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# taz.de -- "Soul Kitchen"-Akteur Bousdoukos: "Noch größer, noch derber"
> Elf Jahre nach "Kurz und Schmerzlos" spielt Adam Bousdoukos wieder die
> Hauptrolle in einem Film seines Freundes Fatih Akin. In "Soul Kitchen"
> brilliert er gemeinsam mit Moritz Bleibtreu.
Bild: Adam Bousdoukos (l) und Moritz Bleibtreu in "Soul Kitchen".
taz: Herr Bousdoukos, warum gab es in Ihrer "Taverna Sotiris" eigentlich
nie Gyros?
Adam Bousdoukos: Gyros ist in Griechenland ein Imbiss-Essen. Und wir haben
uns eben damit geschmückt, eine Taverne zu sein. Aber der wahre Grund war:
es gab in unserer kleinen Küche einfach keinen Platz für so ein Gerät.
In Altona erzählt man sich, dass Sie das "Sotiris" einst von der Gage für
den Film "Kurz und Schmerzlos" gekauft haben. Stimmt das?
Teils, teils. Wir haben damals eine sehr geringe Gage bekommen. Aber der
Vorbesitzer dachte, dass ich so viel Geld mit dem Film verdient hatte, dass
ich mir einen Laden leisten kann. Daraufhin hat er mir den Laden angeboten.
Das Geld musste ich dann von überall her zusammenkratzen.
Welche Erinnerungen haben Sie an das Altona Ihrer Kindheit?
Ich bin in der Mottenburg geboren, das ist immer noch eine meiner
Lieblingsecken. In den kleinen Häusern steckt noch der Geist des alten
Arbeiterviertels. In meiner Kindheit lebten da viele, viele Griechen. Das
war wie Little Italy. Ich war nie im Kindergarten, weil immer eine Tante
oder Onkels da waren, die auf mich aufgepasst haben, wenn meine Eltern in
der Fabrik waren. Später sind wir dann in die Nähe der Großen Bergstraße
gezogen, das war damals das Zentrum von Altona. Da hingen alle auf der
Straße rum und meine Onkel haben über Politik und Fußball geredet.
Wenn man den Legenden glauben kann, begann sehr früh die dicke Freundschaft
mit Fatih Akin.
Das war wirklich so. Fatih war auf dem Gymnasium in meiner Parallelklasse.
Wir waren beide die Klassenclowns und haben früh gemerkt, dass wir ähnliche
Roots, Träume und Sehnsüchte haben. In der Schul-AG haben Fatih und ich
später eine Kamera genommen und Kurzfilme gedreht. Irgendwann hat Fatih
dann das Drehbuch zu "Kurz und Schmerzlos" geschrieben und Produzenten
gefunden, die an ihn geglaubt haben.
War denn von Anfang an klar, dass Sie die Rolle des Costa übernehmen?
Nein, ich wurde ganz normal gecastet. Das war ein hartes Ding und ich habe
gemerkt, wie schnell man da abgesägt werden kann. Auch, wie Freundschaft
sich bewähren muss. Ich habe von vornherein gesagt, dass wir Freunde
bleiben, auch wenn es nicht klappt.
In "Kurz und Schmerzlos" geht es um die Freundschaft zwischen einem
türkischen und einem griechischen Jugendlichen. Unter Deutschen existiert
das Vorurteil, die Angehörigen beider Nationen können nicht besonders gut
miteinander.
Ich ging nach der deutschen Schule immer noch auf die griechische Schule.
Da ging es natürlich auch um den Befreiungskampf der Griechen gegen das
Osmanische Reich. Damals kam das so rüber, als wenn die Osmanen Unmenschen
waren. Das war immer ein kleiner Stich für mich, denn meine besten Freunde
waren Türken. Mit denen habe ich auch darüber geredet, wie das früher war.
Aber im Endeffekt war der gemeinsame Spielplatz wichtiger als alles andere.
Können Sie sich erklären, warum Griechenland in den letzten Jahren das
Zentrum der Jugendunruhen war?
In Griechenland besitzen die Studenten ein großes Ansehen. Die ziehen den
Schwanz nicht ein und haben 1974 die Junta gestürzt. Militär und Polizei
dürfen nicht auf das Universitätsgelände. Und heute brodelt es wieder, ich
fürchte nur, dass es sehr extrem werden kann. In Hamburg haben ja sogar
einige Leute eine Polizeiwache unter dem Namen "Koukoulofori" (Die
Vermummten) gestürmt und sich mit den griechischen Anarchisten
solidarisiert.
