# taz.de -- Gefährliche Flussvertiefung: Elbe auf der Kippe | |
> Ein Forscher befürchtet, dass die Elbe durch eine weitere Vertiefung aus | |
> dem Lot geraten könnte. Die Dynamik werde in den Plänen berücksichtigt, | |
> behaupten Behörden. | |
Bild: In der Elbe könnte den Fischen bald die Luft zum Atmen fehlen. | |
HAMBURG taz | Eine erneute Elbvertiefung könnte einen Teufelskreis in Gang | |
setzten. Das legt ein [1][Gutachten] nahe, das der Delfter Wissenschaftler | |
Johan Winterwerp für niederländische und belgische Behörden erarbeitet hat. | |
Demnach könnte die Fahrrinnenanpassung einen sich selbst verstärkenden | |
Effekt auslösen, der die Elbe immer stärker trübt. Die Umweltverbände Nabu, | |
WWF und BUND befürchten, dass der Strom infolgedessen „kippen“ könnte: | |
Während des Sommers fänden die Fische keine Luft zum Atmen mehr. | |
„Wohin die Entwicklung eines Flusses führen kann, der zu stark vertieft | |
wird, ist an der Ems in erschreckendem Maße sichtbar geworden“, sagt | |
Beatrice Claus vom WWF. Die Ems sei über viele Monate im Jahr regelrecht | |
tot. Die Studie beschreibe „nichts weiter als bereits bekannte | |
Wirkungszusammenhänge“, behaupten dagegen die Hamburger Wirtschaftsbehörde | |
und die Wasser und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV). | |
Zurzeit ruht die Arbeit am Fahrrinnenausbau. Im Herbst hatten die | |
Umweltverbände beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig einen vorläufigen | |
Baustopp erwirkt. Die Verbände waren nach dem Urteil kritisiert worden, sie | |
gefährdeten den Wirtschaftsstandort Hamburg. Ihnen müssten öffentliche | |
Gelder gestrichen werden. | |
Winterwerp sollte klären, ob eine weitere Vertiefung und Verengung der | |
Schelde zu ähnlichen Verhältnissen führen könnte wie in der Loire oder der | |
Ems, die an der Masse ihrer Schwebstoffe ersticken. Dazu verglich er die | |
Wirkung vergangener Baggereien in Elbe, Loire, Ems und Schelde. | |
Der Forscher stellt fest, dass die Vertiefungen und Eindeichungen dazu | |
führten, dass bei Flut das Wasser kräftiger in die Elbe gedrückt wird, als | |
es bei Ebbe herausströmt. Die Folge ist, dass mit der Flut mehr Sediment | |
stromaufwärts gelangt, als mit der Ebbe herausgeschwemmt wird. Dieser | |
Effekt hat dazu beigetragen, dass sich die Baggergutmengen seit der | |
Elbvertiefung 1999 / 2000 vervielfacht haben. Die Hamburger Wasserbauer | |
haben selbst auf dieses „Tidal Pumping“ hingewiesen. | |
Nach den Erkenntnissen Winterwerps wird dieser Effekt umso stärker, je mehr | |
Schwebstoffe in der Elbe schwimmen. Diese sänken auf den Flussgrund, wo sie | |
eine Gleitschicht bildeten, die die Flut noch leichter und damit kräftiger | |
elbaufwärts strömen lasse – und mit ihr weiteres Sediment. „Die Analyse | |
lässt den Schluss zu, dass ein kritischer Punkt existiert, bei dessen | |
Überschreiten der Fluss mehr oder weniger in einen Zustand extremer Trübung | |
wechselt“, schreibt Winterwerp. | |
Bei den Planungen zur Elbvertiefung habe gerade die Sedimentdynamik eine | |
wichtige Rolle gespielt, wehren sich WSA und Wirtschaftsbehörde. „Das den | |
Fahrrinnenausbau begleitende intelligente Strombaukonzept gewährleistet, | |
dass der Sedimenttransport sich nicht negativ, sondern sogar positiv | |
verändert“, beteuern sie. | |
22 Apr 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://repository.tudelft.nl/search/ir/?q=creator%3A%22Winterwerp%2C+J.C.%2… | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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