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# taz.de -- Kolumne Klatsch: Auch du, mein Sohn Bruno?
> Für meinen Italiener um die Ecke leg ich die Hand ins Feuer. Obwohl er
> aus Süditalien stammt
Vor gut einem Jahr saß ich in einem Restaurant in der sizilianischen Stadt
Gela, neben mir der Bürgermeister und vor mir ein Herr im schwarzen Anzug,
Sonnenbrille auf der Nase und seine Pistole schaute aus dem offenen Jacket
heraus.
Vor der Türe wartete ein zweiter Waffenträger, um zu verhindern, dass der
Bürgermeister während des Mittagessen mit mir erschossen wird. Das wäre mir
auch sehr unangenehm gewesen, denn man weiß ja nie, ob so eine Kugel nicht
irgendwo abprallt und als Querschläger einen so unbeteiligten Esser wie
mich treffen würde.
Bürgermeister Rosario Crocetta hatte die Unverfrorenheit besessen,
öffentlich die Namen der Mafiafamilien seiner Stadt zu nennen und ihnen die
Bauaufträge durch seine Stadtverwaltung zu entziehen. Seither stand er Tag
und Nacht unter Polizeischutz. Man könnte zu Recht sagen, der Mann ist ja
wahnsinnig. Aber Crocetta hatte sich das gut und lange überlegt: Nur wenn
man endlich anfängt, die Dinge beim Namen zu nennen, sagte er, als er die
Spaghetti marinara auf die Gabel wickelte, kann man diese Seuche bekämpfen.
Der mutige Bürgermeister von Gela fand tatsächlich einige Gleichgesinnte,
und so trafen die "Steuereintreiber" der Mafia erstmals auf Geschäftsleute,
die ihnen die Türe wiesen, als sie ihr "pizzo" - das Schutzgeld -
verlangten. Einige dieser Aufrechten blieben sogar auch dann noch
standhaft, als nachts ihr Auto, ihr Boot oder ihre Pizzeria angezündet
wurden.
In Gela brennt fast jede Nacht ein Auto. Gela hat in etwa so viele
Einwohner wie Bamberg. Man stelle sich vor, jede Nacht würde in Bamberg ein
Auto abgefackelt. Nach zwei Wochen würde die Bundeswehr einmarschieren, und
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble würde persönlich jede Nacht Wache
schieben.
Soweit ich weiß, lebt Rosario Crocetta noch immer. Das ist ein kleines
Wunder. Ein gescheitertes Bombenattentat konnte rechtzeitig aufgedeckt
werden. Aber so wie ich es einschätze, wird der Bürgermeister nicht in
einem Pflegeheim seinen letzten Atemzug aushauchen. Wahrscheinlicher ist
hingegen, dass die Einwohner von Gela ihren Bürgermeister wieder abwählen.
Denn erst durch ihn ist der Ort in ganz Italien ins Gerede gekommen. Früher
gab es die Mafia auch, nur redete niemand darüber. Da lebte es sich für
alle viel gemütlicher. Man redete nicht, man schwieg.
Am liebsten reden die Deutschen über die Mafia. Und am liebsten mit ihrem
italienischen Pizzabäcker um die Ecke. "Na, Salvatore, alter Mafioso, was
gibt es denn heute zu Essen?" Salvatore lacht dann sein geschäftstüchtiges
Lachen und zählt die Nudelsoßen auf. Die Deutschitaliener haben gelernt,
dass man hierzulande die Mafia zum Witzeerzählen benötigt und es keinerlei
Gefahr bedeutet, den Stammgästen gegenüber zu behaupten: "Bin ich
gefährlicher Mafioso und habe gemackt Spaghetti bissele extra scharf."
In San Luca in Kalabrien würde niemand einen solchen Satz über die Lippen
bringen. Das wäre nicht lustig.
"Da Bruno" hieß das Restaurant in Duisburg. Mein italienischer
Lieblingswirt in Tübingen heißt auch Bruno. "Ich gehe zu Bruno", sagte ich
früher und sage es jetzt mit einem etwas anderen Tonfall. Ich habe Bruno
tatsächlich vor längerer Zeit einmal gefragt, ob er denn auch Schutzgeld
bezahlen müsse. Er hat mich mitleidig angesehen. Es war ein Blick, der
nicht ganz klarmachte, ob er meinte: "Du Idiot, jetzt kennst du mich schon
so lange und kannst dir so etwas tatsächlich immer noch vorstellen." Oder:
"Und wenn schon, dann würde ich es dir gerade jetzt erzählen."
Die Württembergische Weingärtnergenossenschaften lassen gerade einen
lustigen Werbesport im Radio laufen: "Hast du es erledigt, mein Sohn?",
fragt da die tiefe Stimme eines Paten den offensichtlichen Auftragskiller.
Die Antwort lautet sinngemäß: "Ja, ich habe Spaghetti und einen Lemberger
aufgetischt."
Willkommen in der Familie.
Fragen zu Bruno? [1][[email protected]]
17 Aug 2007
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## AUTOREN
Philipp Mausshardt
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