# taz.de -- Jonathan-Franzen-Portrait auf Arte: Einblicke in die Schreibwerksta… | |
> Ornithologe, Frühaufsteher und Literaturstar – Arte zeigt „Fünf Tage mit | |
> Jonathan Franzen“ und kommt dem US-Großschriftsteller dabei sehr nahe. | |
Bild: Jonathan Franzen im kalifornischen Butterbread Spring bei seiner großen … | |
Irgendwo wirkt das sogar entspannt. Einen dringenden Anlass für dieses | |
Filmporträt über den Literaturstar Jonathan Franzen gibt es jedenfalls gar | |
nicht. Der Erscheinungstag seines letzten großen Romans „Freiheit“ ist ein | |
bisschen her, im September 2010 war das. Und der Erscheinungstermin seines | |
nächsten Buches ist noch ein bisschen hin. Im Januar 2013 werden Essays von | |
ihm auf Deutsch erscheinen. Aber die spielen in dem Film sowieso keine | |
Rolle. | |
Die Filmemacherin Marion Kollbach hat Franzen während einer Lesereise zum | |
Start der amerikanischen Taschenbuchausgabe von „Freiheit“ begleitet. Viel | |
Gelegenheit also, ihm einmal ganz gelassen zu begegnen, jenseits des | |
unvermeidlichen Werberummels rund um einen neuen Roman. | |
Die schönen Momente – gehässiger: die Trophäen – so eines Porträts best… | |
in Situationen der beiläufigen Nähe, in denen der Porträtierte ganz bei | |
sich zu sein scheint, trotz laufender Kamera. Und tatsächlich gibt es | |
solche Augenblicke. Etwas zu absehbar fängt der Film beim Vogelbeobachten | |
an – dass Franzen ein leidenschaftlicher Ornithologe ist, gehört zum | |
Klischeewissen rund um den seit „Korrekturen“ populärsten | |
US-Großschriftsteller der mittleren Generation. | |
Aber im zweiten Teil des Porträts fahren wir als Zuschauer – es ist vier | |
Uhr morgens, Ornithologen sind Frühaufsteher – noch einmal mit ihm in die | |
kalifornische Wüste, und da ist es dann rührend zu sehen, wie er sich | |
inmitten dieses morgendlichen Piepens und Tschirpens mit dem Fernglas in | |
der Hand über Vögel freut. Hier wird auch der Beobachtungskünstler | |
plastisch, der für seine Romane Menschen so genau studiert wie in dieser | |
Situation Vögel. | |
## Zugezogene Vorhänge | |
Ein anderer Moment. Wenn er in der New Yorker Einzimmerwohnung, in der er | |
seine Bücher schreibt, seinen Laptop auspackt, ein billiges altes Modell, | |
und erklärt, dass er den Kabelzugang fürs Internet kurzerhand unbrauchbar | |
gemacht hat. „Sie neigen also auch dazu, sich ablenken zu lassen“, fragt | |
eine Stimme im Off. „Ja“, sagt Franzen. Schreiben ist für ihn eine hart | |
erkämpfte Konzentrationsleistung. Die Vorhänge in der Wohnung sind denn | |
auch mitten am Tag zugezogen, um die Außenwelt auszusperren. Das sind | |
schöne Einblicke in die Schreibwerkstatt. Solche Momente speichert man als | |
Zuschauer ab neben der Matratzengruft, die Proust zum Schreiben brauchte, | |
und neben die verfaulenden Äpfel, die Schiller animierten. | |
Auf der Distanzebene funktioniert der Film aber nicht so gut. Um die Rolle | |
Jonathan Franzens in der Literaturlandschaft zu umreißen, wäre es besser | |
gewesen, einen anderen Gesprächspartner als seinen langjährigen Freund | |
Jeffrey Eugenides zu finden. Dass Franzen mit seinem in manchem | |
konservativen Literaturansatz auch umstritten ist, hätte einem etwa die | |
Autorin Jennifer Egan erzählen können. Die Pulitzerpreisträgerin des Jahres | |
2011 kann interessant gegen Franzen sticheln und so dem Franzen-Bild | |
härtere Konturen verleihen. | |
## Selbstbewusst wirkende Schüchternheit | |
Und selbstverständlich gibt es Literaturkritiker, die Franzens große Themen | |
– Familie, Beziehungen, Selbstverständniskrisen der Mittelklasse – | |
aufmerksamer analysieren können, als es hier mit seiner New Yorker Agentin | |
und seinem deutschen Verleger geschieht. Was sollen die außer Bewunderung | |
schon sagen? Verleger Alexander Fest gibt immerhin pointierte Schilderungen | |
von Franzens merkwürdig selbstbewusst wirkender Schüchternheit. | |
Ein Film für Fans, denen es reicht, dem Autor nah zu sein. Als solcher ist | |
er nicht schlecht. Aber Maßstäbe für eine differenzierte | |
Literaturberichterstattung liefert er nicht. Was schade ist, wenn man sich | |
das Wir-reden-mit-Autoren-Geklingel anguckt, das im Fernsehen mittlerweile | |
die Literaturkritik ersetzt hat. | |
## „Fünf Tage mit Jonathan Franzen“, Mittwoch, 6. Juni, Arte 22.10 Uhr | |
6 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Dirk Knipphals | |
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