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# taz.de -- Freisprüche aufgehoben: Neuauflage des Politkowskaja-Prozess
> Das oberste russische Gericht in Moskau hat die Freisprüche gegen die
> Angeklagten im Mordfall der Journalistin Anna Politkowskaja aufgehoben.
Bild: Ihr Tod beschäftigt die Gerichte weiter: Journalistin Politkowskaja.
Das oberste russische Gericht in Moskau hat die Freisprüche gegen die
Angeklagten im Mordfall der Journalistin Anna Politkowskaja aufgehoben. Der
Prozess, so das Oberste Gericht, müsse wiederaufgenommen werden. Dies
berichtet die russische Nachrichtenagentur RIA Nowosti.
Im Februar dieses Jahres hatten die zwölf Geschworenen einstimmig die vier
Angeklagten, die Brüder Dschabrail und Ibrahim Machmudow, den früheren
Milizionär Sergei Chadschikurbanow sowie einen Exgeheimdienstmitarbeiter
freigesprochen. Chadschikurbanow war jedoch am 4. April erneut verhaftet
worden, weil er den Hauptzeugen im Politkowskaja-Prozess um Geld erpresst
haben soll. Rusam Machmudow, dritter Bruder der beiden Angeklagten und für
die Ermittlungsbehörden der Hauptverdächtige, ist weiter flüchtig und wird
mit internationalem Haftbefehl gesucht.
Gegen den Freispruch hatte die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt. Die
Prozessordnung sei verletzt worden, die Anwälte der Angeklagten hätten die
Geschworenen in einigen Punkten hinter das Licht geführt. Der
Staatsanwaltschaft hatte von Anfang an der Eigensinn der Geschworenen
missfallen, die allen Versuchen, Druck auf sie auszuüben, standgehalten
hatten. Allzu gern hätte die Staatsanwaltschaft der Öffentlichkeit einige
Schuldige präsentiert, ohne auf die eigentliche Frage nach den Drahtziehern
eine Antwort geben zu müssen. Das Ergebnis hätte man dann stolz der
Öffentlichkeit präsentieren können.
Auch im Umfeld der ermordeten Journalistin war man, wenn auch aus anderen
Gründen, über den damaligen Prozessverlauf alles andere als glücklich.
Mehrheitlich wurde jedoch der Freispruch begrüßt. Wenn keine Schuld
nachgewiesen werden könne, könne man auch kein Urteil sprechen, so der
Tenor.
Doch viele Fragen blieben offen. Im Prozess, so Sergei Sokolow,
stellvertretender Chefredakteur der Nowaja Gaseta, seien längst nicht alle
Beteiligten befragt oder gehört worden, erklärte er gegenüber der
Nachrichtenagentur Itar-Tass. "Uns interessiert vor allem, wer als
Auftraggeber hinter diesem Mord steht, wer den Prozess organisiert hat und
wer die Hauptbeteiligten sind." Dabei wüssten die beim Prozess Befragten
mehr als sie tatsächlich aussagten, so Sergei Sokolow.
Die Familie der Ermordeten hatte bereits zu Prozessbeginn Zweifel an der
Schuld der Angeklagten und deswegen prinzipiell den Freispruch begrüßt.
Anna Stawizkaja, die Anwältin der Familie Politkowskaja, sah auch am
gestrigen Donnerstag keinen Grund für die Aufhebung des Freispruchs. "Wir
haben das Urteil nicht angefochten. Dies zeigt doch, dass die Vertretung
der Opfer mit dem Urteil einverstanden war." Und die Anwältin Karina
Maskolenko, die neben der Familie von Politkowskaja auch Michail
Chodorkowski vertritt, hatte das Urteil im Februar als Ausdruck von
Rechtsstaatlichkeit begrüßt. Auch Menschenrechtler hatten eine "lückenhafte
und pannenreiche" Arbeit der Ermittler kritisiert und die Freisprüche vom
Februar als berechtigt bezeichnet, weil die Schuld der vier Männer nicht
nachgewiesen wurde.
Über die Hintermänner der Tat wird nach wie vor spekuliert. Während ein
Ermittler im Laufe des Prozesses hatte verlauten lassen, der in London
lebende Boris Beresowski sei der Drahtzieher, bringen Kollegen von
Politkowskaja die Umgebung des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow
mit dem Mord in Verbindung.
Die mit internationalen Journalistenpreisen ausgezeichnete Reporterin Anna
Politkowskaja war am 7. Oktober 2006 vor ihrer Moskauer Wohnung erschossen
worden. In ihrer letzten Veröffentlichung hatte sie zahlreiche
Menschenrechtsverletzungen tschetschenischer Sicherheitskräfte wie Folter
und Entführungen aufgedeckt.
Russische Menschenrechtler halten es bis heute für möglich, dass die Täter
Verbindungen zum Sicherheitsapparat hatten, für den Politkowskajas
Enthüllungen ein Risiko bedeuteten. Der jetzige Präsident Dmitri Medwedjew
hatte sich im April in einem Interview mit der Nowaja Gaseta vom
Demokratieverständnis seines Vorgängers distanziert. Wohlstand und
Bürgerrechte seien keine Gegensätze, sagte Medwedjew damals. Neben
Politkowskaja verlor die Zeitung auch die regierungskritische Journalistin
Anastasia Baburowa. Sie wurde ebenfalls ermordet. Auch die Umstände ihres
Todes sind nicht aufgeklärt.
Sergei Sokolow
26 Jun 2009
## AUTOREN
Bernhard Clasen
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