# taz.de -- FINANZPOLITIK: "Ein Ablenkungsmanöver" | |
> Koalitionsverhandler wollen Schuldenbremse in die Landesverfassung | |
> schreiben. Das ist nichts als Symbolpolitik, kritisiert Klaus Rainer Rupp | |
> (Die Linke) | |
Bild: Auch das Bremer Loch birgt keine nachhaltige Lösung des Einnahmen-Proble… | |
taz: Herr Rupp, spitzt sich die Situation zu, wenn Rot-Grün eine | |
Schuldenbremse in die Landesverfassung schreibt? | |
Klaus-Rainer Rupp: Nein. An der Lage ändert sich nichts: Schon als die | |
Schuldenbremse ins Grundgesetz aufgenommen wurde, haben das viele | |
Verfassungsrechtler kritisiert. Einerseits engt sie durch viel zu konkrete | |
Vorgaben die Spielräume von Politik massiv ein. Andererseits gefährdet sie | |
das Sozialstaatsgebot und die Aufgabe, für gleichwertige Lebensverhältnisse | |
zu sorgen. Dadurch, dass die Landesverfassung das wiederholt, wird es nicht | |
besser - aber auch nicht schlimmer. Es ist eine unnötige Änderung, die vom | |
wesentlichen finanzpolitischen Problem, der Einnahmesituation, ablenkt. | |
Aber die Koalitionsverhandler haben versprochen, sie um ein Verbot der | |
Einnahmeverringerung zu erweitern! | |
Jeder, der die Zahlen zur Kenntnis nimmt, weiß, dass man die Steuern nicht | |
nur nicht senken darf, sondern erhöhen müsste. Bloß stehen dafür die | |
Chancen bei der derzeitigen Bundesregierung schlecht. Daran wird auch eine | |
Regelung in der Bremer Landesverfassung nichts ändern. | |
Die hülfe gar nichts? | |
Wen soll denn das beeindrucken? Eine Regelung in einer Landesverfassung hat | |
deutlich weniger Macht, als die Verwaltungsvereinbarungen zwischen dem Bund | |
und den Konsolidierungs-Ländern. | |
Dann bleibts Symbolpolitik? | |
Ja. In der laufenden Legislatur hatte Rot-Grün stets betont: Eine | |
Schuldenbremse in der Landesverfassung muss nicht sein. Ich kann nicht | |
erkennen, was sich an den Grundlagen dieser Einschätzung geändert haben | |
soll. | |
Bloß: An wen richtet sich das Symbol - an den Stabilitätsrat? | |
Es mag sein, dass man sich da mehr Wohlwollen verspricht, aber große | |
Auswirkungen kann das nicht haben. | |
Der Plan greift ja ein Wahlkampf-Thema der CDU auf. Wäre die etwa doch so | |
stark geworden, dass Rot-Grün darauf eingehen muss? | |
Das ganz bestimmt nicht. Nein, mir scheint es mehr ein Ablenkungsmanöver zu | |
sein. Ich vermute, dass sie sich mit Recht vor Bedenken und Protesten gegen | |
ihre Finanzpolitik fürchten. Denn gleichzeitig haben SPD und Grüne ja | |
angekündigt, ordentlich an der Gebührenschraube zu drehen. | |
Um Einnahmen zu generieren! | |
Das wird allerdings nur wenig bringen, weil es ja auf der anderen Seite | |
dafür sorgt, dass die Menschen weiter aus der Stadt ins Umland ziehen: Die | |
Gebühren hier erhöhen und die Abwanderung stoppen, das kann nicht gelingen. | |
Das ist ein Teufelskreis, in den man sich da mit der Schuldenbremse begeben | |
hat. | |
Aber die Landesverfassungs-Änderung bringt die Kritik am | |
Konsolidierungskurs zum Schweigen. | |
Das wird sie nicht. Der Versuch, die Kritik zum Verstummen zu bringen, wird | |
scheitern. Wir werden diesen Weg weiterhin als falsch bezeichnen. | |
Obwohl Sie damit die Verfassung angreifen müssen? | |
Eine Verfassung ist nicht unfehlbar, und auch das Grundgesetz ist | |
menschengemacht. Wenn sich diejenigen, die sie geändert haben, auf die | |
Autorität der Verfassung berufen, um das zu verteidigen, was sie | |
hineingeschrieben haben - dann ist das doch ein witzloses Argument. Vor | |
allem wenn durch ihre Änderung das Grundgesetz mit sich selbst in Konflikt | |
gerät - und der Staat sich fragen lassen muss, welchen Teil er nun für | |
verbindlich erachtet … | |
…vorausgesetzt, der Konflikt zwischen Sozial- und Sparstaat tritt | |
tatsächlich auf. | |
Ich vermute, es dauert noch zwei, drei Jahre, bis der Widerspruch eine Form | |
angenommen hat, die als gesellschaftlich bedeutsame Größe wahrgenommen | |
wird. Es mehren sich jedenfalls die Anzeichen, dass etliche Länder | |
bemerken: Wir haben uns mit unserer Zustimmung in eine Falle begeben. | |
Wo mehren sich die Zeichen? | |
Überall, wo man die Auswirkungen der Schuldenbremse konkretisiert und | |
versucht, Haushalte unter ihren Bedingungen aufzustellen. Da merkt man sehr | |
deutlich, dass es bereits ganz gehörig zwickt und kneift - und vielleicht | |
doch keine so gute Idee war, sich darauf einzulassen. | |
3 Jun 2011 | |
## AUTOREN | |
Benno Schirrmeister | |
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