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# taz.de -- Finale in der Baseball-Liga MLB: Geld gegen Ideen
> Die reichen Los Angeles Dodgers wollen unbedingt die Major League
> Baseball gewinnen. Im Finale treffen sie auf Tampa Bay – ein ungleiches
> Duell.
Bild: Aber jetzt! Julio Urias, Pichter der Los Angeles Dodgers freut sich über…
BERLIN taz | Manchmal kann Erfolg ganz schön schmerzhaft sein. Cody
Bellinger hatte gerade den Homerun geschlagen, der das Spiel entscheiden
sollte, da lag er auch schon auf dem Krankenbett. Beim Jubeln hatte er sich
die rechte Schulter ausgekugelt, nun musste er sie wiedereinrenken lassen.
Das funktionierte anscheinend ganz gut: Keine Stunde nach dem
Schultermalheur fing ausgerechnet der wiederhergestellte Bellinger den
letzten langen Ball und trug ein denkbar breites Lächeln vor die
Fernsehkameras. Schließlich hatten er und die Los Angeles Dodgers die World
Series erreicht.
Der Weg dahin, ins Endspiel der seltsamsten Baseball-Saison aller Zeiten,
war allerdings sehr viel schwerer, als es sich die hochfavorisierten
Dodgers vorgestellt hatten. Im Halbfinale gegen die Atlanta Braves lagen
sie schon mit 1:3 Siegen zurück, bevor sie drei Spiele in Folge gewinnen
konnten – das siebte und entscheidende dank Cody Bellingers Homerun.
Nun stehen die Dodgers in der World Series. Das erste von bis zu sieben
Spielen gegen die Tampa Bay Rays findet in der Nacht auf Mittwoch statt. Es
ist der dritte Auftritt für Los Angeles auf der ganz großen Bühne innerhalb
von vier Jahren. Von Routine kann man trotzdem nicht sprechen, denn nach
einer [1][wegen der Covid-19-Pandemie stark verkürzten Saison], die einige
Male nach Virusausbrüchen bei verschiedenen Teams vor dem Abbruch stand,
treffen sich die beiden Mannschaften in einer Antivirusblase im texanischen
Arlington, um den Meister zu ermitteln.
[2][Nur 60 Spiele] waren diesmal in der regulären Saison angesetzt. Ein
Spurt verglichen mit dem 162-Spiele-Marathon, aus dem eine
Baseball-Spielzeit gewöhnlich besteht. Trotzdem treffen mit den Dodgers und
Rays nun die beiden Teams aufeinander, die während dieser von
Baseball-Puristen belächelten Saison den souveränsten Eindruck hinterlassen
und die meisten Siege gesammelt haben. Damit hören die Gemeinsamkeiten
zwischen den beiden Mannschaften aber auch schon auf.
## Tradition gegen Retorte
Wollte man eine Analogie aus dem Fußball suchen, dann wäre es, als träfe
der FC Barcelona im Champions-League-Endspiel auf Hoffenheim. Auf der einen
Seite der stinkreiche Traditionsverein aus der Weltstadt, auf der anderen
der innovative Retortenklub aus der Provinz. Die Geschichte der Dodgers
beginnt in Brooklyn im Jahre 1883, den bislang letzten von insgesamt sechs
World-Series-Erfolgen feierten sie im Jahr 1988.
Erst zehn Jahre später, 1998 wird im Rentnerparadies Tampa Bay zum ersten
Mal Major-League-Baseball gespielt. Die Dodgers zahlen ihren Profis mehr
als 100 Millionen Dollar pro Jahr, nur die New York Yankees lassen sich
ihre Mannschaft mehr kosten. Das Budget der Rays beträgt dagegen 28,6
Millionen – von den 30 MLB-Teams geben nur drei noch weniger für
Spielergehälter aus.
Seit Jahren versuchen die Dodgers mit viel Geld an alte Erfolge
anzuknüpfen. Das stargespickte Team sammelt auch haufenweise Siege, aber
der ganz große Wurf will einfach nicht gelingen. 2017 und 2018 ging die
World Series verloren, im vergangenen Jahr war sogar schon im Viertelfinale
Schluss. Also griffen die Besitzer der Dodgers noch einmal tief in die
Portokasse, verstärkten ein eh kaum noch zu verstärkendes Team mit Mookie
Betts, dem momentan wohl besten Outfielder der Welt, und statteten ihn mit
einem 12-Jahres-Vertrag über 365 Millionen Dollar aus.
## Analyse und Scouting
Da kann Tampa Bay nicht mithalten. Der Klub hat schon in normalen Jahren
Probleme, sein Stadion in der gesichtslosen Küstenstadt Tampa, das gegen
die in Florida herrschende Hitze mit einem Dach ausgestattet ist, zu
füllen. Die sparsamen Rays setzen dagegen auf einen versierten Trainerstab,
modernste Analysemethoden und vor allem aufs Scouting. So gelingt es ihnen
immer wieder, Spieler zu finden, die andere übersehen oder falsch
einschätzen. Spieler wie Randy Arozarena.
Der Kubaner war 19 Jahre alt, als er mit seiner Familie in einem kleinen
Boot aus seiner Heimat flüchtete. Obwohl er in Kuba für die
U-18-Nationalmannschaft spielte, musste er sein Geld erst einmal in der
drittklassigen mexikanischen Liga verdienen. Das Trainingslager verbrachte
der 25-Jährige mit einer Covidinfektion noch in Quarantäne, in der
regulären Saison kam er nur sporadisch zum Einsatz, doch in den Play-offs
startete er durch und wurde, jedenfalls nach Einschätzung seines
Teamkollegen Kevin Kiermaier zum „besten Baseball-Spieler der Welt“.
Die Interviews nach Siegen gibt der ehemalige Bootsflüchtling immer noch in
spanisch und mit einem Übersetzer an seiner Seite, aber so schnell wie
Arozarena wurde kaum jemand zum Medienliebling. Das liegt an seiner
Geschichte und an seinem exzentrischen Charakter: Nach der
World-Series-Qualifikation führte er für die TV-Kameras ein Salsa-Tänzchen
in seinen „Stiefeln der Macht“ auf, einem Paar schwarzer Cowboystiefel, die
ihm Glück bringen sollen. Es liegt aber auch daran, dass den Tampa Bay Rays
– vor allem im Vergleich zu den Dodgers – bislang die Stars fehlten.
19 Oct 2020
## LINKS
[1] /Positive-Corona-Tests-im-der-MLB/!5699342
[2] /Fehde-in-der-Major-League-Baseball/!5689812
## AUTOREN
Thomas Winkler
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Baseball
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