# taz.de -- Grüner Landesparteitag in Berlin: Jamaika macht die Grünen kirre | |
> Es geht um grünes Wirtschaften - bis der Parteilinke Behrendt | |
> Fraktionschef Ratzmann attackiert. Er will eine Koalition mit CDU und FDP | |
> schon jetzt ausschließen. Der Vorstand möchte die Debatte erst 2011 | |
> führen. | |
Bild: So geht's natürlich auch: Ein paar Spots reichen ein grünes Rotes Ratha… | |
Eine heftige Auseinandersetzung über künftige Koalitionen hat den | |
Landesparteitag der Grünen begleitet. Zum Ende einer ausgiebigen Debatte | |
über den Leitantrag und grünes Wirtschaften attackierte der führende | |
Kreuzberger Parteilinke Dirk Behrend am Samstag Fraktionschef Volker | |
Ratzmann. Der thematisiere in den Medien eine Jamaika-Koalition nach der | |
Berlin-Wahl 2011, lehne aber intern eine Debatte ab. "So geht das nicht", | |
sagte Behrendt. Er will ein schwarz-gelb-grünes Bündnis schon jetzt | |
ausschließen. "Das wird nicht so abgehen wie in Hamburg oder im Saarland", | |
warnte er, "hier sind nicht nur zehn Prozent dagegen." | |
Vor den Türen des Versammlungsorts folgte eine heftige Debatte zwischen | |
Ratzmann und dem grünen Fraktionschef in der Bezirksverordnetenversammlung | |
von Friedrichshain-Kreuzberg, Daniel Wesener. Er stützte Behrendt und warf | |
Ratzmann vor, keine klare Linie zu haben. "Wer für alles offen ist, ist | |
nicht ganz dicht", sagte Wesener. | |
Ratzmann widersprach dem Vorwurf, Jamaika zu propagieren, und hielt Wesener | |
vor, seine Aussagen zu verdrehen: "Ihr seid im Hintergrund finstere | |
Brüder." Er habe sich eben nicht für Jamaika ausgesprochen, sondern es | |
abgelehnt, sich in politische Lager einzusortieren. In einem Beitrag im | |
Neuen Deutschland, auf den Behrendt sich bezog, hatte Ratzmann "ideologisch | |
verbrämtes Lagerdenken" kritisiert; gegenüber der taz hatte er die Grünen | |
in gleicher Distanz zu Rot-Rot und Schwarz-Gelb gesehen. | |
Schon vor Beginn des Parteitags hatte der Landesvorstand sich - | |
offensichtlich um eine größere Debatte zu vermeiden - auf eine unter | |
anderem von Wesener eingebrachte Änderung im Leitantrag "Grün bricht auf! | |
Für Berlin" eingelassen. Wo sich die Partei in der Ursprungsfassung als | |
"links-bürgerliche" einordnen sollte, ist jetzt von einer "Partei der | |
linken Mitte" die Rede. Hinzu kam der Einschub, man verfolge zwar einen | |
Kurs der Eigenständigkeit, in zentralen Fragen seien "die Differenzen zu | |
CDU und FDP jedoch deutlich größer als zu SPD und Linken". | |
Behrendt mochte gegenüber der taz zwar nicht das Zerreißen der Grünen | |
prophezeien, falls es zu Jamaika käme. "Wir würden aber in ganz schweres | |
Fahrwasser kommen", sagte er, "allein wegen Jamaika im Saarland hat es bei | |
uns Austritte gegeben." | |
Bis zu Behrendts Äußerung hatte der Parteitag die vom Landesvorstand | |
gewünschte Richtung genommen, sachlich inhaltliche Schwerpunkte Richtung | |
2011 zu diskutieren. Auf gute Resonanz war eine Rede des Präsidenten der | |
Industrie- und Handelskammer (IHK), Eric Schweitzer, gestoßen. Der schien | |
sich samt Gattin beim Parteitag durchaus wohlzufühlen: Er warb am Mikro für | |
eine Zusammenarbeit zwischen den lange verfeindeten Polen Wirtschaft und | |
Grüne; seine Frau Nicole strickte derweil in den Reihen der Delegierten an | |
einem grünen Schal. Schweitzers Leitmotiv: Alles ist im Fluss - "der beste | |
Rapper ist heute ein Weißer, der beste Golfer ein Farbiger". | |
Umweltpolitiker Michael Schäfer, Fraktionsvize im Abgeordnetenhaus, lobte | |
ihn als "wichtigen Bündnispartner für eine Klimaschutzpolitik". Klaren | |
Dissens gab es nur bei den Themen A 100 und Mindestlohn. | |
Dass Behrendt - als letzter von 22 Rednern zum Leitantrag - zwei Jahre vor | |
der Wahl die Koalitionsfrage anstieß, verdross Landeschefin Irmgard | |
Franke-Dressler, die die Debatte erst 2011 führen will. "Das geht gar | |
nicht", machte sie ihrem Ärger Luft, als sie zum Disput zwischen Ratzmann | |
und Wesener stieß. Die Parteilinken würden "Ausschließeritis" betreiben, | |
schloss sich die Abgeordnete Astrid Schneider an. | |
Interessanterweise vertrat der ebenfalls zu der Runde tretende linke | |
Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele eine leicht andere Position als | |
seine Kreuzberger Parteifreunde Behrendt und Wesener. Ströbele sagte zwar, | |
er habe "nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich gegen Jamaika im Saarland | |
bin", doch hält er es in Berlin für möglich, dass sich die CDU und ihr Chef | |
Frank Henkel bis 2011 noch verändern. Behrend schließt das aus: Henkel habe | |
jüngst den Erneuerungsprozess seiner Partei für abgeschlossenen erklärt. | |
23 Nov 2009 | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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