# taz.de -- Ein Jubiläum, das verdrängt wird | |
> Vor 20 Jahren erschütterte der Festina-Skandal die Frankreich-Rundfahrt. | |
> Ein Schatten über den Leistungen der Radprofis ist geblieben | |
Bild: Betroffener: Festina-Fahrer Richard Virenque | |
Aus Bagnères-de-Luchon Tom Mustroph | |
Als im Sommer vor zwanzig Jahren Frankreich Fußballweltmeister wurde, fand | |
auch die Tour de France statt. Sie erdrückte den WM-Sieg in seiner | |
Bedeutung, denn 1998 brach der Festina-Skandal aus. Wenige Tage vor dem | |
Grand Depart der Tour in Dublin wurde an der französisch-belgischen Grenze | |
Willy Voet, Masseur des Festina-Teams, vom Zoll kontrolliert. In seinem | |
Wagen fanden sich 235 Epo-Ampullen, 82 gefüllt mit Wachstumshormon, dazu | |
Testosteron, Kortikoide und Amphetamine. Zehn Jahre später erzählte der | |
Kommissar, der die Operation leitete: „Er hat uns schnell geholfen. Er | |
zeigte uns seine Aufzeichnungen über die Dopingmedikationen. Dann ging es | |
darum, eine gute Polizeitaktik zu entwerfen. Sollten wir gleich eingreifen? | |
Oder warten, bis die Tour zu Ende ist?“ | |
Die Polizei entschloss sich zu warten, bis die Tour auf französischem Boden | |
eintraf. Dann erst, nach dem Prolog und zwei Etappen in Irland sowie einer | |
weiteren auf französischem Boden wurden der Manager und der Teamarzt von | |
Festina verhaftet. Manager Bruno Roussel wurde auf die Polizeistation von | |
Cholet gebracht. Cholet war in diesem Jahr Etappenort des | |
Mannschaftszeitfahrens – raffiniertes Geschichtsbewusstsein der | |
Tour-Organisatoren. Später wurde er ins Gewahrsam nach Arras transportiert, | |
auch das eine Etappenstadt 2018. | |
Roussel packte aus. Die Tour schloss sein komplettes Team aus. Zeitgleich | |
zur Razzia bei Festina erfolgte auch eine beim niederländischen Rennstall | |
TVM. In Albertville, Startort der 17. Etappe, wurden sechs TVM-Fahrer von | |
der Polizei festgenommen. Unter ihnen waren Steven de Jongh, aktuell | |
sportlicher Leiter bei Trek Segafredo, und Servais Knaven, in gleicher | |
Funktion beim Team Sky tätig. An ihnen wurden Blut- und Urintests | |
vorgenommen und Haarproben analysiert. | |
Das Peloton organisierte daraufhin einen Bummelstreik. Die Etappe wurde | |
annulliert. Aber auch die Polizei setzte noch einen drauf und führte | |
Razzien in den Teamhotels von Polti, Francaise des Jeux, Lotto und Casino | |
durch. Einzelne Teammanager wurden verhaftet, darunter Marc Madiot, damals | |
wie heute Chef von FDJeux, und Vincent Lavenu, damals Casino, heute Boss | |
vom Froome-Herausforderer Romain Bardet. Auch der damalige Bergkönig der | |
Tour, der Italiener Rodolfi Massi von Lavenus Casino-Team, wurde | |
festgenommen. Er blieb über Nacht in Haft und konnte daher nicht am | |
folgenden Tag in seinem gepunkteten Trikot zum Start erscheinen. In seinem | |
Hotelzimmer hatte die Polizei Kortikoide gefunden. | |
Als die Tour 1998 zu Ende war, steckten immer noch einzelne Fahrer im | |
Knast. Tourboss Jean-Marie Leblanc gab zu, dass die erhöhten | |
Geschwindigkeiten des Pelotons jener Jahre ursächlich mit Epo-Doping | |
verknüpft seien. Bei der 98er Tour erreichte Sieger Marco Pantani 39,988 | |
km/h Durchschnittsgeschwindigkeit, das war sogar noch schneller als im | |
Vorjahr Jan Ullrich (39,223 km/h). Die letzte Tour mit einer | |
Durchschnittsgeschwindigkeit von unter 38 km/h gab es 1990, damals gewann | |
Greg Lemond – ein Profi, der sich früh gegen Doping stellte und erbitterter | |
Gegner seines Landsmanns Lance Armstrong wurde. Armstrong hält auch den | |
Ewigkeitsrekord für Tourgeschwindigkeiten. Sein Siegertempo von 2005 mit | |
41,65 km/h ist bislang unerreicht. | |
2018 legte der Gesamtführende Geraint Thomas bis zur 16. Etappe ein | |
Durchschnittstempo von 40,546 km/h hin. Das ist weit ab von der | |
Armstrong-Kurve, aber auch weit schneller als vor zwanzig Jahren. | |
26 Jul 2018 | |
## AUTOREN | |
Tom Mustroph | |
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