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# taz.de -- Familie Adam soll raus
> Die private Wohnungsgesellschaft LEG will in Bremen-Huchting eine Familie
> mit vier kleinen Kindern räumen lassen – trotz Nachzahlung ihrer
> Mietschulden
Bild: Protestaktion im Bremer Roland-Center: Das Bündnis Zwangsräumung macht …
Von Lotta Drügemöller
Ali Adam (Name verändert), seine Frau und die vier kleinen Kinder, bleiben
erst mal in der Wohnung mit dem Schimmel- und dem Ungezieferproblem in
Bremen-Huchting. Was für ein Glück! Denn die Alternative, die hätte
Zwangsräumung heißen können. Für den 9. Januar war die angekündigt. Ein
paar Tage vorher die erlösende Nachricht vom Amtsgericht: Die
Vollstreckungsabwehrklage des Anwalts hat einen Zwischenerfolg gehabt, die
Räumung wurde erst mal ausgesetzt.
Im Herbst 2023 musste die Aufenthaltserlaubnis von Frau Adam verlängert
werden; die Adams kommen aus Somalia. Für eine kurze Übergangszeit gab es
kein Geld. Als das Jobcenter die Zahlung wieder aufnahm, ging die Miete
nicht mehr auf das Konto der Vermieter, sondern an die Familie selbst. Zwei
Monate Mietrückstand entstanden so.
Der Vermieter, die börsennotierte Wohnungsgesellschaft LEG, reagierte mit
fristloser Kündigung und Räumungsklage. Gegenüber dem Jobcenter und der
Familie gab es die Zusicherung: Wenn das Geld nachgezahlt wird, dann
verzichtet die LEG auf die Räumung. Schon seit Ende Juni ist das Mietkonto
wieder ausgeglichen, auch die Gerichtskosten von mehr als 2.000 Euro hat
die Familie Adam mittlerweile bezahlt – aber die LEG bleibt bei ihrer
Räumungsklage: Familie Adam muss raus.
Zwischen null und sieben Jahre alt sind die vier Kinder der Familie. „Wir
haben ihnen nichts gesagt“, erzählt Adam, „wir wollten sie nicht
erschrecken“. Gepackt haben die Eltern trotzdem, alles vorbereitet für
einen erzwungenen Auszug, ohne zu wissen, wohin. „Wir haben keine andere
Wohnung. Das Gefühl war unglaublich“, so Adam.
Der Familie droht mehr als der Verlust der Wohnung: Haben die Eltern keine
Unterkunft, werden die Kinder vom Jugendamt in Obhut genommen. „Davor hat
die Familie die größte Angst“, so Anwalt Enno Hinz von der Organisation
Mieter helfen Mietern, der für die Familie den Aufschub der Räumung
erreicht hat. Zwar kommt eine Stellungnahme des zuständigen Amts für
Soziale Dienste zu dem Schluss, dass eine Trennung von den Eltern „für die
Entwicklung der Kinder schwerwiegende negative Folgen“ hätte. „Eine
Fremdplatzierung der Kinder zu vermeiden“ sei „von größter Wichtigkeit“…
doch ohne Unterkunft gebe es, so Hinz, wenig Alternativen zur Inobhutnahme.
Die Bedrohung ist nicht mehr ganz so akut, aber weg ist die Angst nicht.
Anwalt Hinz mag die Erfolgsaussichten seiner Klage nicht als sicher
einschätzen. Adam weiß das: „Vielleicht haben wir jetzt zwei bis drei
Monate Zeit. Ich weiß, wie schwer man eine Wohnung findet“. Vier Jahre
hatten die Adams das letzte Mal gesucht, davor waren sie in einer
Unterkunft für Geflüchtete untergebracht. „Diese Wohnung war die erste, die
wir gefunden haben.“
Vor Gericht argumentierte der Wohnungskonzern bisher ausschließlich mit den
versäumten fristgemäßen Zahlungen. Auf Anfrage von Medien schrieb die
Unternehmenssprecherin über „Kakerlakenbefall“, der „eindeutig durch die
Mieter selbst verschuldet“ sei, und über eine aggressive Reaktion gegenüber
einem Mitarbeiter vor Ort“. „Die gesamte Hausgemeinschaft“ leide unter
diesen Bedingungen.
