Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Justiz in Frankreich: Richter demonstrieren gegen Sarkozy
> Präsident Nicolas Sarkozy macht den Justizapparat für den Mord an der
> 18-jährigen Laetitia mitverantwortlich. Darauf folgt eine nie dagewesene
> Protestbewegung.
Bild: "Greif meinen unabhängigen Richter nicht an." Die französische Justiz i…
PARIS taz | Alle kennen in Frankreich das fröhliche, noch kindliche Gesicht
der 18-jährigen Laetitia. Ihr schreckliches Schicksal hat ganz Frankreich
aufgewühlt. Sie wurde am 18. Januar bei Pornic an der französischen
Atlantikküste entführt. Am 1. Februar fanden Polizeitaucher dann ihre
zerstückelte Leiche in einem Teich. Sie ist laut Gerichtsmedizin erdrosselt
worden.
Für die Angehörigen des Opfers ist es besonders empörend, dass der
mutmaßliche Täter, der 31-jährige Tony M., ein langes Vorstrafenregister
hat und gerade erst nach Verbüßung seiner gesamten Haftstrafe auf freien
Fuß gesetzt worden war. Für viele stand sogleich fest, dass es sich bei ihm
um einen rückfälligen Wiederholungstäter handelte, den man nie auf die
Gesellschaft hätte loslassen dürfen.
Dafür sollen Köpfe rollen, forderte nun auch Nicolas Sarkozy, der einst als
Innenminister und danach als Präsident als Vertreter eines unerbittlich
harten Durchgreifens gegen Wiederholungstäter aufgetreten war und mehrere
Gesetzesrevisionen durchgesetzt hatte.
Vor Kameras sprach der Staatspräsident beim Besuch eines
Polizeikommissariats mit strenger Miene von begangenen "Fehlern" und
forderte "Sanktionen" für die Verantwortlichen: "Jene, die gewähren ließen
oder das gedeckt haben, werden bestraft!" Er zeigt so, ohne Namen zu
nennen, mit dem Finger pauschal auf die Haftrichter, die
Staatsanwaltschaft, Polizisten und Bewährungshelfer. Diese aber sind
äußerst empört darüber, in dieser Weise vom Präsidenten vor der
Volksmeinung zu Sündenböcken oder gar unfreiwilligen Helfershelfern eines
abscheulichen Verbrechens gemacht zu werden.
Tiefe Empörung
Mehrfach und eindringlich hatten die zuständigen Behörden von Nantes das
Justizministerium auf den gravierenden Personalmangel hingewiesen, der ein
einigermaßen normales Funktionieren und namentlich die Kontrolle der
Wiedereingliederung von ehemaligen Straftätern illusorisch mache.
Tony M. stand zudem, entgegen ersten Vermutungen, nie auf einer Liste
gefährlicher Sexualverbrecher. Er galt zwar als gewalttätig und war zuletzt
wegen der Vergewaltigung eines Mithäftlings verurteilt worden, zuvor aber
vor allem wegen Diebstählen und nicht wegen Sexualdelikten.
Als Sprecher des spontanen Unmuts, der sich sofort auf andere
Gerichtsstände ausgebreitet hat, verurteilte der Vizestaatsanwalt von
Bayonne, Olivier Janson, die "Instrumentalisierung von Emotionen und die
politische Ausnutzung eines besonders abscheulichen Falls" durch den
Staatschef als unzulässig und unverantwortlich. In dieser Affäre wolle
dieser ausgerechnet jene angreifen, die ihn vor solch unheilvollen Folgen
einer notorischen Überlastung gewarnt hätten. In den Prokopfausgaben für
die Justiz liegt Frankreich an 37. Stelle.
Es ist das erste Mal, dass sich Sarkozy aus politischen Motiven mit der
Justiz anlegt. Der Untersuchungsrichter Marc Trévidic nannte ihn wegen
seiner wiederholten Angriffe auf die Richter einen "notorischen
Wiederholungstäter".
Präsident Sarkozy wollte unter dem Eindruck des Falls Laetitia eine
Verschärfung der Strafen für rückfällige Verbrecher verlangen, verzichtete
aber darauf, weil eine entsprechende Gesetzesrevision erst 2010
verabschiedet, aber einfach noch nicht in Kraft getreten ist.
9 Feb 2011
## AUTOREN
Rudolf Balmer
## ARTIKEL ZUM THEMA
Empörung in Frankreich: Heimaturlaub für die Minister
Staatspräsident Sarkozy gibt sich empört über Minister, die auf Kosten
ausländischer Staatschefs Urlaub machen. Aber ganz unschuldig an dieser
Praxis ist er nicht.
Sarkozy und die Finanzmärkte: Ehrgeizige Pläne
Als Vorsitzender der G-8 und der G-20 fordert Frankreichs Staatspräsident
Nicolas Sarkozy eine Transaktionssteuer. Die findet nicht nur Freunde.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.