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# taz.de -- Konzert "The Melvins": Jetzt mit noch mehr PS
> Langsame Rockmusik, ohne Allüren und gleichzeitig ihre Dekonstruktion:
> Die US-Band The Melvins bleibt sich beim Konzert in der Berliner
> Volksbühne treu.
Bild: Sänger der Melvins: King Buzzo.
BERLIN taz | Der britische Popstar Noel Gallagher hat mit der US-Rockband
Melvins eher wenig bis rein nichts zu tun. Aber eines ist bei ihm doch
ähnlich wie bei dem Frontmann der amerikanischen Band, der auf den Namen
King Buzzo hört: das eiserne Festhalten an einer bestimmten Art von Frisur.
Oasis sind längst am Ende, zwischen Noel Gallagher und seinem Bruder Liam
herrschen Kain-und-Abel-Verhältnisse, aber egal, wie sich die Dinge ändern:
die immer grauer werdende Beatles-Gedächtnisfrisur bleibt. Sie deutet
Konstanz an, auch in unsicheren Zeiten.
Genauso beim Melvins-Gitarristen King Buzzo, wobei es hier schwer ist,
dessen voluminöses Haardings, das aussieht wie ein groteskes Toupet aus
einer britischen Comedyshow, überhaupt Frisur zu nennen. Die Melvins
jedenfalls haben sich in den letzten Jahren, ja Jahrzehnten, immer wieder
neu erfunden. Sie haben mit einer Punklegende wie Jello Biafra genauso
zusammengearbeitet wie mit einer italienischen Hardcore-Jazz-Combo namens
Zu. Und seit einiger Zeit beschäftigen sie sogar zwei Schlagzeuger anstatt
des handelsüblichen einen.
Aber der auch schon stark ergraute Drahthaarhelm von King Buzzo wuchert
mächtiger denn je. King Buzzos Afro ist so unkategorisierbar wie die Musik
seiner Band. Der Melvins-Auftritt in der Berliner Volksbühne hat mal wieder
belegt, welche Sonderstellung seine Band immer noch einnimmt, und dass sie
nun auch schon bald 30 Jahre ihr Zeitlupen-Rockding durchzieht, aber dabei
noch kein Stück verbraucht klingt.
Das Faszinierende an den Melvins ist ja vor allem ihr
Einerseits-Andererseits. Einerseits steht sie für extreme Avantgarde, für
die Dekonstruktion sämtlicher Rockklischees- und posen. Die Melvins sind
eine Diedrich-Diederichsen-Band durch und durch. Anderserseits gibt es bei
ihnen auch die absolute Bejahung aller Rockismen, eine leidenschaftliche
Kiss-Verehrung etwa, und das Bestreben, einfach nur Rockmusik zu spielen,
ohne irgendwelche Allüren. Die Melvins spielen in der klassischen Besetzung
Gitarre, Schlagzeug und Bass, weil sie etwas anderes schließlich nicht
gelernt haben.
## Barrieren überspringen
Kein Mensch weiß, wie die Musik der Melvins überhaupt zu kategorisieren
ist. Grunge? Sludge? Metal? Alternative? Mit allem wurde bereits versucht,
den Sound der Band einzuzäunen, aber die Melvins haben bislang noch jede
Barriere übersprungen. Denn genau in dem Moment, in dem die Musik dann
tatsächlich mal nach Metal klingt, tut sie es auch schon nicht mehr.
Natürlich beherrscht King Buzzo bestimmte Metalriffs auf seiner Gitarre im
Schlaf und er geizte auch in der Volksbühne nicht mit diesen Riffs, doch
parallel dazu machten die beiden Drummer, die wie zwei Schweizer Uhrwerke
aufeinander abgestimmt waren, schon wieder ganz was anderes, keine
Blast-Beats, keine Grooves, sondern sie befreiten ihre Drums von ihren
dienenden Funktionen und verhöhnten die konventionellen Riffs mit ihren
perkussiven Blutgrätschen.
Es gab schon Phasen in der langen Geschichte der Melvins und es gab
Konzerte der Band, in denen der Drang, eine ganz besondere Rockband zu
sein, weit weniger spürbar war als zurzeit. Die Idee mit der
Schlagzeuger-Doppelung hat die Band in eine neue Dimension der Heavyness
katapultiert. Man bekommt das Gefühl, der Melvins-Motor habe jetzt einfach
noch mehr PS. Das Publikum hat sich gegen Ende des Konzerts komplett von
den Sitzen im Theatersaal erhoben, zu mächtig und natürlich auch zu laut
war der Sound, um dazu in plüschigen Sesseln zu verweilen. Ganz am Schluss
verwandelte Bassist Jared Warren das Rockkonzert mit Hilfe eines
elektronischen Effektgeräts noch in einen mantraartigen Space-Jam. Er
nutzte dabei wahrscheinlich einfach die Energie des vorangegangenen
Konzerts, um Kontakt mit den Göttern aufzunehmen. Dann war Schluss.
17 Oct 2011
## AUTOREN
Andreas Hartmann
## TAGS
Musik
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