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# taz.de -- Kommentar Forschungsfreiheit: Eine bittere Pille
> Egal, wie man zum Tierschutz steht - dass ernsthaft abgewogen wird, ob
> ein Vorhaben erträglich ist, so viel Forschungsregulierung muss einer
> Gesellschaft möglich sein.
Bild: Darüber freut sich die Uni Bremen: Andreas Kreiter darf weiterforschen.
Placebo: So nennt man Medikamente, die süß schmecken und auf Rezept
vergeben werden – aber komplett wirkungslos sind. Ihr therapeutischer
Nutzen besteht darin, PatientInnen den Eindruck zu vermitteln, sie würden
behandelt, obwohl die Medizin eigentlich gar keinen Rat weiß. Als
juristisches Placebo enttarnt worden ist nun der Artikel 20 a des
Grundgesetzes: Er erhebt den Schutz der Tiere zum Staatsziel – so ein
schönes Wort! Und in Bremen haben sie daraufhin sogar anerkannten
Tierschutzverbänden ein Klagerecht eingeräumt.
Der Fall des Bremer Hirnforschers Andreas Kreiter beweist nun: Das klingt
alles gefällig, es wirkt aber nicht. Dort, wo es interessant werden könnte,
im durchs Grundgesetz besonders geschützten Bereich der Forschung, bleibt
alles beim alten. Genau das besagt ja das Urteil des Bremer
Oberverwaltungsgerichts vom Dezember 2012: Bei allem Tuning zum Staatsziel
hatten die Richter nicht für nötig gehalten, zwischen den Rechtsgütern
Wissenschaftsfreiheit und Tierschutz abzuwägen. Konsequent hatte es deshalb
dem Fall auch keine grundsätzliche Bedeutung beigemessen. Und dieses Fehlen
einer grundsätzlichen Bedeutung bestätigt nun auch das
Bundesverwaltungsgericht: Zehn Jahre nach dem Eintrag ins Grundgesetz ist
alles wie zehn Jahre vor ihm.
Das ist bitter, und zwar ganz unabhängig davon, wie man den Fall Kreiter
bewertet oder für wie wichtig man Tierschutz hält: Dass ein Vorhaben
materiell geprüft wird, ernsthaft abgewägt, ob es erträglich ist: Diese Art
der Forschungsregulierung steht einer mündigen Gesellschaft zu. Sie wird
zur Notwendigkeit, wo die wirtschaftlichen Bedürfnisse Dritter und ihr Geld
mindestens so sehr wie das interesselose Wohlgefallen der Scientific
Community bestimmen, welche Felder sie beackert. Es geht nicht bloß um
Tierschutz: Es geht darum, ein Auseinanderdriften zu verhindern: das
Auseinanderdriften von Forschung – und der Gesellschaft, die sie trägt.
4 Feb 2014
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
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Katastrophe für Tierschützer: Freier Zugang zum Affenhirn
Die Forschung des Bremer Neurowissenschaftlers Andreas Kreiter am Großhirn
von Makaken ist nach einem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts zu
genehmigen.
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