# taz.de -- Leipziger Pfarrer geht in Rente: Der Abschied des Wendemachers | |
> Der Leipziger Pfarrer Christian Führer half mit, das SED-Regime zu | |
> stürzen. Am Montag geht er ein letztes Mal zur Arbeit | |
Bild: Nun darf er die Jeansweste endlich ausziehen: Pfarrer Christian Führer. | |
DRESDEN taz | Christian Führer verabschiedet sich mit einem Friedensgebet. | |
Der letzte Arbeitstag des Pfarrers an der Leipziger Nikolaikirche fällt auf | |
den heutigen Montag, jenen Wochentag, der mit der Kerzenrevolution 1989 | |
eine symbolische Bedeutung für den Widerstand gegen das DDR-Regime bekommen | |
hat. Sie geht wiederum auf jene Friedensgebete zurück, die der junge | |
Pfarrer 1982 initiierte. | |
Anfangs ging es noch gegen das Wettrüsten, später betete man für die | |
Ausreisewilligen der DDR, am 9. Oktober 1989 Ausgangspunkt der spontanen | |
Leipziger Massendemonstration, die das Ende der SED-Herrschaft unumkehrbar | |
erscheinen ließ. Anfang März wurde Christian Führer 65 Jahre alt, nun | |
scheidet er als eine Legende aus dem Amt. | |
"Es wird nicht einfach sein, diesen Abschnitt zu beenden", sagte der | |
evangelische Pfarrer dem Leipziger Uni-Radio "mephisto". An anderer Stelle | |
räumt er ein, wohl erst nach dem letzten Tag seiner 28-jährigen Leipziger | |
Amtszeit den Abschied begreifen zu können. Nomen es omen, Führer war eine | |
Führungsfigur, aber ohne zu verführen oder in die Attitüden eines | |
Alpha-Tieres zu verfallen. Seine Zielgruppe waren stets die "Mühseligen und | |
Beladenen", von denen die Bibel spricht, die Ausgegrenzten, aber auch die | |
leidenschaftlichen Veränderer. Sein mittlerweile ergrauter dichter | |
Igelschnitt schien stets gegen den Strich gebürstet. Die unvermeidliche | |
Jeansweste war sein Markenzeichen. | |
"Ich bin kein Diplomat", hat Christian Führer einmal von sich gesagt. Wobei | |
der Pfarrer seine Person nur so weit in den Mittelpunkt stellte, als es für | |
die Sache unerlässlich war. Wenn ihn heute eine Zeitung als "Vater des | |
Mauerfalls" tituliert, so genießt er diesen Personenkult nicht. Allein | |
schon deshalb, weil er neben allen Umständen auch die "Hand Gottes" bei den | |
gewaltfreien Protesten der Wende spürte. Nach dem Theologiestudium in | |
Leipzig und zwei Stellen in Lastau und Colditz ging der Pfarrerssohn 1980 | |
an die wichtigste Kirche Leipzigs. Bis zu 28 Spitzel setzte die | |
Staatssicherheit auf den Mann an, dessen Kirche stets "offen für alle" sein | |
wollte. | |
Mit einer solchen Widerstandsbiografie hätte Führer auch Preise kassieren | |
und ein sattes Leben führen können. Einen Theodor-Heuss-Preis und den | |
Augsburger Friedenspreis bekam er tatsächlich. Aber schon 1993 fand man ihn | |
als Koordinator der Christlichen Erwerbsloseninitiativen wieder. | |
Auch die Friedensgebete am Montag bleiben, und 2003 mobilisieren sie noch | |
einmal etwa 12.000 Menschen gegen den Irakkrieg der USA. Wenn es gegen die | |
drohende Okkupation Leipziger Straßen durch den Neonazi Christian Worch | |
ging, war Führer ebenso dabei wie bei Mahnwachen für die Freilassung zweier | |
im Irak entführter Ingenieure. Als eine Entgleisung muteten allerdings | |
seine Hilferufe für die 2004 schließlich gescheiterte Leipziger | |
Olympiabewerbung an. Dennoch ist der Rückzug Führers eine historische | |
Zäsur. Mit ihm geht eine der letzten bekannten Protagonisten des | |
Widerstands gegen die SED-Diktatur. | |
30 Mar 2008 | |
## AUTOREN | |
Michael Bartsch | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |