| # taz.de -- „Keine grüne Spinnereien“ | |
| > Beim Landesparteitag wird klar: Die CDU sieht die Linkspartei als | |
| > schärfsten Gegner fürs Rote Rathaus. Grüne werden abgewatscht | |
| Von Stefan Alberti | |
| Offiziell ist es nur die Wahl zum Landesvorsitzenden. Aber so, wie | |
| Regierungschef Kai Wegner beim CDU-Landesparteitag gegen Linkspartei und | |
| Grüne austeilt, ist klar: Da eröffnet einer genau 365 Tage vor der | |
| Abgeordnetenhauswahl den Wahlkampf. Wegner hat lobende Worte für die SPD, | |
| genauer: für jene, mit denen er in der Koalition gut zusammenarbeitet, | |
| harte Vorwürfe gegen die Linkspartei und einen persönlichen Angriff gegen | |
| den designierten Grünen-Spitzenkandidaten zu bieten. Ihn selbst wird die | |
| CDU erst im kommenden Jahr zum Spitzenkandidaten machen – SPD, Grüne und | |
| Linke wollen das mit ihren Leuten bereits im November erledigen. | |
| Für den 20. September 2026 ist die Berlin-Wahl angesetzt, und bisherige | |
| Umfragen und Meinungsbilder legen nahe, dass am Wahlabend nicht sicher | |
| geklärt sein wird, wer Berlin danach regiert. Wegners CDU liegt zwar mit 25 | |
| Prozent weit vor ihrem derzeitigen Koalitionspartner SPD und den | |
| Oppositionsparteien. Für eine Zweierkoalition sieht es allerdings eng aus, | |
| und SPD und Grüne betonen gerne, dass ihnen ein linkes Bündnis eigentlich | |
| näher läge. Auch sie machen aber deutlich, dass sie das von der künftigen | |
| Entwicklung der Linkspartei abhängig machen wollen. | |
| Deren Mitgliederzahl hat sich seit Oktober 2024 gut verdoppelt. Führende | |
| Figuren der vergangenen anderthalb Jahrzehnte hingegen haben die Partei aus | |
| Protest gegen deren Umgang mit Antisemitismus verlassen. In der jüngsten | |
| klassischen Meinungsumfrage Mitte Juni lag die Partei bei 19 Prozent, | |
| Grünen und SPD kamen nur auf 15 bzw. 14 Prozent. Traditionell stellt die | |
| stärkste Partei einer Koalition den Chef oder die Chefin im Roten Rathaus. | |
| Daran angelehnt macht Wegner am Samstag in seiner Rede die Linkspartei als | |
| schärfsten Gegner aus und warnt vor ihrem Einzug in die Regierungszentrale. | |
| Sie treibe „das Spiel der Antisemiten“, sagt er – und fordert SPD und Gr�… | |
| indirekt auf, sich von ihr zu distanzieren: „Mit so einer antisemitischen | |
| und polizeifeindlichen Partei darf eigentlich niemand zusammenarbeiten.“ | |
| Bei seiner Wiederwahl als Landesvorsitzender muss Wegner dann ein leicht | |
| schlechteres Ergebnis als bei seiner jüngsten Wahl 2023 hinnehmen. Nur rund | |
| 90 Prozent von 287 Delegiertenstimmen entfallen auf ihn, vor zwei Jahren | |
| waren es noch rund 95 Prozent. Regelrecht abgestraft wird seine | |
| Generalsekretärin Ottilie Klein mit nur 61 Prozent. Zum Vergleich: Schon | |
| fast als Desaster galt es, als SPD-Bundeschef Lars Klingbeil bei seiner | |
| Wiederwahl Ende Juni nur 64,9 Prozent erhielt. | |
| Das sei kein berauschendes Ergebnis, aber zu Regierungszeiten | |
| Generalsekretärin einer Partei zu sein, sei auch nicht leicht, sagt Wegner | |
| dazu eine Stunde später vor Journalisten. Er selbst war allerdings von 2011 | |
| bis 2016 Generalsekretär mit weit besseren Ergebnissen, als die CDU | |
| durchaus mitregierte. | |
| Wegner fordert in seiner Rede eine Reform beim Vergabegesetz, will auch | |
| eine weitere Änderungen beim Versammlungsgesetz, um Demonstrationen | |
| verhindern zu können, bei denen Hass, Hetze und antisemitische Parolen | |
| verbreitet würden. Beim Thema fehlende Wohnungen kündigt er besseren | |
| Mieterschutz an, setzt aber weiter vorwiegend auf Neubau – und das auch auf | |
| dem ehemaligen Tempelhofer Flughafengelände: „Für mich bleibt klar, dass | |
| wir am Tempelhofer Feld eine Randbebauung realisieren müssen.“ | |
| Enteignungen kommen für ihn weiterhin nicht in Frage. Ja, es gebe das im | |
| Koalitionsvertrag mit der SPD vereinbahrte Vergesellschaftungsrahmengesetz, | |
| doch das sei bloß „ein Rahmen, nicht mehr und nicht weniger“. Gegen | |
| Enteignungen hatte sich jüngst auch der designierte SPD-Spitzenkandidat | |
| Steffen Krach ausgesprochen. | |
| Überhaupt geht Wegner regelrecht nett mit seinem Koalitionspartner um, lobt | |
| etwa SPD-Bausenator Christian Gaebler und verteidigt ihn gegen Kritik an | |
| der Baupolitik des Senats auch aus der SPD – er mache „einen guten Job“. | |
| Ein Schulterklopfen gibt es auch für SPD-Fraktionschef Raed Saleh, weil der | |
| verlässlich Absprachen einhalte. | |
| Dahinter steht offenbar, dass Wegner nicht daran glaubt, dass der aus | |
| Hannover nach Berlin zurückkehrende Krach trotz aller Verdienste als | |
| früherer Wissenschaftsstaatssekretär im Wahlkampf durchstarten könnte. | |
| Generalsekretärin Klein teilt zwar gegen „Hannoveraner Krachmacher“ aus. | |
| Doch von Wegner ist das nicht zu hören, er hält es merklich nicht für | |
| nötig. | |
| Persönliche Kritik übt der alte und neue Parteichef nur an einer Stelle – | |
| und das durchaus überraschend. Ziel ist nämlich Werner Graf, | |
| Grünen-Fraktionschef und wie Krach designierter Spitzenkandidat. Von ihm | |
| und Wegner hieß es bisher, dass sie ein gutes persönliches Verhältnis | |
| hätten, gelegentlich war sogar von Freundschaft die Rede. Dass Wegner die | |
| Grünen nun allgemein als „Verbotspartei“ brandmarkt, ist nicht neu. Doch | |
| dann sagt er über Graf: „Die Grünen wollen alles verbieten, aber der | |
| Spitzenkandidat will Heroin und Kokain freigeben. Da fragt man sich doch, | |
| ob der alle Latten am Zaun hat.“ | |
| Eine weitere kleine Überraschung bildet, dass Wegner sich für die Anliegen | |
| des Baum-Volksbegehrens ausspricht und ankündigt, auf die Initiatoren | |
| zuzugehen und ein gemeinsames Vorgehen abzusprechen. Das könnte bedeuten, | |
| dass es keinen Volksentscheid geben müsste und das Gesetz der Initiative | |
| oder eine angepasste Version davon im Abgeordnetenhaus beschlossen würden. | |
| Kurz vorher noch hat Wegner allerdings in seiner Rede Kritik an | |
| eingeschränktem Umweltschutz bei schnellerem Bauen abgewatscht: „Wir | |
| wollen, dass etwas funktioniert und nicht grüne Spinnereien.“ | |
| 22 Sep 2025 | |
| ## AUTOREN | |
| Stefan Alberti | |
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