dass der deutsche Lebensstil selbst zur Verunsicherung
der Welt beitrage. "Für einen Einsatz ohne Mandat wie im Kosovo oder eine
Invasion in Afghanistan wie 2001 würde man heute vermutlich keine Mehrheit
auf einem Grünen-Parteitag mehr finden", sagte Bell.
Wie es konkret mit dem nach grüner Meinung inzwischen völkerrechtlich
abgesicherten Afghanistan-Einsatz weitergehen soll, steht nicht im Bericht.
Grundsätzlich fordern die Grünen mehr zivile Krisenprävention. "Die Grünen
leiden unter einer Art umgekehrter Militärfixierung", sagte Roth: Der
Wunsch, Krieg zu vermeiden, führe zum unablässigen Reden über militärische
Mittel.
3 Sep 2008
## AUTOREN
Ulrike Winkelmann
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