# taz.de -- Kolumne CannesCannes: Das alles ist wahr | |
> Francis Ford Coppola zeigt in Cannes sein neues Werk "Tetro", eine | |
> schmerzensreiche Familiengeschichte. | |
Bild: Der Altmeister stellt sich zum Zwecke der Werbung für seinen jüngsten F… | |
Zum Abschied ein Coup: In diesem Jahr leitet Olivier Père die Nebenreihe | |
"Quinzaine des Réalisateurs" zum letzten Mal. Seine Nachfolge, das ist seit | |
zwei Wochen bekannt, wird sein bisheriger Mitarbeiter Frédéric Boyer | |
antreten; Père selbst wird künstlerischer Leiter des Filmfestivals von | |
Locarno. | |
Und was präsentiert er am Donnerstagvormittag als Weltpremiere im Théâtre | |
Croisette, dem in Meeresnähe im zweiten Kellergeschoss gelegenen Saal, in | |
dem es immer ein bisschen müffelt? Nichts Geringeres als den jüngsten Film | |
von Francis Ford Coppola, "Tetro". | |
Coppola hatte sich rar gemacht. Vor zwei Jahren hat er zum ersten Mal nach | |
langer Pause einen Film vorgestellt, "Youth without Youth", eine ziemlich | |
erratische Unternehmung mit weit sich spannenden Zeitbögen, vielen | |
Schauplätzen und einem internationalen Ensemble. Für "Tetro" ist Coppola | |
nach Buenos Aires gereist, auch diesmal mit einer internationalen Crew, | |
Vincent Gallo, Klaus Maria Brandauer, Carmen Maura und Maribel Verdu | |
spielen in dem Film mit. Das Drehbuch hat Coppola selbst verfasst, | |
enstanden ist dabei ein ähnlich erratischer Film wie "Youth without Youth" | |
(was Pères Coup dann doch ein wenig schmälert). | |
Ein Sohn, Tetro (Gallo), flieht seinen übermächtigen Vater, den in New York | |
lebenden Dirigenten Carlo Tetrocini (Brandauer). Sein jüngerer Bruder | |
Bennie (Alden Ehrenreich) besucht ihn in Buenos Aires. Dieser Besuch ist, | |
wenig überraschend, Anlass dafür, dass tiefsitzende Verletzungen und halb | |
verdrängte Erinnerungen zutage treten. | |
Coppola inszeniert eine schmerzensreiche Familiengeschichte, in der sich | |
vieles auf fatale Weise zu wiederholen scheint - etwa die Rivalität | |
zwischen den Brüdern, die schon das Verhältnis von Carlo Tetrocini zu | |
seinem Bruder prägte. "Ich habe mich von meiner Familie geschieden", | |
herrscht Tetro Bennie in einer Szene an. Der Film will das Gegenteil | |
beweisen: Familienbande kappt man nicht, ohne daran zugrunde zu gehen. | |
Gedreht ist "Tetro" in kontrastreichem Schwarzweiß, die Rückblenden sind in | |
Farbe gehalten, wie in einem postmodernen Roman doppeln sich die Motive. | |
Unablässig spiegelt sich die Vergangenheit in der Gegenwart, was zwischen | |
den Figuren geschieht, findet in Ausschnitten aus Theaterinszenierungen, | |
die "Tetro" sich einverleibt, ein Echo. | |
Das Spiegelmotiv wird anfangs mit Macht etabliert. Tetros Frau Miranda | |
(Verdu) sitzt mit Bennie auf dem Sofa, der ist außerdem in einem | |
mannsgroßen Spiegel zu sehen. Das Manuskript, in dem Tetro seine | |
Familiengeschichte aufzeichnet, ist in Spiegelschrift geschrieben. Um | |
dieses macht "Tetro" viel Aufhebens, was überrascht, weil literarischer | |
Text und persönliche Erfahrung des Autors umstandslos in eins gesetzt | |
werden. | |
Nach der Vorführung kommt Coppola, dessen Vater Dirigent und Filmkomponist | |
war, auf die Bühne. "Nichts in dieser Geschichte hat sich zugetragen", sagt | |
er, "aber alles ist wahr." | |
15 May 2009 | |
## AUTOREN | |
Cristina Nord | |
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