# taz.de -- Herero: Steine des Anstoßes | |
> In Bremen wurde ein Mahnmal für die Opfer des Völkermords in Namibia | |
> eingeweiht. Es soll Teil der Versöhnung und Wiedergutmachung sein. Doch | |
> von namibischen Opfergruppen kommt scharfe Kritik. | |
Bild: Objekt des Streits: Das namibische Genozidkomitee fordert Reparationszahl… | |
"We shall overcome" singt der Zion Community Choir beim Bremer Elefanten, | |
dem zehn Meter hohen Antikolonialdenkmal im Stadtteil Schwachhausen. Später | |
legen der Bremer Umwelt- und Bausenator Reinhard Loske (Grüne) und der | |
namibische Generaldirektor der nationalen Planungskommission, Peter | |
Katjavivi, weiße Rosen nebenan, auf dem erdigen Boden des Herero-Mahnmals | |
ab, einem aus Steinen geformten Kreis. Sie stammen vom Waterberg in | |
Namibia. | |
Das Mahnmal für die Opfer der deutschen Kolonialherrschaft wurde am | |
Dienstag eingeweiht und soll an den Völkermord in Namibia erinnern. "Bremen | |
hat gegenüber Namibia eine besondere Verantwortung", sagt Loske. Das | |
Monument sei ein Versuch, dieser Verantwortung gerecht zu werden. | |
Doch schon vor der Einweihung hatte ein Vertreter des namibischen | |
Ovaherero-Genozidkomitees das Mahnmal stark kritisiert. Die Opfergruppen | |
seien nicht in die Errichtung des Mahnmals einbezogen worden, "deutsche | |
Sympathisanten und Gutmenschen sollten aufhören, Dinge für anstatt mit uns | |
zu tun", zitiert die namibische Allgemeine Zeitung den Komitee-Vorsitzenden | |
Utjiua Muinjangue. Monumente könnten für ihn keine Reparationen ersetzen, | |
heißt es weiter. Der Gestalter des Mahnmals und Vorsitzender des Bremer | |
Afrika-Archivs, Thomas Gatter weist die Vorwürfe zurück: "Die Gestaltung | |
des Mahnmals wurde im Voraus mit dem Genozidkomitee abgestimmt." | |
Die Geschichte der Kolonie Deutsch-Südwestafrika beginnt im 19. | |
Jahrhundert. 1883 erwirbt der Bremer Kaufmann Adolf Lüderitz Gebiete im | |
heutigen Namibia, das Deutsche Reich erklärt Südwestafrika zum deutschen | |
Schutzgebiet. Das Volk der Herero wehrt sich gegen die Kolonialherrschaft - | |
am 11. August 1904 befiehlt Lothar von Throtha, der Kommandeur der | |
deutschen Schutztruppe, die Herero ohne Ausnahme zu vernichten - bei der | |
Schlacht am Waterberg. Zwischen 1904 und 1908 werden über 75.000 Herero, | |
Nama und Damara ermordet. | |
Reparationszahlungen und individuelle Entschädigungen gab es dennoch nie. | |
Auch eine Entschuldigung von Seiten der deutschen Bundesregierung ließ ein | |
Jahrhundert auf sich warten. Anlässlich des 100. Jahrestags der | |
Niederschlagung des Herero-Aufstands entschuldigte sich die | |
Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, | |
Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD), für die von deutschen Soldaten begangenen | |
Massenmorde. Statt jedoch finanzielle Entschädigungen zu leisten, beschloss | |
die Bundesregierung, verstärkt in der Entwicklungshilfe mit Namibia | |
zusammenzuarbeiten. Die namibische Zeitung New Era beschreibt die | |
Wiedergutmachungsversuche als "hoodwinks" - Täuschungen -, wie man "jetzt | |
in Bremen wieder einmal sehen kann". | |
Das Mahnmal beim Bürgerpark geht auf ein Versprechen des Bremer | |
Ex-Bürgermeisters Henning Scherf zurück. Anlässlich einer | |
Versöhnungskonferenz im Jahr 2004 garantierte er den Opfergruppen Herero, | |
Nama und Damara die Errichtung eines Mahnmals. | |
Fünf Jahre dauerte es bis zur Fertigstellung des Monuments. Das | |
Ovaherero-Genozidkomitee kritisiert, dass keine der Opfergruppen zur | |
Einweihung des Mahnmals eingeladen worden sei. "Wir haben die namibischen | |
Regierung entscheiden lassen, wer kommen soll", äußert sich Gatter zu dem | |
Vorwurf. Katjavivi, "auf den die Wahl letztlich fiel, ist ein Mann, der | |
sowohl die Herero, als auch die Regierung Namibias vertreten kann". | |
Katjavivi ist selbst Herero. | |
"Das Monument sollte von vielen Namibiern geschätzt werden", sagt | |
Katjavivi. Es sei ein angemessenes Mahnmal. "Doch auch Kritikern stehe es | |
zu, ihre Meinung zu äußern und ihre Forderungen auszusprechen." | |
Der Medienkünstler Michael Weisser ist Vorstandsmitglied des Vereins "Der | |
Elefant!". Der Verein möchte sich für Vielfalt, Kreativität und Toleranz | |
einsetzen und den Elefanten, 1932 als Reichskolonialdenkmal errichtet und | |
1989 zum Anti-Kolonial-Denkmal umgewidmet, kulturell nutzen. Am Dienstag | |
eröffnete Weisser eine Ausstellung über den deutschen Kolonialismus in | |
Namibia in der Krypta des Backsteinmonuments direkt neben dem neuen | |
Mahnmal. | |
"Eine Geschlossenheit der Opfergruppen gibt es nicht", sagt Weisser. Die | |
Herero seien untereinander zerstritten. Dem Genozidkomitee, das die Kritik | |
am Mahnmal äußere, gehe es "nur ums Geld". Alles was sie wollen seien | |
Reparationszahlungen. "Das soll jedoch nicht heißen", relativiert er, "dass | |
wir die Schuld ablegen wollen". | |
Gatter, der Gestalter des Mahnmals, sagt in seiner Rede, dass "viele | |
Leichen für Untersuchungen nach Deutschland geschafft wurden, um zu | |
beweisen, dass die Deutschen Übermenschen seien". Deshalb könne er die | |
Ungeduld der Opfergruppen verstehen, denn die Überreste der Toten lagern | |
bis heute in diversen Forschungseinrichtungen. Bei der Einweihungszeremonie | |
des Mahnmals rief Gatter seine Forderung deshalb laut ins Mikrofon: "Bringt | |
diese Überreste zurück nach Namibia, denn da gehören sie hin!" | |
12 Aug 2009 | |
## AUTOREN | |
Gesa Koch-Weser | |
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Partizipation | |
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