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# taz.de -- First Steps-Award: Tragikgroteske mit Emofaktor
> In Berlin wurden die Nachwuchspreise für junge Regisseure verliehen. Was
> Sie schon immer über die Filmwelt wissen wollten, aber nicht zu ertragen
> wagten.
Bild: Glamour! Glamour! Roter Teppich!
In seltenen Momenten toppt die Wirklichkeit jeden Film. Leider nur bekommt
sie keinen Preis dafür. Verdient aber hätte sie ihn für die reife Leistung,
die sie am Dienstagabend im Berlinale-Palast am Potsdamer Platz bei der
Verleihung der achten First Steps Awards erbrachte.
Spätestens als der Starstatist der Berliner Politik (Künstlername: Klaus
Wowereit) einen Ehrenpreis für seine regelmäßigen Besuche der
Awards-Verleihung in den Händen hielt, stand sogar die Preiskategorie fest:
Tragikgroteske mit größtmöglichem Aufklärungs- sowie Emofaktor. Was Sie
schon immer über die Film- und Fernsehwelt wissen wollten, aber nicht zu
ertragen wagten.
Setting: 23 Kurz- und Spiel- und Dokumentarfilme sowie sechs
SchauspielerInnen und vier Werbespots konkurrieren um die Auszeichnung
"Deutscher Nachwuchspreis" 2007, der von einer Initiative der Filmbranche
(Teamworx, Deutsche Filmakademie) und Wirtschaft (Sat.1, Mercedes Benz,
Spiegel TV, TV Movie) gestiftet wird. Die Voraussetzungen für ein
"medienwirksames Event" (die Veranstalter) sind bestens: eine namhafte
Schauspieler- und Regisseur-Gästeliste, eine prominente Jury. Nicht nur
soll der filmische Nachwuchs stolz gefeiert, sondern auch Kontakte in und
um die Branche herum geknüpft werden. Der Saal ist prima gefüllt.
Gute zwei Stunden später stehen die Sieger fest:
Engel des Abends: Nora Tschirner, Moderatorin und Schauspielerin, die
abgesehen von beständigen Platzierungsproblemen ihrer Gäste auf der Bühne
in feinster Berliner Schlagfertigkeit eine Entschuldigung für den Fall
parat stellte, dass Stefan Austs zweiteilige Doku über die RAF floppt -
denn die befindet sich gerade in der "Endfertigungsphase", soll heißen, ist
noch in Arbeit, aber bald im Fernsehen zu sehen, weswegen Stefan Aust
(Spiegel TV) als einer der Geldgeber des Preises beinahe nicht an der
Veranstaltung teilnehmen hätte können, aber, weil er ja ein
Herzensangelegenheitsmensch ist, doch anwesend war und am nächsten Tag
schon um fünf Uhr morgens aufstehen musste. Tschirner: "Wenn der zweite
Teil nicht gut wird, wissen wir nun, warum."
Bester Flirt des Abends: Nico Hofmann, Produzent von Teamworx, der bewies,
dass ein Event ohne Liebeserklärung doch so etwas wie langweilig wäre. Er
fasste sich ans und ein Herz und rief: "Dafür liebe ich dich für immer.
Ohne dich wäre es nie so eine geile Veranstaltung geworden." Der
adressierte Mitarbeiter des Privatsenders Sat.1 wird sich sehr gefreut
haben, auch wenn der Sponsor ganz grundsätzlich die Stimmung des Abends
doch drückte, da er als börsendatiertes Unternehmen nicht nur ein paar
Menschen eventuell wird freisetzen müssen, sondern auch aus der
First-Steps-Förderung aussteigen könnte und wunderbare Kurzfilme wie der
Gewinner "Die unsichtbare Hand" von Dirk Lütter über ein Team von
Arbeitslosen, das Verkäufer kontrolliert, ob sie auch korrekt verkaufen
oder das Unternehmen schädigen, so ein ausgezeichneter Film also keinen
Preis mehr bekommen könnte, wo er aber doch der "politischste des Abends"
war (Jury) - neben dem ausgezeichneten Dokumentarfilm "Wege Gottes" von Eva
Neymann, die Straßenkindern in Odessa "ihre Würde zurückgab" (Jury).
Bitch des Abends: Schauspielerin und Jurorin Maria Furtwängler, die sich
schön wie eh und je zu der Feststellung hinreißen ließ, dass der
diesjährige Spiel- und Kurzfilm-Jahrgang kein sehr heiterer gewesen sei,
der das ganze schwierige Leben mit all seinen Abgründen so tiefgründig
eingefangen habe, was leider im Ergebnis aber nicht immer "ganz frei von
Langeweile" gewesen sei, woraufhin Nora Tschirner doch wiederum
berechtigterweise die Frage aufwarf, wer denn da bei der Nominierung der
Filme betrunken gewesen sei, und die Furtwänglersche kurz drückte,
woraufhin sie doch mit einem der beiden Spielfilm-Gewinner, "Hotel very
welcome" von Sonja Heiss, immerhin eine Tragikomödie auszeichnen durfte,
was jedoch nicht verhindern konnte, dass im Anschluss hartnäckig das
Gerücht gestreut wurde, dass die erstmalig in dieser Kategorie verliehenen
zwei Preise doch nicht gleichwertig seien und Tom Zenckers "Der blinde
Fleck" nur zweiter sei.
Stars des Abends: die mit dem Schauspiel-Award ausgezeichneten Luise Berndt
und Mehdi Nebbou, die sich ehrlich und sympathisch über die Anerkennung
ihrer bemerkenswerten Arbeit freuten.
Flopp des Abends: die Werbespotjury, die mit der Auszeichnung des schwer
historisch beladenen Spots von Tim Günther für die Biermarke Stella Artois,
"Schumanns Flucht", bewies, dass nicht nur Nazi immer geht, sondern auch
Nach-Nazizeit.
Bleibt die Erkenntnis des Abends: Wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt
irgendwo ein Wowereit her. Außer du heißt Sat.1, mit Sitz am
Wirtschaftsfilmstandort Berlin.
30 Aug 2007
## AUTOREN
Susanne Lang
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Film-Nachwuchspreis: "Die Jungen suchen die Wahrheit"
Andrea Hohnen sichtet alle eingereichten Filme zu den First Steps Awards.
Und erklärt, warum es nie so viele gute Spielfilme gab wie 2007 - und
welche ihr am Herzen liegen
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