| # taz.de -- Frauen im aktuellen Arthouse-Kino: Erbauliche Emanzipation | |
| > Egal ob in "Amelia", in "Pippa Lee" oder in "Easy Virtue - Eine | |
| > unmoralische Ehefrau": Die Frauenfiguren im aktuellen Arthouse-Kino | |
| > bleiben zahm. | |
| Bild: Pippa Lees Emanzipation gerät so zahm, dass selbst Kristina Schröder ih… | |
| Was treibt das Kino nur mit den Frauen? Binnen kurzer Zeit laufen drei | |
| Filme an, die mit ihren Heldinnen zunächst auftrumpfen, dann aber doch | |
| nichts aus ihnen machen. Vielleicht steckt die Logik dahinter, dass | |
| sogenannte Frauenfilme Frauen ins Kino locken, während Männer Fußball | |
| gucken. Aber wer so ein simples Weltbild hat, soll sich Podolskis | |
| verschossenen Elfmeter in der Endlosschleife ansehen. | |
| Letzte Woche lief "Amelia" in Deutschland an, eine Filmbiografie der | |
| Pilotin Amelia Earhart. Als erste Frau überquerte sie 1932 den Atlantik im | |
| Alleinflug, fünf Jahre nach Charles Lindbergh. Von all dem, was an ihr | |
| kühn, willensstark und exzentrisch war, bleibt in Mira Nairs Biopic nicht | |
| viel mehr als ein außergewöhnlich ebenes Gebiss, lässig sitzende Karohemden | |
| und Jodhpur-Hosen. | |
| In dieser Woche ist "Easy Virtue - Eine unmoralische Ehefrau" am Start. Der | |
| australische Regisseur Stephan Elliot versucht sich an der Neuauflage | |
| seiner erfolgreichen Culture-Clash-Komödie "The Adventures of Priscilla, | |
| Queen of the Desert" (1994). Diesmal schickt er jedoch keine Drag Queens in | |
| den australischen Outback, sondern eine selbstbewusste amerikanische | |
| Rennfahrerin namens Larita (Jessica Biel) in die kühle Hölle des englischen | |
| Landadels. Der Film spielt gegen Ende der 20er Jahre, der Landadel in | |
| Gestalt von Lady Whitaker (Kristin Scott Thomas) ist verarmt, aber | |
| hochnäsig und wird nicht müde, die feinen Unterschiede wie Kreuzasse gegen | |
| die ungeliebte Schwiegertochter auszuspielen. | |
| Deren Schlagfertigkeit machte den Film reizvoll, drosselte Elliott nicht | |
| irgendwann Tempo und Wortwitz, weil ihn neben dem komischen auch das | |
| tragische Fach interessiert. Er erforscht nun das Scheitern einer Liebe, | |
| das sich seinem Ende zuneigende Lebensmodell der Adligen, das bleierne Erbe | |
| des Ersten Weltkriegs und die Gefangenschaft der jungen Frau, die trotz | |
| ihres Selbstbewusstseins nicht aus ihrem staubigen Käfig herauskommt. Ein | |
| dunkles Geheimnis hat sie außerdem. Die erste Verfilmung des Stoffs | |
| besorgte Hitchcock 1927 als Melodram. Der Wechsel im Tonfall gelingt | |
| Elliott nur in Maßen, unter anderem, weil der Film sich von seinem | |
| Feelgoodcharakter nie ganz verabschieden möchte. So ist die | |
| Emanzipationsfantasie von "Easy Virtue" zwar rechtschaffen, aber auch ein | |
| wenig altbacken. | |
| Wer von Betulichkeit spricht, darf von "Pippa Lee" nicht schweigen. Der | |
| Spielfilm von Rebecca Miller beruht auf einem Roman der Regisseurin und | |
| läuft in Deutschland in der kommenden Woche an. Robin Wright Penn gibt die | |
| etwa 50 Jahre alte Protagonistin Pippa Lee, die mit ihrem deutlich älteren | |
| Ehemann aus New York fortzieht, nachdem dieser drei Herzinfarkte erlitten | |
| hat. Ihr neues Zuhause ist ein Rentnerstädtchen in Neuengland, dessen | |
| Bewohner nichts anderes tun, als auf den Tod zu warten und dabei gepflegte | |
| Konversation zu betreiben. Pippa Lee stört den Frieden, indem sie | |
| schlafwandelt und dabei großflächig Schokoladenkuchen an den Küchenwänden | |
| verstreicht. | |
| Was hätte das werden können: Nach all den Jahren weiblicher Bescheidenheit | |
| ein Ausbruch in die radikale Dysfunktion, eine symbolische Rückkehr in die | |
| anale Phase, Regression, Verweigerung. Aber nichts da. Miller will ihre | |
| Zielgruppe nicht mit Unappetitlichkeiten verschrecken, sondern mit | |
| Erbaulichkeiten erfreuen. Pippa Lees Emanzipation gerät so zahm, dass | |
| selbst Kristina Schröder ihre Freude daran hätte. | |
| Es ist, als seien diese Filme in einer Zeit stecken geblieben, die von der | |
| Gegenwart und ihren Konfliktlinien nichts wissen will - von der Diskussion | |
| zum Beispiel, ob Emanzipation schon dort geglückt ist, wo ehrgeizige Frauen | |
| ihren Weg machen. Bei "Amelia" und "Easy Virtue" mag die Ausblendung | |
| nachvollziehbar sein, schließlich handelt es sich um period pieces. Auf | |
| "Pippa Lee" aber lastet die Gegenwartsscheu schwer. | |
| 25 Jun 2010 | |
| ## AUTOREN | |
| Cristina Nord | |
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