Haben Sie in Ihrer Jugend auch Wut erlebt?
Wir sind ja nicht im Ghetto aufgewachsen. Aber wenn ich ein Mädchen kennen
gelernt habe, wollten die nicht zu mir nach Altona kommen. Wir waren zweite
Klasse. Mein Vater hat mich mit Ach und Krach aufs Gymnasium gekriegt - die
Lehrer wollten mich auf die Realschule schicken.
Ursprünglich sollte "Soul Kitchen" schon früher gedreht werden. Aber nach
dem großen Erfolg von "Gegen die Wand" hat Fatih Akin, wie er gesagt hat,
den Druck gespürt, einen großen Film nachzulegen. Waren Sie enttäuscht,
dass er erst "Auf der anderen Seite" drehte und Ihr gemeinsames Projekt auf
Eis gelegt wurde?
Ich hatte mich natürlich sehr gefreut, wieder einen Film mit Fatih zu
drehen. Aber ich konnte nachvollziehen, dass er nach "Gegen die Wand"
zeigen wollte, dass er noch so ein Ding machen kann, noch größer, noch
derber. Das ist ihm auch gelungen.
Haben Sie in der Wartezeit, während Sie im Sotiris Bratkartoffeln gemacht
haben, öfter daran gedacht, dass Ihre große Stunde noch kommt?
Ich habe mir das sicherlich gewünscht. Es kamen ja auch immer wieder Leute
in den Laden, die mich gefragt haben: "Eh, wann drehst du den nächsten
Film?" Die Sachen, die ich sonst so gedreht habe, habe ich mir teilweise
selbst nicht angeguckt. Aber ich wusste immer, früher oder später passiert
was. An dem Drehbuch haben wir von der ersten Fassung an insgesamt fünf
Jahre gearbeitet.
Warum haben Sie die Geschichte von Altona nach Wilhelmsburg verlegt?
Wilhelmsburg ist auch ein Arbeiterviertel und sozialer Brennpunkt, der
gerade eine Veränderung erlebt - es geht um Leute, die um ihr Viertel
kämpfen. Wir stellen dieses Restaurant als einen Mikrokosmos dar und
erzählen das über eine eindeutige Geschichte. Ein Immobilenmakler versucht
mit allen Tricks, seinem alten Freund das Restaurant abzuluchsen.
Der Film ist also ein bewusstes Statement zur aktuellen Diskussion um
Stadtentwicklung?
Ja, aber es ist natürlich Zufall, dass das gerade jetzt so aktuell ist,
dass sich gerade jetzt viele Menschen zusammentun, im Gängeviertel und in
der Großen Bergstraße.
Der Film wird jetzt seit einem Vierteljahr weltweit auf Festivals gezeigt.
Was ist seitdem in Ihrem Leben passiert?
Es ist abenteuerlich, wir sind dauernd unterwegs, die dicke Nummer in
Venedig …
Schon seltsam, Sie da auf dem roten Teppich zu sehen.
Ich hatte einen Job zu erledigen, und der lautete eben: über den roten
Teppich laufen.
Ist mit diesem Projekt für Sie die Entscheidung gefallen, jetzt als
ernsthafter Schauspieler weiterzuarbeiten? Das "Sotiris" haben Sie ja
verkauft.
Ich werde auf jeden Fall die nächsten zehn Jahre in diesem Beruf arbeiten
und dann gucke ich weiter. Ich wünsche mir, dass ich gute Drehbücher
bekomme und mit guten Leuten zusammenarbeite. Im Januar fahre ich zum
Beispiel nach Zypern und gucke mir etwas an.
Wird denn die Filmfamilie um Fatih Akin herum weiterexistieren? Die wird ja
teilweise schon mit der Fassbinder-Familie verglichen.
Sicherlich, auch wenn jeder Sachen für sich allein macht, sind wir
füreinander da. Wie die Musketiere. Wir haben aber auch schon ein neues
gemeinsames Projekt im Kopf. Das geht Richtung Western.
Wird man Sie irgendwann auch in der Realität noch mal als Wirt in eines
Lokals sehen?
Wenn ich einen leer stehenden Laden sehe, kribbelt es immer in den Fingern.
Aber ich würde zehnmal drüber nachdenken, ob ich es tue. Als ich mit 25 das
"Sotiris" übernommen habe, habe ich nicht viel nachgedacht. Jetzt gehts mir
wie dem Koch in "Soul Kitchen", der sagt: "Ich weiß so viel über Läden,
dass ich keinen eigenen haben will."
21 Dec 2009
## AUTOREN
Ralf Lorenzen
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