# taz.de -- Liz Taylor gestorben: Amerikas letzte Ritterin | |
> Viele kennen sie nur als Diva, die sich an Männern und Alkohol nahm, was | |
> sie kriegen konnte. Die Wahrheit ist: Liz Taylor hatte sich viel zu gut | |
> im Griff. | |
Bild: Trat zuletzt nur noch selten an die Öffentlichkeit: Schauspielerin Liz T… | |
BERLIN taz | Von all ihren Auszeichnungen, Titeln, Ehrungen und Kosenamen | |
ist "Dame Commander of the British Empire" die passendste: Elizabeth | |
Taylor, die am Mittwoch nach langem Krankenhausaufenthalt an einer | |
Herzkrankheit starb, wurde 79 Jahre alt. Natürlich sah man es ihr nicht an. | |
Dafür hatte die Hollywood-Ritterin sich meistens viel zu gut im Griff. | |
Oder hatte vielleicht auch nur das verinnerlicht, was ihre ehrgeizigen | |
Eltern, eine Schauspielerin und ein Kunsthändler, ihr nahebrachten: Reiten | |
und Balletttanzen lernte Liz Taylor als kleines Mädchen in London, nach dem | |
kriegsbedingten Umzug in die USA, das Heimatland ihrer Eltern, bekam sie | |
Gesangsunterricht, die erste Filmrolle zog ihre Mutter 1941 an Land, ein | |
Jahr später wusste die Welt bei "Lassie" schon nicht mehr, wer | |
herzzerreißender aus dunklen Knopfaugen schauen konnte: die schlaue Töle | |
oder das süße Mädchen. | |
Da war Liz Taylor zehn Jahre alt, man hoffte auf eine zweite Shirley | |
Temple, und einer der üblichen Knebelverträge sollte sie sieben Jahre an | |
die MGM-Studios binden. Schauspieltechniken hat sie nie gelernt, aber | |
Disziplin, und zwar von der Pike auf: Von 1942 bis in die 80er hinein | |
drehte sie fast jedes Jahr mindestens einen, meist mehrere Filme. | |
Zuerst in Teenager-Rollen während einer Zeit, in der das Teenager-Phänomen | |
neu und das nächste große Ding war, in "Giganten" von 1956. Später, in | |
ihren 20ern, wurden ihr oft die Charakterzüge "zickig" oder "intrigant", | |
aber auch immer "schlau" und "leidenschaftlich" zugeschoben. Vor allem in | |
den Kinoadaptionen des schwulen Dramatikers Tennessee Williams, die für das | |
prüde Hollywood von sämtlichen Hinweisen auf gleichgeschlechtlichen Sex | |
bereinigt wurden, verkörperte sie den Typus der emotional hochintelligenten | |
Frau. | |
In ihrer Paraderolle als Südstaatenpute Maggie Pollit in Williams "Die | |
Katze auf dem heißen Blechdach" von 1958, das in der Filmversion fast alle | |
Andeutungen auf des Pudels eigentlichen Kern - Brick, der Ehemann Maggies, | |
liebt seinen Highschool- und Sportsfreund Skipper und wird von diesem | |
wiedergeliebt - ausgemerzt hat, entwickelt sie sich zu einer wichtigen | |
Mittlerin zwischen Männern: Sie klärt die Verhältnisse zwischen Brick und | |
Skipper und auch zwischen Brick und seinem übermächtigen Big Daddy. | |
## Galionsfigur der Schwulenbewegung | |
Ein Jahr später spielte sie in der Williams-Adaption "Plötzlich im letzten | |
Sommer" wiederum die Begleiterin eines heimlich schwulen Mannes, den seine | |
Leidenschaft für Männer umgebracht hatte. Perfiderweise an der Seite von | |
Montgomery Clift, der selbst sein ganzes Leben lang als nicht offener | |
Homosexueller unter Hollywoods menschenverachtenden Restriktionen zu leiden | |
hatte. | |
Kein Wunder, dass die Schwulenbewegung diese subtil aufsässige, wie stets | |
aus dem Ei gepellt aussehende Frau mit Vergnügen als Galionsfigur umworben | |
hat. Den ersten ihrer zwei Oscars bekam Taylor 1961 für eine Rolle in | |