Anwalt Hinz sieht hier eine PR-Strategie: „Im Gerichtsverfahren hätte die
LEG die Vorwürfe belegen müssen. In der Öffentlichkeit lässt sich so etwas
einfach behaupten.“ Familie Adam hatte den Ungezieferbefall gemeldet –
musste aber monatelang warten, bis die Hausverwaltung reagierte. Die
hygienischen Zustände und der „insgesamt sehr schlechte Zustand“ der
Wohnung (LEG) könne sich auch der Konzern selbst anlasten. „Hier in
Huchting entsteht der Eindruck, dass das Haus von der LEG und dem
vorherigen Eigentümer heruntergewirtschaftet wurde“, so der Anwalt.
Die Gebäude rund um die Robinsbalje waren schon unter dem Vorbesitzer, der
Adler Group, in Misskredit für den schlechten Zustand gekommen. Die private
LEG hat die Häuser 2021 übernommen – bei der Frage nach bisher erfolgten
Sanierungsmaßnahmen bleibt man etwas vage: Über Investitionen und Maßnahmen
der Modernisierung entscheide man „immer ganz individuell, so auch in
diesem Fall“. Laufende Instandhaltungen führe man regelmäßig aus. Probleme
habe er viele gehabt mit der Wohnung, sagt hingegen Ali Adam, es habe
geschimmelt und lange sei Wasser aus der Decke getropft. „Es hat vier
Monate gedauert, bis die sich gekümmert haben.“
Familie Adam sucht nach einer Wohnung, aber leicht ist das nicht: Der
Wohnungsmarkt ist nicht für alle gleich, darauf weist das Bremer „Bündnis
Zwangsräumungen verhindern“ hin, das im Dezember eine solidarische
Protestaktion im Roland-Center, dem Einkaufszentrum des Stadtteils,
organisiert hatte. Geringes Einkommen, Rassismus gegenüber der Schwarzen
Familie aus Somalia, aber auch Sexismus spielten dabei eine Rolle, so
Aktivist Dominik K. zur taz. Sollten sie es nicht vor einer möglichen
Räumung schaffen, eine neue Wohnung zu finden, wird es noch schwerer:
„Menschen, die einmal zur Räumung verurteilt wurden, haben kaum eine Chance
auf einen neuen Mietvertrag, da dieser Umstand regelmäßig in den
Mieterselbstauskünften abgefragt wird“, so Bahne Michels, Sprecher vom
„Bündnis Zwangsräumungen“.
Bremen hat unter allen Bundesländern die höchste Quote an Zwangsräumungen –
6 von 10.000 Menschen waren 2022 von einer Zwangsräumung bedroht. „Obwohl
das Recht auf Wohnen im UN-Sozialpakt und in der Landesverfassung
garantiert ist, ist es die Bremer Justiz, die die Menschen auf die Straße
setzt“, sagt Michels. „Schutzmechanismen, die vor Wohnungslosigkeit
schützen konnten, sind absolut unzureichend.“
Die hohen Zahlen beschäftigen auch die Bremer Politik. Die Regierungspartei
Die Linke stellt jedes Jahr in der Bürgerschaft eine Frage zur Entwicklung;
auch 2024 haben sie es zum Thema einer Aktuellen Stunde gemacht. Zum Fall
Adam äußert sich die wohnungspolitische Sprecherin und Fraktionsvorsitzende
Sofia Leonidakis ebenfalls. „Der Düsseldorfer Aktienkonzern, dem fast
150.000 Wohnungen gehören, könnte sich sozialeres Agieren definitiv leisten
– und sollte es auch“, schreibt sie der taz. „Für uns Linke ist zentral,
dass mehr Obdachlosenpolizeirecht-Wohnungen in Bremen verfügbar sind, in
die die Zentrale Fachstelle Wohnen von Räumungen betroffene Mietparteien
direkt einweisen kann“, so Leonidakis. „Weitere Handlungsmöglichkeiten etwa
bei den städtischen Wohnungsgesellschaften überprüfen wir derzeit.“
14 Jan 2025
## AUTOREN
Lotta Drügemöller
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