# taz.de -- Italiens radikale Linke: Vor Abschluss der Selbstzerfleischung | |
> In der Rifondazione Comunista werfen sich die Vertreter der reinen Lehre | |
> und Reformwillige gegenseitig "Stalinismus" vor. Die Spaltung der letzten | |
> großen KP Westeuropas steht bevor. | |
Bild: Da war die Straße noch rot: Kommunistische Demo für die 35-Stunden-Woche | |
ROM taz Italiens stärkste radikal linke Partei, Rifondazione Comunista, | |
steht unmittelbar vor der Spaltung. Auf der Vorstandssitzung am Montag | |
Abend erklärten die Vertreter des Minderheitsflügels, der jedoch fast die | |
Hälfte der Mitglieder hinter sich hat, den Rückzug aus allen Parteigremien. | |
Der Niedergang der „antagonistischen Linken“ in Italien – bis vor wenigen | |
Jahren wegen ihrer Stärke bewundertes Vorbild in ganz Europa – setzt sich | |
damit scheinbar unaufhaltsam fort. Noch vor zwei Jahren bildeten | |
Rifondazione Comunista im Verein mit den „Comunisti Italiani“ und den | |
Grünen den Linksaußenflügel der Koalition unter Ministerpräsident Prodi, | |
kamen die drei Parteien auf 10% (alleine Rifondazione konnte stabil auf | |
etwa 6% zählen), stellte Rifondazione mit Paolo Ferrero den Sozialminister | |
und mit ihrem Star Fausto Bertinotti sogar den Präsidenten des | |
Abgeordnetenhauses. | |
Entstanden war Rifondazione im Jahr 1991: Als nach dem Fall der Berliner | |
Mauer die glorreiche KPI den Abschied vom Kommunismus und die Umgründung | |
zur Partei der Linksdemokraten beschloss, versammelten sich in der | |
Abspaltung der Rifondazione Comunista diejenigen, die die Wende nicht | |
mittragen mochten. 1994 schließlich wählte die Partei Fausto Bertinotti zum | |
Vorsitzenden, einen Ex-Gewerkschafter, der Gregor Gysi bei der | |
Talkshow-Tauglichkeit locker das Wasser reichen kann. | |
Seither arbeitet sich die Partei – über Jahre mit Erfolg – am schwierigen | |
Verhältnis zur gemäßigten Linken des Landes ab: Im Spagat zwischen | |
Koalitionsfähigkeit und politischem Realismus einerseits und dem Anspruch | |
auf Vertretung „antagonistischer Instanzen“ andererseits half sie Romano | |
Prodi 1996 per „externer Unterstützung“ ins Amt des Ministerpräsidenten, … | |
ihm dann 1998 die Unterstützung zu entziehen. 2006 war Rifondazione dann | |
wieder auf Seiten Prodis – und wurde diesmal, anders als 1996, sogar | |
Regierungspartei. | |
Auf europäischer Ebene galt die geschickt agierende Partei als Vorbild; | |
Fausto Bertinotti wurde denn auch 1999 zum Chef des damals gegründeten | |
Parteienverbundes der „Europäischen Linken“ – aus Deutschland war die PDS | |
und ist heute die „Linke“ dabei – gewählt. | |
Doch in den Regierungsjahren 2006-2008 zahlte die Partei einen hohen Preis | |
für ihre Politik des Spagates. Der eine Teil ihrer Anhänger fand ihre | |
Politik zu brav und gemäßigt, der andere dagegen machte den | |
koalitionsinternen Konfliktkurs gegenüber Ministerpräsident Prodi für die | |
politischen Schwierigkeiten der Regierung verantwortlich. Kalt erwischt | |
wurde Rifondazione dann von der Aufkündigung des Koalitionsbündnisses durch | |
die – aus dem Zusammenschluss von Linksdemokraten und der Mittepartei | |
„Margherita“ entstandene – neue „Demokratische Partei. Das italienische | |
Wahlrecht mit seinen Sperrklauseln zwang so die kleinen radikal linken | |
Parteien zu den Neuwahlen im April 2008 in ein Listenbündnis, die | |
„Regenbogenlinke“ – ein Bündnis, das keiner gewollt hatte und das keine | |
politischen Perspektiven zu formulieren verstand. Am Ende stand ein | |
Debakel: 3,3% für den „Regenbogen“ und die Verbannung der Kommunisten aus | |
dem Parlament. | |
Statt nun durchzustarten, zog es die Partei vor, sich selbst zu | |
zerfleischen. Der frühere Sozialminister Paolo Ferrero gab die Losung | |
„zurück zu klarer kommunistischer Identität“ aus – und gewann damit | |
hauchdünn auf dem Parteitag im Juli 2008. Sein Gegenspieler Nichi Vendola | |
dagegen, politischer Ziehsohn Fausto Bertinottis, will eine neue | |
Linkspartei schaffen, zusammen mit Grünen und den Linkssozialisten der | |
„Demokratischen Linken“. Er erzielte bei den Urwahlen unter den Mitgliedern | |
fast 48%. | |
Als nun die Parteiführung den Chefredakteur der Parteizeitung – einen | |
Vendola nehestehenden Journalisten – ablöste, kam es zum endgültigen Bruch; | |
auf der Vorstandssitzung warfen die Flügel einander gegenseitig | |
„Stalinismus“ vor. Die Mehrheit wird die kommunistische Identität | |
hochhalten, die Minderheit ruft zur Gründung einer neuen politischen Kraft | |
auf – und Italiens radikale Linke ist noch ein Stück mehr zerrüttet. | |
13 Jan 2009 | |
## AUTOREN | |
Michael Braun | |
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