"Telefon Butterfield 8", aus der sie tatsächlich viel mehr machte, als aus | |
dem Drehbuch zu erwarten war: Sie gab dem unglücklichen Callgirl Gloria | |
eine bis ins Kindheitstrauma zurückzuverfolgende Tiefe. | |
Und mit den 60ern begann auch die Skandalära der Großverdienerin: Eddie | |
Fisher, der in "Butterfield 8" ihren Exliebhaber und guten Freund spielt, | |
hatte 1959 für sie seine Ehefrau, die von der Öffentlichkeit als "gutes | |
Mädchen" eingestufte Debbie Reynolds, verlassen, und das, obwohl Taylors | |
letzter Ehemann - immerhin schon ihr dritter - und Vater ihres dritten | |
Kindes nur ein Jahr zuvor bei einem Flugzeugunglück ums Leben gekommen war. | |
Mit Fisher blieb sie offiziell fast fünf Jahre verheiratet, die große | |
tragische Liebe ihres Lebens lernte sie aber bereits währenddessen kennen, | |
wieder am Set: Vermutlich war nicht einmal die Originalliebe zwischen | |
Marcus Antonius, Cäsars Erbe, und Cleopatra so tief, verzweifelt und | |
skandalträchtig wie die ihrer DarstellerInnen Taylor und Richard Burton. | |
Dass die beiden sich zudem keine Mühe gaben, ihre verbotene Beziehung vor | |
der Öffentlichkeit zu verbergen, war eine süffisante Backpfeife ins Gesicht | |
des christlichen Amerika und Europa - sogar der Papst mischte sich ein, und | |
eine US-Abgeordnete schlug damals vor, den EhesünderInnen nach Abschluss | |
der Dreharbeiten in Rom die Wiedereinreise in die USA zu verbieten. | |
Aber Burton und Taylor ließen sich von ihren PartnerInnen scheiden, | |
heirateten einander und verlebten Jahre voller Liebe, Lust, einem zweiten | |
Oscar für Liz in "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?" an der Seite ihres | |
Ehemanns und unglaublich viel Suff und Tabletten. Während Taylors | |
Drogensucht, die sie in den 70ern erfolgreich in Hollywoods | |
Lieblingstrockendock, der Betty-Ford-Klinik, bekämpfte, behauptete sie | |
immer, sie habe erst während ihrer Zeit mit Burton überhaupt angefangen zu | |
saufen. | |
## Befreundet mit Michael Jackson | |
Vielleicht war Burton aber auch nur das Zünglein an der Waage: In den 60ern | |
schaute Taylor bereits auf eine stämmige Karriere zurück, wurde von der | |
Paparazzimeute verfolgt und hatte sich seit ihrem neunten Lebensjahr nicht | |
mehr lockergemacht. Der Wunsch, dem allen zu entfliehen, ist | |
nachvollziehbar. Dazu kamen am Ende des Jahrzehnts Bürgerrechts- und andere | |
politische Bewegungen und das schnelle und billige Fernsehen, das die Kinos | |
räumte und Divenhaftigkeit nachhaltig bestrafte. | |
In den 70ern zog sich Taylor langsam aus dem Geschäft zurück, immerhin | |
hatte sie über 50 Filme gedreht. Sie heiratete Burton noch ein zweites Mal, | |
ließ sich selbstredend auch ein zweites Mal von ihm scheiden und | |
entwickelte sich in die 80er hinein zu jener glitzernden Kunstfigur mit | |
kajalschwarz umrahmten, blitzenden Augen, die HIV-Aktivistin war, sich mit | |
Michael Jackson anfreundete, einen Bauarbeiter ehelichte und ihre Fotos | |
derart bearbeiten ließ, dass sie sich - bis auf den krankheitsbedingten | |
Rollstuhl - nicht mehr zu verändern schien. | |
Sie erfüllte bis zum Ende genau jene Starkriterien, auf die das System | |
einst aufbaute. Und sie tat es mit Spaß, unglaublichem Talent und immer | |
wieder Disziplin. Eben eine echte Ritterin aus Leidenschaft. | |
23 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
Jenni Zylka | |
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