Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Fesseln sollen Frauen retten
> Plötzlich wollen alle die Fußfessel nach dem „spanischen Modell“.
> Schleswig-Holstein beschließt sie, Niedersachsen zankt noch um Details.
> Dort drückt die CDU zwar aufs Tempo – schlägt aber ein Modell vor, das in
> anderen Ländern mäßig erfolgreich ist
Bild: So sieht es die Polizei: Betritt der Gewalttäter den äußeren Kreis, ge…
Von Nadine Conti
Die Zahlen der Opfer von häuslicher Gewalt steigen – das ist bundesweit ein
trauriger Trend. Viele hoffen, dass die Fußfessel für Gewalttäter daran
etwas ändern kann. Vor allem solche, die nach dem sogenannten spanischen
Modell funktionieren. Da bekommt nicht nur der Täter eine Fußfessel,
sondern auch die von ihm bedrohte Frau einen GPS-gesteuerten Empfänger als
Armband oder aufs Handy. Kommt der Gewalttäter ihr zu nahe, wird ein Alarm
ausgelöst – sowohl bei ihr als auch der Polizei. In Spanien ist es damit
gelungen, die Anzahl der Femizide zu verringern.
Deshalb hat nun auch der Landtag von Schleswig-Holstein [1][eine
Gesetzesgrundlage geschaffen, die so etwas möglich machen sol]l. Am
Mittwoch wurde sie mit den Stimmen von CDU, Grünen, SPD und SSW
beschlossen.
In Niedersachsen debattierte der Landtag am Donnerstag etwas Ähnliches –
nicht zum ersten Mal. Dieses Mal hatte die CDU eine aktuelle Stunde zum
Thema anberaumt, weil sie hofft, die Landesregierung ein wenig vor sich
hertreiben zu können.
Einen Entschließungsantrag von Grünen und SPD zum Thema hatte es schon im
Februar gegeben – er war einstimmig beschlossen worden, sogar die AfD
stimmte zu. Aber ein Entschließungsantrag ist eben noch kein Gesetzentwurf,
und der lässt weiter auf sich warten. Dabei sei jeder Tag einer zu viel,
mahnt die CDU-Abgeordnete Birgit Butter. Dabei habe die CDU-Opposition
schon im Dezember einen Gesetzentwurf vorgelegt. „Wir wollen nicht weiter
auf die große Polizeirechtsreform warten.“ Oder wolle die
SPD-Innenministerin Daniela Behrens etwa die Fußfessel als Faustpfand
benutzen, um den Grünen Zugeständnisse bei anderen, schwierigen
datenschutzrechtlichen Bestimmungen im neuen niedersächsischen
Polizeigesetz abzuringen?
Tatsächlich hätten auch die Grünen, die in dieser Sache federführend sind,
die Bestimmungen zur Fußfessel gern „vor die Klammer“ gezogen, wie das im
Parlamentarierdeutsch heißt. Sie konnten sich damit aber nicht durchsetzen.
Allerdings sei der CDU-Entwurf auch schlicht und einfach schlecht, erklärt
die grüne Fachpolitikerin Evrim Camuz.
Mit dem spanischen Modell habe der nämlich rein gar nichts zu tun, sondern
beschränke sich lediglich darauf, die Anwendung der jetzt schon bei
terroristischen Gefährdern angewandten Fußfessel auf häusliche Gewalttäter
auszudehnen. Das bedeute in der Quintessenz aber, dass die betroffenen
Frauen nur in ihrer eigenen Wohnung geschützt seien – also quasi
eingesperrt.
Sebastian Zinke (SPD), selbst Polizeidirektor a. D., wirft der CDU vor,
hier parteipolitische Scharmützel auf dem Rücken der Opfer auszutragen.
Immerhin hätte die Bundes-CDU ja [2][auch einer Änderung des
Gewaltschutzgesetzes zustimmen könnten] – dann könnten die Opfer auf
zivilrechtlichem Weg, vor dem Amts- oder Familiengericht, Annäherungs- und
Kontaktverbote beantragen. Bisher werden Verstöße dagegen nur unzureichend
oder zu spät geahndet, eine Fußfessel könnte dem mehr Nachdruck verleihen.
Dem wollte die CDU im vergangenen Bundestag aber nicht mehr zustimmen, als
sich das Ende der Ampel schon abzeichnete.
Die wechselseitigen Schuldzuweisungen verbergen allerdings, dass die
Materie rechtlich tatsächlich nicht ganz trivial ist. Das zeigen auch die
Erfahrungen aus den Ländern, die das schon versucht haben – wenn auch mit
der Fußfessel alten Stils, also ohne Warnmelder für die Bedrohten.
Hamburg hat etwa schon im Dezember 2019 einen entsprechenden Passus in sein
Polizeigesetz aufgenommen. Angewendet worden ist der in den vergangenen
mehr als fünf Jahren genau ein einziges Mal. Und selbst in diesem Fall
wurde die Anordnung letztlich [3][vom Oberlandesgericht kassiert, obwohl
der Täter einschlägig vorbestraft] war und die betroffene Frau noch aus dem
Knast heraus weiter terrorisierte.
In Bayern gibt es seit 2017 die Möglichkeit, auch bei häuslicher Gewalt
eine Fußfessel anzuordnen. Geschehen ist dies nach Auskunft des
Innenministeriums in insgesamt 18 Fällen seither, aktuell trägt kein
solcher Täter eine Fußfessel. Die Anzahl der Femizide ist trotzdem
gestiegen, [4][im Jahr 2022 wurden allein in Bayern 40 Frauen getötet].
Und auch in Spanien sind zwar keine Frauen umgekommen, die sich im
Schutzprogramm befanden – [5][aber im Jahr 2024 eben immer noch 48], die es
nicht dort hineingeschafft hatten, meist weil Richter zu einer anderen
Risikoeinschätzung kamen.
Das bedeutet nicht, dass dieses Instrument wirkungslos ist, aber es ist
eben auch kein Allheilmittel, wie Innenministerin Behrens betont. Camuz
sieht trotzdem einen wesentlichen Fortschritt: „Endlich diskutieren wir
dieses Problem als das, was es ist: Ein Sicherheitsproblem, mit dem sich
Polizei und Justiz auseinandersetzen müssen – und nicht bloß der soziale
Bereich, wo man ständig um Geld für Beratungsstellen und Frauenhäuser
feilschen muss.“ Ihr ist es außerdem wichtig, weitere Maßnahmen
aufzusetzen.
Dazu gehört zum Beispiel die [6][App „Gewaltfrei in die Zukunft“], die
künftig auch über die Polizei verteilt werden soll. Sie lässt sich hinter
anderen Apps verbergen und bietet Betroffenen Aufklärung, Hilfsangebote und
ein Gewalttagebuch – damit, so hofft Camuz, lassen sich am Ende auch
Beweise sichern, die vor einem Richter bestehen können.
28 Mar 2025
## LINKS
[1] /!6051361&SuchRahmen=Print
[2] /!6061941&SuchRahmen=Print
[3] https://openjur.de/u/2333585.html
[4] https://www.bayern.landtag.de/www/ElanTextAblage_WP19/Drucksachen/Basisdruc…
[5] https://violenciagenero.igualdad.gob.es/wp-content/uploads/VMujeres_2024_ac…
[6] https://www.gewaltfrei-in-die-zukunft.de/app
## AUTOREN
Nadine Conti
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.