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# taz.de -- Monokulturen und Pestizide in Tirol: Klonarmeen im Apfel-Universum
> Ausgerechnet im Vorzeigeland für Ökourlauber gibt es riesige
> Apfel-Monokulturen – und Pestizidwolken. Die Artenvielfalt leidet – sogar
> das Stinktier nimmt Reißaus.
Bild: Perfektes Konsumgut.
EPPAN taz | Es sitzt sich schön in der Gartenwirtschaft in Eppan, unter
alten, knorrigen Apfelbäumen, mitten in der sattgrünen Landschaft
Südtirols. Hier ist die Welt noch in Ordnung, hier bringt die gutgelaunte
Kellnerin im feschen Dirndl das Bier.
Vor allem das umweltbewusste Publikum fühlt sich wohl zwischen Bozen und
Meran. Stimmt es nicht, dass keine italienische Region mehr tut für den
Landschaftsschutz und dem Erhalt von Berghöfen? Und stimmt es nicht, dass
Südtirol ganz Italien schlägt, wenn es um die Verhinderung weiterer
Versiegelung der Landschaft geht?
Dennoch beschleicht einen im Eppaner Apfelgarten ein merkwürdiges Gefühl.
Äpfel hat Südtirol bis zum Abwinken zu bieten. Doch die krumm und schief
wachsenden Apfelbäume, die hier über den Bänken Schatten spenden, gehören
eigentlich unter Denkmalschutz gestellt.
## öde Folgen des Wirtschaftswunders
Schon auf der Anfahrt: Monotonie, Kilometer um Kilometer. Immergleiche
Plantagen erstrecken sich, so weit das Auge reicht, die gerade
hochgeschnittenen "Bäume" stehen stramm in Reih und Glied, einer sieht aus
wie der andere. Endlos lange Reihen von uniformierten Pflanzen ziehen sich
hin, deren Abstand genau so bemessen ist, dass die Traktoren mit dem
Sprühwagen hintendran durchkommen, und drüber sind die Anti-Hagel-Netze
gespannt.
Wie mit dem Lineal auf dem Reißbrett gezogen präsentieren sich da die öden
Folgen eines der Wirtschaftswunder von Südtirol. 18.000 Hektar, prahlt der
Verband der Südtiroler Obstgenossenschaften (VOG), werden mittlerweile mit
Apfelplantagen bebaut, das sind 180 Quadratkilometer. Mehr als eine Million
Tonnen Jahresproduktion macht das - zehn Prozent aller in der EU geernteten
Äpfel. Und der VOG rühmt sich dafür, dass fast überall "integrierter Anbau"
herrsche, fast schon "Bio", wenn man den Versprechungen glauben darf:
Schädlinge nämlich würden "so weit wie möglich natürlich bekämpft", mit
"fast ausschließlich natürlichen Fressfeinden": "Zurück zur Natur" sei das
Motto.
Die Realität aber sieht anders aus. 20- bis 23-mal wird ein Apfelbaum
zwischen einer Ernte und der nächsten chemisch behandelt. Mit Pestiziden,
Fungiziden, Dünger - an die zehn Prozent der Bauern mögen zwar Bioanbau
betreiben, sagt Luigi Mariotti vom WWF Bozen, "an der Monokultur aber
ändert das nichts".
Früher, erzählt Mariotti, fanden sich anstatt der immergleichen Plantagen
Wiesen, kleine Wäldchen, freistehende Bäume - früher konnte man eine reich
variierende Natur sehen. Früher auch gab es Apfelsorten wie den Kalterer,
den Gravensteiner oder den Weißen Rosmarin. Sie sind alle weg, ersetzt
durch das Supermarkteinerlei von Elstar, Golden Delicious und Jonagold.
## Die Tiere verschwinden
Den Schaden hat die Artenvielfalt. Lebensräume verschwinden, und
"Schädlinge" werden gezielt vergiftet. Der Star? Er verschwindet zunehmend
aus dem Etschtal, genauso wie die Wachtel. Und das Stinktier ist völlig
ausgerottet.
Luigi Mariotti freut sich zwar, dass langsam der Anteil der Biobauern
steigt. Doch eine Wende wäre für ihn erst gegeben, wenn Südtirol aufhört,
auf intensive Monokulturen zu setzen. Da aber ist Optimismus nicht
angesagt: Nach dem Etschtal breiten sich die Apfelplantagen nun auch im
westlich gelegenen Vinschgau immer mehr aus.
28 Jul 2011
## AUTOREN
Michael Braun
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