# taz.de -- Fatih-Akin-Film "Soul Kitchen": Alle müssen essen | |
> Die Musik ist schiere Gegenwart und schön noch dazu. Sie gleicht die | |
> Kläglichkeit der Industriepizza aus in Fatih Akins Komödie "Soul | |
> Kitchen". Da fühlt man sich zuhause. | |
Bild: Birol Ünel als Chefkoch – schmeckt nicht Jedem. | |
So was wie ehrliche Komödie fällt einem ein, also etwas, was es bei uns | |
eigentlich nicht gibt. Regisseur Fatih Akin ("Gegen die Wand", "Auf der | |
anderen Seite") hat Bodenhaftung. Man glaubt ihm einfach, und dann wird | |
alles leicht. Fühlt man sich in einer Restaurantkneipe zuhause, ist man | |
untereinander familiär. Man kennt sich, und wenn Geschichten erzählt | |
werden, dann können sie wahr gewesen sein oder wahr werden, egal, der | |
Moment zählt, in dem sie erzählt werden. Wahr ist der Zustand, und der | |
beschreibt sich unter Kumpeln, Gästen und Personal eher locker. Mit guten | |
Sprüchen. | |
Sagen wir es so: Beschrieben wird der Zustand Soul Kitchen, und der ist | |
zunächst kläglich. Im Kneipenimbiss der früheren Industriehalle in | |
Hamburg-Wilhelmsburg gibt es Industriepizzen, Wurst, Pommes und Nudeln. An | |
der Fritteuse steht eher lustlos der Deutschgrieche Zinos (Adam | |
Bousdoukos). Was hält die Gäste zusammen? Hartz IV? Migration? Wir hören | |
die Antwort. Ein Crossover von Soul, Funk und Rembetiko. "La Paloma" auf | |
Spanisch findet ihren Platz. Hans Albers wird nicht die Tür gewiesen. | |
Daueranwesend ist die Musik, und die ist schiere, schöne Gegenwart. | |
Was dem Film "Soul Kitchen" die Sicherheit gibt, in allerlei Unschönes und | |
Aufregendes auszuscheren. Man weiß, dass alles und jedes an seinen | |
heimeligen Platz zurückführt. Wir sind so sicher wie in der "Lindenstraße", | |
und das, ohne dass etwas (Migrationshintergrund und ähnlich Neudeutsches) | |
thematisiert oder sonst wie pädagogisch aufbereitet wird. Im Film "Soul | |
Kitchen" ist alles selbstverständlich. Es wird gekocht. | |
Richtig ist allerdings, dass wir unter den Darstellern einen Serienstar | |
nach dem anderen entdecken, gern in prägnanten Kurzauftritten. Aber das | |
geht in Ordnung. Die müssen ja auch mal essen. Und sich verschlucken (Udo | |
Kier läuft sehenswert rot an). | |
Im Übrigen sind die Schauspieler ihrerseits ein ständiges Crossover von | |
allzu bekannten bis eher unbekannten Gesichtern (von Moritz Bleibtreu bis | |
Pheline Roggan und Dorka Gryllus), im Guten und Bösen auf wunderbare Weise | |
zusammengehalten unter der Leitung des Wirts, der Muse, des Koautors und | |
des, was noch? - des großartigen Schauspielers Adam Bousdoukos. Der speiste | |
seinerseits seine Erfahrungen als Betreiber einer griechischen Taverne in | |
Hamburg-Ottensen ein. Weswegen geschlagener Schaum, dreht man die Schüssel | |
(Birol Ünel!), darin verbleibt und nicht herausfällt. | |
Damit sind wir aber bei den Weiterungen des Zustands Soul Kitchen. In | |
Stadtteilen wie Wilhelmsburg etabliert sich eine Kunstszene in entleerten | |
Industrie- und Gewerbebauten. Aus Sicht der Großinvestoren, die im | |
Hintergrund schon die künftige Rendite kalkulieren, sind es Zwischennutzer | |
und potenzielle Störenfriede. Wird Zinos Soul Kitchen abgerissen, um einem | |
Großkomplex Platz zu machen? Falsche Frage. | |
Denn in Fatih Akins Film wird eben nichts thematisiert. Wer den | |
Immobilienspekulanten (deutsch: Wotan Wilke Möhring) fürchten gelernt hat, | |
wird, da sind sich alle sicher, mit einem Gag entlohnt, und davon gibts | |
viele und gut gesetzte. Kurzum, der hypnotische Soul-Zustand von Zinos | |
Kitchen verträgt ohne weiteres göttliche Märchenwendungen, eine | |
unglückliche Liebesgeschichte, den Wechsel zu Edelgerichten und, und, und. | |
Es bleibt, wie schon gesagt, beim Soul Sound, und dann geht alles vom | |
Hamburger HipHop und Elektro zurück zu Kool & The Gang und zu Jan Delay. | |
Und nun zu mir. Ich bin in diesen Film reingeraten und jetzt irgendwie Gast | |
in der Soul Kitchen, als ob das mein zweites Zuhaus wär. Schlecht für einen | |
Kritiker. Kollegen haben mich schon früher darauf aufmerksam gemacht, dass | |
man seine Glaubwürdigkeit verliert, wenn man nicht auch was Negatives | |
schreibt. Etwas genügt. Also dann. Ich versuchs. Äh, hm, kommt aber nichts. | |
Tut mir leid. | |
"Soul Kitchen". Regie: Fatih Akin. Mit Birol Ünel, Adam Bousdoukos u. a. | |
Deutschland 2009, 100 Min. | |
21 Dec 2009 | |
## AUTOREN | |
Dietrich Kuhlbrodt | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
"Soul Kitchen"-Akteur Bousdoukos: "Noch größer, noch derber" | |
Elf Jahre nach "Kurz und Schmerzlos" spielt Adam Bousdoukos wieder die | |
Hauptrolle in einem Film seines Freundes Fatih Akin. In "Soul Kitchen" | |
brilliert er gemeinsam mit Moritz Bleibtreu. |